„Ihre Zeit läuft ab“

Hunderttausende Israelis fordern sofortigen Deal

Ausland
08.09.2024 10:31

Während Israels Armee im abgeriegelten Gazastreifen weiter gegen die islamistische Hamas vorgeht, kommt es im eigenen Land zu neuen Massendemonstrationen. Hunderttausende protestierten gegen die ultrarechte Regierung von Benjamin Netanyahu.

Bei der Hauptkundgebung in der Hafenmetropole Tel Aviv sowie weiteren Protesten in anderen israelischen Städten forderten die Teilnehmer ein Abkommen mit der Hamas zur Freilassung von rund 100 Geiseln. Die Organisatoren sprachen laut örtlichen Medienberichten von 500.000 Demonstranten allein in Tel Aviv.

„Wir dürfen kein Leben mehr opfern, wir dürfen sie (die verbleibenden Geiseln) nicht opfern“, sagte die Verwandte einer von den islamistischen Extremisten erschossenen Geisel auf der Kundgebung in Tel Aviv. „Ihre Zeit läuft ab.“ Weitere Demonstrationen fanden nach Medienberichten unter anderem in Jerusalem, Haifa, Be‘er Sheva, Naharia und Caesarea statt.

Hamas richtete sechs Geiseln hin
Terroristen der Hamas hatten Carmel Gat und eine weitere Frau und vier Männer in der vergangenen Woche mit Schüssen aus nächster Nähe getötet. Das israelische Militär hatte ihre Leichen am vergangenen Sonntag in einem Tunnel in Gaza gefunden. „Die Sechs wären heute hier unter uns, wenn (Israels Ministerpräsident Benjamin) Netanyahu Ja zu einem Deal gesagt hätte“, rief Gats Verwandte mit Trauer und Wut in der Stimme in die Menge.

Viele Israelis fordern einen sofortigen Stopp des Gaza-Krieges. (Bild: AP/Leo Correa)
Viele Israelis fordern einen sofortigen Stopp des Gaza-Krieges.

Die Hamas und andere islamistische Terrorgruppen hatten am 7. Oktober vergangenen Jahres den Süden Israels überfallen und dabei mehr als 1200 Menschen getötet und etwa 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Das beispiellose Massaker war Auslöser des Gaza-Kriegs.

Gespräche brachten kein Ergebnis
Nach israelischer Zählung befinden sich noch 101 Menschen in der Gewalt der Hamas, wobei unklar ist, wie viele von ihnen noch leben. Indirekte Verhandlungen zu ihrer Freilassung, bei denen die USA, Ägypten und Katar vermitteln, drehen sich seit Monaten ergebnislos im Kreis. Der angestrebte Deal würde auch die Beendigung des Kriegs, den Rückzug des israelischen Militärs aus dem Gazastreifen und die Entlassung tausender palästinensischer Häftlinge aus israelischen Gefängnissen einschließen.

Kritiker werfen Netanyahu vor, den Abschluss einer derartigen Vereinbarung mit überzogenen Forderungen – wie etwa der nach einem dauerhaften Verbleib des israelischen Militärs an strategischen Stellen des Gazastreifens – zu torpedieren. Der Premier regiert in einer Koalition mit rechtsextremen Parteien, die jegliche Zugeständnisse an die Hamas ablehnen und ihm mit dem Platzen des Regierungsbündnisses drohen.

Kriegsparteien bekommen letzte Chance
Der Chef des US-Auslandsgeheimdienstes CIA, William Burns, hat weitere indirekte Verhandlungen angekündigt. „Wir werden diesen detaillierteren Vorschlag vorlegen, in den nächsten paar Tagen, wie ich hoffe, und dann werden wir sehen“, sagte Burns auf einer Veranstaltung der Zeitung „Financial Times“ in London. Er leitet in der Regel die US-Delegation bei den indirekten Verhandlungen, die meist in Kairo oder in Doha stattfinden.

Szenen von der Großdemonstration aus Tel Aviv:

US-Medien hatten bereits kürzlich über einen geplanten letzten Vorschlag für ein Abkommen berichtet. Sollten beide Konfliktparteien auch diesen wieder nicht akzeptieren, könnte es das Ende der Verhandlungen bedeuten, hieß es. Burns‘ Worten zufolge steht unermesslich viel auf dem Spiel – auch für die Zukunft und Sicherheit der gesamten Nahost-Region.

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