Hotelier Andreas Gfrerer sprach mit der „Krone“ über Gänsehautmomente und was der Jazz und bitteres Essen damit zu tun haben. Serviert hat der Salzburger zum Gespräch hausgemachte Pasta.
Herr Gfrerer, es bietet sich an, dass wir uns zum Dinner bei Ihnen im Gastgarten der Blauen Gans treffen. Zum Essen gibt’s selbstgemachte Pasta mit Artischocken gefüllt.
Es hat einen Grund, warum ich dieses Gericht gewählt habe. Weil da alles drin steckt, was unser Haus ausmacht. Wir haben darin nämlich das Venedig-Thema aufgegriffen. Als „Einstellwirt“ hat die Gans früher über Jahrhunderte den Händlern, die in die Handelsmetropole Venedig unterwegs waren, Bett und Stall geboten.
Interessant! Sie haben das Haus mit nur 26 Jahren übernommen. Eine große Herausforderung.
Dem Betrieb unter dem damaligen Pächter fehlte für mich Entscheidendes: Qualität und Identität. Das war zum Teil schon recht abenteuerlich, was mir da entgegenkam. Aber ich fand die Herausforderung spannend, weil ich etwas komplett Neues daraus machen konnte. Dabei war mir immer wichtig, die Geschichte des Hauses weiterzuerzählen. Es war vom ersten Tag an, in den 1350er-Jahren, eine Herberge. In den 1990er-Jahren bin ich als Student in den USA über das Konzept der sogenannten Boutique-Hotels gestolpert.
Sie bezeichnen ihr Haus gerne als „Sammelbox von Geschichten“.
Ich habe für das Haus ein Motto: Die Menschen, die bei mir zu Gast sind, sollen etwas von dieser Geschichte mitbekommen. Sie sollen von etwas berührt werden und sie sollen diese Empfindungen weitertragen. Dafür verwende ich auch gerne den Begriff „Gänsehaut“. Mit Gänsehaut reagiert man auf einen Reiz. Man fühlt sich geborgen, zuhause, man schwingt in derselben Schwingung. Durch jede dieser Erfahrungen lernt man, im besten Fall etwas über sich selbst.
Apropos: Wann hat Sie zuletzt etwas berührt. Wann hatten Sie das letzte Mal Gänsehaut?
Da muss ich nicht lange nachdenken. Das war bei den Salzburger Festspielen. Riccardo Muti hat ein Konzert mit den Wiener Philharmonikern dirigiert. Und das in einer wahnsinnig beeindruckenden Art und Weise. Wirklich monumental. Musik berührt mich generell. Vor allem auch der Jazz. Daran gefällt mir der Aspekt der Improvisation besonders. Dadurch lernt man zu verstehen, wie wichtig Improvisation auch im täglichen Leben ist. Vor allem, wenn man auf Widerstände trifft. Dann entsteht Reibung. Und genau das ist für mich ein spannender Beobachtungspunkt. Weil sich daraus Vieles entwickeln kann. Man kommt raus aus seiner Komfortzone.
Andreas Gfrerer wurde am 24. August 1971 in Salzburg geboren. Mit 26 Jahren übernahm er das Hotel Blaue Gans in der Altstadt. 2000 gründete er die Kulturinitiative Stadt Salzburg mit und war ab 2005 im Vorstand des Tourismusverbandes tätig. Ab 2008 war er Obmann des Salzburger Altstadtverbandes. 2022 trat er überraschend zurück, da er den Zeitpunkt für einen Wechsel als passend erachtete. Gfrerer ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern.
Können Sie sich an so einen Punkt in ihrem Leben erinnern?
Ich war mit meinem Küchenchef im Friaul in einem Restaurant, das sich auf Terroir-Küche fokussiert hat. Dort wurden nur Gerichte mit verschiedenen Bitter-Noten serviert. Ich war schon knapp dran, aufzustehen und zu gehen. Nicht weil es schlecht war, aber es war anfangs extrem herausfordernd. Aber ich habe mich dann darauf eingelassen und zum Schluss war ich direkt euphorisch, weil ich eine richtige Entwicklungsreise gemacht habe.
Kochen Sie selber auch?
Ich finde das Zusammenkommen am Familientisch sehr wichtig. Und dass man sich dann Zeit füreinander nimmt und Gespräche führt. Vor allem die Kinder sollen lernen, ein Gespräch auch halten zu können und nicht sofort aufs Handy zu schauen.Wir kochen eigentlich regelmäßig zuhause, fast täglich. Auf den Tisch kommen dann relativ simple Gerichte, aber mit einem gewissen Kick versehen.
Wie urlauben Sie privat?
Persönlich reise ich gerne individuell. Also ich schließe aus, dass ich ein Kreuzfahrtschiff jemals von innen sehen werde. Auch Gruppenreisen finde ich schwierig. Aber Hotels mit einer großen, privaten Qualität finde ich schön. Dort setze ich mich dann auch gerne in die Lobby und schaue, was die Gäste und Mitarbeiter so machen. Ein Hotel ist ja eigentlich eine Bühne. Diese verschiedenen Begegnungen sind Erfahrungen, die einen bereichern. Da nehme ich dann schon auch Eindrücke mit nach Hause, die ich umsetzen könnte. Und diese ganzen Impulse, die es gibt auf Reisen, die verändern einen. Genauso wie ein Besuch im Theater.
Reist der professionelle Blick dann immer mit? Sind Sie als Gast kritisch?
Ich glaube, wenn man in dieser Branche ist, ist man mit seinem Blick auf andere im selben Metier eher großzügig als kleinlich. Weil man weiß, was da alles dahintersteckt und auch, was schiefgehen kann. Das würde ich mir im Übrigen generell mehr für uns als Gesellschaft wünschen: Dass wir mit mehr Milde miteinander umgehen. Mir persönlich war auch immer wichtig, dass wir mit dem, was wir hier tun, einen Beitrag zu einem friedlichen Miteinander leisten können. Diese Sehnsucht treibt mich an.
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