Risse, Setzungen, Einsturzgefahr – die Eigentümer von historischen Salzburger Altstadtgebäuden fürchten das Schlimmste, wenn unter ihren Häusern gegraben wird. Grund zur Sorge geben ihnen auch zwei Gutachter, die sie um Stellungnahmen gebeten haben. Doch die S-Link-Projektgesellschaft hält vehement dagegen.
„Jedes Mal, wenn man ein Altstadthaus anrührt, hat man die Gefahr, dass etwas passiert. Wenn auch nur eine alte Säule zu kippen beginnt, fällt das ganze Haus zusammen wie ein Kartenhaus!“ Walter Hebsacker ist alarmiert. 28 Jahre lang war er Baudirektor der Stadt Salzburg, zweimal schon hatte er das Projekt S-Link – die teils unterirdische Verlängerung der Salzburger Lokalbahn bis Hallein – auf dem Tisch liegen. Beide Male wurde es versenkt. Zu groß waren damals die Bedenken.
Auch heute hat der pensionierte Magistratsbeamte Angst um den Bestand des UNESCO-Weltkulturerbes. Genauso wie 22 Hauseigentümer auf der rechten Altstadtseite – von der Lederergasse, am Platzl bis zur Linzergasse. An vorderster Front stehen Moritz Schliesselberger, Inhaber des ältesten Geschäfts in der Stadt Salzburg und Miteigentümer eines 800 Jahre alten Hauses, und sein Nachbar Dieter Hofer, Miteigentümer eines 1365 erstmals erwähnten Gebäudes.
Gut 20 Meter unter ihren denkmalgeschützten Häusern soll künftig der S-Link fahren. Dafür werden zwei Tunnelröhren mit je acht Metern Durchmesser in den berüchtigten Salzburger Seeton gegraben.
Zwei von den Anrainern beauftragte, unabhängige Gutachter im Bereich Geotechnik (3P Geotechnik ZT GmbH) und Statik (DI Zipperer ZT Gmbh) raten nun in Stellungnahmen dringend von der Untertunnelung der Altstadt ab, warnen vor „massiven negativen Auswirkungen“ auf die Gebäude. Risse und Setzungen seien unvermeidbar, Schäden trotz moderner Bauverfahren unausweichlich.
Die Häuser sind bis zu 800 Jahre alt und haben kein festes Fundament. Würde man sie vor Setzungen und Kippungen absichern wollen, müsste man die historischen Böden herausreißen und Beton unter die Häuser pressen.
Dieter Hofer, Miteigentümer des historischen Münchnerhofs an der Dreifaltigkeitsgasse.
S-Link-Gesellschaft weist alle Vorwürfe zurück
Die Projektgesellschaft hält mit ihren 200 Fachplanern dagegen. Man nehme die Sorgen ernst, aber: „Wenn wir nicht sicher wären, dass es zu keinen Schäden kommt, würden wir dort gar nicht bauen.“ In den gutachterlichen Stellungnahmen der Anrainer sei zu wenig berücksichtigt worden. Mit modernster Technik könne man die Häuser bestmöglich schützen und Erschütterungen minimieren, heißt es. Der Schutz der Altstadt und ihrer Bewohner habe außerdem oberste Priorität.
Die exakte Trasse in diesem zweiten Bauabschnitt steht noch nicht final fest. Derzeit werden die Baugrunderkundungen abgeschlossen. Erst auf Basis dieser Erkenntnisse, können fundierte Aussagen zu den Gebäuden getroffen werden, argumentiert die Projektgesellschaft. Fix ist, dass es ein Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung gibt, bei dem Anrainer ihre Bedenken äußern können.
Kommentar von Magdalena Mistlberger: Super-GAU
Im Idealfall laufen die Bauarbeiten für den S-Link ohne Zwischenfälle, exakt nach Plan. Im Idealfall bekommt Salzburg nicht nur eine unterirdische Verlängerung der Salzburger Lokalbahn, sondern dazu auch mit Messe-Bahn und Stiegl-Bahn eine gesamtheitliche Verkehrslösung, die das Stauproblem in der Stadt ein für alle Mal löst. Im Idealfall explodieren die Kosten dafür nicht, sodass auch für diverse Krisen noch Geld übrig bleibt. Doch auch der größte anzunehmende Unfall muss beim S-Link bedacht werden. Um einen Super-GAU zu verhindern, muss man mit dem Schlimmsten rechnen, nicht mit dem Idealfall.
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