Am Donnerstagvormittag hat München für eine kurze Weile den Atem angehalten: Ein 18-jähriger Österreicher schoss in der Nähe einer jüdischen Einrichtung um sich. Die bisherige Geschichte des Schützen, Ort und Zeitpunkt der Tat ergeben einen „schlimmen Verdacht“.
Emrah I., der Österreicher mit bosnischen Wurzeln, drückte kurz nach 9 Uhr zum ersten Mal den Abzug an seiner Langwaffe. Sein erstes Ziel war ein Standposten der Polizei in unmittelbarer Nähe des NS-Dokuzentrums und des israelischen Generalkonsulates in der Münchner Innenstadt.
Der 18-Jährige wurde kurze Zeit später von herbei stürmenden Einsatzkräften erschossen und daraufhin für tot erklärt. Nun stellt sich die Frage nach dem Warum? Bayerns Ministerpräsident hat einen „schlimmen Verdacht“. Der CSU-Chef verwies auf einen möglichen Zusammenhang zwischen der Tat und dem Gedenktag an das Attentat auf die israelische Olympia-Mannschaft in München am 5. September 1972.
Polizei hält bei Hintergründen noch bedeckt
„Er hat gezielt auf die Polizisten geschossen, die haben das Feuer erwidert“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Bei der Waffe soll es sich nach Aufnahmen aus dem Internet um ein altertümliches Gewehr mit Bajonett gehandelt haben. Herrmann schloss einen Anschlagsplan auf das in der Nähe des Tatorts befindliche israelische Generalkonsulat ebenfalls nicht aus. Davon müsse ausgegangen werden.
Später bestätigte die Generalstaatsanwaltschaft München: Ja, das war wohl ein Terrorakt! In einer Pressemitteilung hieß es: „Aktuell wird jedenfalls von einem terroristischen Anschlag auch mit Bezug zum Generalkonsulat des Staates Israel ausgegangen, wobei ein Schwerpunkt der laufenden Ermittlungen in der Tatmotivation des Tatverdächtigen liegt.“
Österreicher war kein Unbekannter
Feststeht, Emrah I. war kein Unschuldslamm. Der junge Mann war den österreichischen Behörden als mutmaßlicher Islamist bekannt. Der 18-Jährige war bereits in seiner Schule als Gewalttäter auffällig geworden. Im Zuge von Ermittlungen wurde daraufhin einschlägiges Material auf seinen Datenträgern entdeckt.
Der 18-Jährige soll am Handy erhebliche Mengen IS-Propagandamaterial abgespeichert gehabt und konsumiert haben. Darauf befand sich auch ein Spiel, das sich über soziale Kanäle unter IS-Sympathisanten verbreitet hatte. Darin sollen Tötungsszenarien der Terrorgruppe nachgestellt worden sein. Als sogenannter „Hochrisiko-Gefährder“ wurde der Schütze von München dennoch nicht eingestuft.
„Krone“-Informationen zufolge dürfte der getötete Salzburger in der Seegemeinde Neumarkt am Wallersee seinen Wohnsitz gehabt haben. Dort läuft aktuell ein großer Polizeieinsatz.
Emrah I. handelte offenbar alleine
Wie der APA aus gut informierten Kreisen versichert wurde, war zumindest den heimischen Behörden bisher nicht bekannt, dass der 18-Jährige bereits Teil eines IS-Netzwerkes war oder im Internet Anschluss an Gleichgesinnte gefunden hatte. Ob es sich tatsächlich um einen Einzeltäter gehandelt hat, ist Gegenstand der angelaufenen Ermittlungen.
Wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung wurde Emrah I. in Salzburg im vergangenen Jahr zwar angezeigt – aber nie verurteilt. Das Verfahren wurde eingestellt, hieß es. Zu den Gründen wollte sich die Salzburger Anklagebehörde zunächst nicht äußern: „Wir erteilen dazu heute keine Medienauskünfte.“
Gegen den damals 17-Jährigen bestätigte die zuständige Verwaltungsbehörde jedoch ein Waffenverbot bis Anfang 2028, wie die Landespolizeidirektion Salzburg mitteilte. Offen blieb, ob der Jugendliche nach Einstellung des Verfahrens weiter beobachtet wurde.
Karner wirbt für „zeitgemäße Ermittlungsmethoden“
Die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) hat laut Innenminister Gerhard Karner Kontakt mit der israelischen Botschaft und Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) aufgenommen. Die Sicherheitsmaßnahmen seien „erhöht“ worden.
Bei dieser Gelegenheit wiederholte Karner seine Forderung nach „zeitgemäßen Ermittlungsmethoden“ für die Polizei: „Wesentlich und unabdingbar ist die Möglichkeit der Überwachung der Messenger-Dienste. Es muss Schluss sein mit Ausreden, Aufschieben und Abwehren.“ Es gehe darum, Verdächtige zu überwachen, Terroristen zu verhaften und Anschläge zu verhindern.
In München waren laute Schüsse zu hören:
Israel spricht von „Terroranschlag“
Der israelische Botschafter in Österreich, David Roet, äußerte sich in einer Aussendung sowohl entsetzt als auch erleichtert: „Am selben Tag, an dem unsere Nation an den brutalen Mord an elf israelischen Olympioniken durch palästinensische Terroristen bei den Olympischen Spielen in München erinnert, versuchte erneut ein hasserfüllter Terrorist, unschuldiges Blut zu vergießen. Dieser Anschlag trifft das Herz des jüdischen Volkes und weckt eine schreckliche Erinnerung, die uns weiterhin verfolgt. Mein tiefster Dank gilt den deutschen Sicherheitskräften für ihr schnelles Eingreifen.“
Roet betonte: „Der heutige Angriff erinnert uns daran, dass der Kampf gegen Terror und Antisemitismus noch lange nicht vorbei ist. Er erfordert ein volles und unerschütterliches Engagement von uns allen. Wir müssen geeint stehen, denn nur gemeinsam können wir diese Kräfte des Hasses überwinden.“ Auch Israels Präsident Isaac Herzog sprach in einer Aussendung von einem Anschlag. Er appellierte: „Gemeinsam sind wir stark im Angesicht des Terrors. Gemeinsam werden wir es schaffen.“
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