„My Method Actor“

Nilüfer Yanya: Nicht enden wollende Klangsuche

Musik
11.09.2024 09:00

Mit ihrem Debütalbum „Miss Universe“ rausche die Londonerin Nilüfer Yanya wie ein ICE-Zug an die Spitze die Indie-Rock-Welt. Der große Hype der frühen Tage ist vorbei, auf ihrem dritten Album „My Method Actor“ zeigt sich die 29-Jährige nun zuweilen ruhiger und gereifter. Die „Krone“ sprach mit ihr über Karriere-Kickstarts, Louis Tomlinson und nicht fühlbare Schmerzen.

(Bild: kmm)

Jedes Leben besteht aus unzählbaren „Was wäre wenn“-Fragen, die man sich aber nie stellen darf, weil man die Richtungen und Schicksale im Nachhinein ohnehin nicht mehr beeinflussen kann. Bei Nilüfer Yanya stellte sich vor knapp zehn Jahren die Frage, ob sie bei einem geplanten Girlgroup-Projekt des einstigen One-Direction-Mitglieds Louis Tomlinson mitwirken wolle – sie sagte dankend ab und veröffentlichte wenige Monate später ihre Debüt-EP „Small Crimes“ beim Londoner Indie-Label Blue Flowers und machte damit erstmals in der Londoner Indie-Szene auf sich aufmerksam. Heute ist die türkischstämmige Britin 29 Jahre alt, veröffentlicht mit „My Method Actor“ ihr drittes Studioalbum und ist längst ein Phänomen in der globalen Indie-Rock-Szene.

Es geht auch am eigenen Weg
Sie spielte bereits als Support von Adele, Mitski, The xx oder Interpol, wurde in die renommierte „The Sound Of…“-Liste der BBC von 2018 aufgenommen und begeisterte beim kalifornischen Megafestival Coachella. Ganz schön viel Erfolg für jemanden, der einem etablierten Weltstar noch wenige Jahre zuvor die kalte Schulter zeigte. Vom Hype ließ sich Yanya nie abschrecken. Auch nicht 2019, als sie mit ihrem Debütalbum „Miss Universe“ durch die Decke ging und erst zwangsläufig von der Pandemie wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wurde. „Wenn die Leute meine Musik hören, ist das doch schön“, erzählt sie uns im „Krone“-Interview, „ich sorge mich dann eher darum, wie ich sie auf Dauer bei der Stange halte, oder wie ich es schaffe, dass ihnen neue Songs gefallen, wenn sie mit den frühen von mir in Berührung kamen.“

Die Pandemie kam Yanya nach dem Karriere-Senkrechtstart rückblickend sogar recht, um nicht allzu früh die Bodenhaftung zu verlieren. „Mir kam die Zeit gerade recht, ich wollte damals sowieso eine Pause machen. Ich musste aber überhaupt erst lernen, was es bedeutet, eine Pause zu machen und die Füße still zu halten. Immer wieder ein neues Album herausbringen zu müssen kann sehr viel Druck entfachen. Die Maschinerie der Musikindustrie macht mir noch immer Angst, sie ist eine einzige große Chimäre, die man nicht greifen kann. Am glücklichsten bin ich, wenn ich im Studio an Songs bastle oder auf der Bühne stehe. All die Promo- und Werbetermine, Interviews, Awards und Empfänge sind oft künstlich fabriziert. Solange man sich dessen gewahr ist, tut man sich in dieser Welt viel leichter.“

Gedanke der Transformation
Für „My Method Actor“ zog sich Yanya mit ihrer kreativen Partnerin Wilma Archer (Sudan Archives) ins Studio zurück. Das neue Album trägt sehr stark den Gedanken der Transformation in sich. Der Wechsel von einem Lebensabschnitt in den nächsten. Der nahende 30. Geburtstag im Jahr 2025 und auch die Einsicht, dass Nilüfer Yanya nach drei Alben und knapp zehn Jahren Karriere eine gefestigte Größe im Musikgeschäft ist. Die Schreib-Sessions der beiden fanden zwischen London, Wales und Eastbourne statt, dementsprechend treibt auch die Musik in viele Richtungen aus. Es gibt weitläufige, fast schon cineastische Klangweiten („Method Actor“, „Call It Love“) zu erforschen, es bleibt aber auch noch genügend Platz für die von der Künstlerin eher bekannten, komprimierteren Songs. Es wirkt fast so, als wäre jedes Lied, jede Textzeile eine nicht enden wollende Suche nach sich selbst und dem Platz im Kosmos der Musikwelt.

„Meine Mutter sagt mir immer, ich würde in meinen Songs den Zeitgeist einfangen“, lacht die 29-Jährige, „sehr oft besinge ich das Fehlen von Gefühlen. Viele schwermütige Dinge im Leben können schmerzlos sein, weil man sie gleich gar nicht an sich heranlässt. Man fühlt, dass etwas nicht stimmt und ist belastet, kann aber nicht zuordnen, was genau das sein soll – wie Phantomschmerzen. So geht es vielen Menschen auf der Welt und vielleicht erreiche ich damit deshalb so viele Leute.“ Vom Klischee, in schweren Momenten die besten Songs zu schreiben, hält Yanya nicht viel. „Wenn ich sehr traurig, wütend oder aufgeregt bin, dann kann ich gar nichts tun – das wäre emotional gar nicht möglich. Da geht es nur darum, den Tag zu überstehen und aus dieser Stimmung rauszukommen. Zum Schreiben brauche ich Ruhe und die Möglichkeit, Dinge zu überdenken und zu reflektieren.“

Sinnfragen des Lebens
Wer einfache Antworten auf komplexe Fragen sucht, der ist bei Yanya auch am neuen Album falsch. Mit einer Mischung aus notwendiger Melancholie und der steten Hoffnung auf ein Happy End geht sie metaphorisch und in Subkapitel gegliedert den Sinnfragen des Lebens nach – wissend, dass Antworten und Wahrheiten darauf immer subjektiv sind und offen bleiben. „Ich versuche prinzipiell im Moment zu leben und mir nicht zu viele Gedanken um die Zukunft zu machen. Vielleicht wäre es auch einmal Zeit für einen Tapetenwechsel? Mein Leben verläuft sehr gut, aber manchmal habe ich das Gefühl, ich sollte woanders leben. Vielleicht in der Türkei, wo meine Wurzeln sind.“ Wie auch immer sich Nilüfer Yanyas persönliche Zukunft gestaltet, mit „My Method Actor“ geht sie jedenfalls den nächsten Schritt einer Karriere, die bislang nur nach oben zeigt.

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