Bürgermeister Ludwig:

„Ein eigener Minister für den Wohnbau wäre gut“

Innenpolitik
07.09.2024 07:00

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig verspricht im Gespräch mit der „Krone“ mehr Wohnungen sowie einen „Hauptstadt-Bonus“ für Polizisten und erklärt, warum er einen Minister für den Wohnbau für sinnvoll hält. 

„Krone“: Eines der größten Themen und Probleme der Österreicher ist das leistbare Wohnen. Oder besser: das nicht mehr leistbare Wohnen. Wir kommen in eine echte Wohnungsnot, wie uns auch Spitzenbauunternehmer wie Karl-Heinz Strauss von der Porr bestätigen. Sie haben die Gemeindebauten in Wien, aber was unternehmen Sie noch?

Michael Ludwig: Wir sind mit unserem kommunalen sozialen Wohnbau international ein großes Vorbild. Wir haben 220.000 Gemeindewohnungen, 200.000 von der Stadt Wien geförderte Miet- und Genossenschaftswohnungen, aber wir ruhen uns auf diesen Lorbeeren nicht aus. Wir haben den nächsten Schritt gesetzt, dass bei allen Umwidmungen zwei Drittel der neuen Wohnungen geförderte sein müssen, um sicherzustellen, dass auch in Zukunft junge Menschen und junge Familien sich Wohnungen in einer attraktiven Millionenstadt wie Wien leisten können. Das ist ein Thema, das generell in Europa wichtig ist: Daher habe ich vorgeschlagen, dass es in der kommenden EU-Kommission auch einen Kommissar oder eine Kommissarin geben soll, die sich mit Wohnen beschäftigt. Ich habe mich sehr gefreut, dass diese Anregung auch von der Kommissionspräsidentin von der Leyen aufgegriffen worden ist. Wir haben uns in Wien vorgenommen, dass wir pro Jahr in etwa 5500 bis 6000 neue Wohnungen auf den Weg bringen.

Das werden Sie aber insgesamt nicht allein stemmen können, Sie werden auch Private brauchen. Da scheint es Probleme zu geben, bei der Kreditfinanzierung oder auch bei Genehmigungsverfahren.
Wir arbeiten in Wien seit vielen Jahrzehnten mit privaten Investoren und Bauträgern sehr eng zusammen: im Neubau, aber auch in der Sanierung. Wir haben jetzt seit fünf Jahrzehnten sanfte Stadterneuerung, wo wir einen Großteil der Kosten übernommen haben, wenn Private ihre Wohnhäuser, zum Beispiel Gründerzeithäuser, sanieren. Das ist der Grund, dass das Stadtbild in Wien so erhalten geblieben ist und wir zu jenen Städten mit dem höchsten Anteil an Gründerzeithäusern gehören. Hinzu kommt nun die thermisch-energetische Wohnhaussanierung. Bauen und Wohnen sind für 40 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich, und wir haben seit vielen Jahren im geförderten Wohnbau verpflichtend niedrige Energiehausstandards. Das kombinieren wir mit Investitionen in die Geothermie, in die Photovoltaikanlagen, von denen wir in der Größenordnung von 100 Fußballfelder pro Jahr bauen: auf Amtsgebäuden, Schulen, Spitälern, aber auch Wohnhäusern, bei denen wir Private unterstützen. Der deutsche Umweltminister Robert Habeck war in Wien und wurde gefragt, was ihn in Österreich am meisten fasziniert habe. Er nannte die Großfernwärmepumpen in Simmering. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass es uns in Wien früher als in anderen Teilen Österreichs gelingen wird, uns unabhängig vom russischen Gas zu machen.

„Krone“-Superressortleiter Rainer Nowak im Gespräch mit Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (Bild: Bissuti Kristian/KRISTIAN BISSUTI)
„Krone“-Superressortleiter Rainer Nowak im Gespräch mit Wiens Bürgermeister Michael Ludwig

Im Bereich der Fernwärme führt das einer Monopolstellung für die Wiener Energie, oder?
Wir haben einen liberalisierten Energiemarkt. Die Fernwärme unterliegt einer starken Preiskontrolle. Es gibt österreichweit mehr als 600 große und mittelgroße Produzenten im Bereich Fernwärme, hier auch in einem Vergleich stehen. Aber (meines Wissens sind auch) die Kosten für Fernwärme in Wien in Relation zu den anderen Herstellern von Fernwärme im unteren Bereich.

Die EU erhält einen Wohnbau-Kommissar, brauchen wir angesichts der schwierigen Lage nicht einen Wohnbauminister?
Das hat es schon einmal gegeben. Prinzipiell würde ich das für gut halten, dass man auf Bundesebene eine Person hat, die sich dem Thema verstärkt annimmt. Auch wenn viel der Kompetenzen in den Ländern liegt, ist es natürlich auch eine Frage, wie man Rahmenbedingungen schafft, damit Länder gemeinsam auch mit Bauträgern und Investoren entsprechenden Wohnraum zur Verfügung stellen können.

Das nächste Problem ist die sprunghaft steigende Arbeitslosigkeit. Offensichtlich schwindet die Zuversicht in der Industrie auf Besserung.
Sie haben leider völlig recht, das Thema treibt mich sehr um. Die Arbeitslosigkeit ist sehr stark im Steigen begriffen. In Wien zwar in einem geringeren Ausmaß als im Österreichschnitt, aber das ist für uns kein Trost, wir sind nicht nur der Wirtschaftsmotor für unser Bundesland, sondern für die gesamte Ostregion. Negative Auswirkungen in den anderen Bundesländern finden ihren Niederschlag auch in Wien. Ich sehe mit großer Sorge, dass die Wirtschaft sich stark zurückzieht aus der Ausbildung für Lehrlinge. Das sind Fachkräfte, die uns in vier, fünf Jahren dann fehlen. Wir werden deshalb die Anzahl der Lehrstellen in der Stadt Wien erhöhen, um jungen Menschen eine Chance zu geben für ihr kommendes Leben.

In Wien leben Sie eine enge Zusammenarbeit mit Walter Ruck und der Wirtschaftskammer. Wäre das Modell auch wieder im Bund gut, mehr Sozialpartnerschaft und Große Koalition?
Ich bin ein großer Fan der Sozialpartnerschaft(en) und um das beneiden uns viele in Europa.  Auf Bundesebene sollten die vernünftigen Kräfte zusammenfinden, gerade in einer solchen Krisensituation.

Thema Sicherheit: Sie wollen die Wiener Polizei von Innenministerium übernehmen? Ist das nicht ein wenig retro? Polizei und Gendarmerie wurde aus gutem Grund fusioniert, um bei den Häuptlingen und der Struktur zu sparen.
Wir haben die anderen Blaulichtorganisationen auch im Rahmen der Stadt. Ich denke an die Berufsrettung, die Berufsfeuerwehr: Das sind sehr fordernde Berufe, die auch gefährlich sind. Trotzdem haben wir kein Problem, Personal zu finden. Nur bei der Polizei funktioniert das nicht. Von daher fordern wir seit vielen Jahren mehr Polizistinnen und Polizisten – und obwohl die Bevölkerung zugelegt hat in Wien, haben wir nicht mehr, sondern weniger Polizistinnen und Polizisten, die für den Straßendienst tätig sein können. Wenn es dem Bund nicht gelingt, dass wir mehr Menschen bekommen für den sichtbaren Dienst auf der Straße, dann bin ich bereit, das zu übernehmen. Ich wäre dafür, dass man den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Polizei einen Hauptstadtbonus ausbezahlt, wenn sie bereit sind, hier Dienst zu versehen. Wir haben im vergangenen Jahr 11.000 Veranstaltungen und Demonstrationen in Wien gehabt – nicht gegen die Stadtregierung, sondern gegen die höchsten Organe der Republik. Dass das dazu führt, dass Polizistinnen und Polizisten bei uns anders gefordert sind als in anderen Teilen Österreichs, liegt auf der Hand: Über eine Million Überstunden aus dem vergangenen Jahr beweisen das. Außerdem bin ich dafür, dass man die Rahmenbedingungen im öffentlichen Raum verbessert, dadurch, dass es ein allgemeines, und seit dieser Zeit sind insgesamt 360 Waffen abgenommen worden am Praterstern, davon mehr als 300 Messer. Mir kann niemand erklären, dass man im öffentlichen Raum mit einer Schuss- oder Stichwaffe unterwegs sein muss. Und mit einer Machete wird man sich nicht die Fingernägel ausputzen.

Kurz zur SPÖ: Wie unglücklich ist der Wiener Bürgermeister über den öffentlich gewordenen Brief der engen Weggefährtin Doris Bures mit ihrer Kritik am Wahlprogramm von Andreas Babler?
Es sind alle Mitglieder des Präsidiums und Vorstandes eingeladen worden, Vorschläge schriftlich einzubringen. Das hat Präsidentin Bures gemacht, mit sehr konstruktiven Beiträgen: etwa, dass man sich im Wahlkampf auf weniger Themen konzentrieren soll und im Unterschied zu den anderen Parteien ein glaubwürdiges Gegenfinanzierungsmodell braucht.

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