Im Landesgericht Wien fehlt von einem Rollstuhl jede Spur. Dabei gab eine Serbin zumindest bei der Krankenkasse an, einen zu brauchen, um ihren Alltag zu bestreiten. Außerdem würden sie eine halbseitige Lähmung und Schwächeanfälle arbeitsunfähig machen. Ein Zeuge bestätigt vor Gericht: „Sie hat gemeint, den Rollstuhl braucht sie nur für die Sozialversicherung.“
Aufrecht und schnellen Schrittes betritt die 40-Jährige den Verhandlungssaal im Wiener Landesgericht. Von Gleichgewichtsstörungen oder halbseitiger Lähmung fehlt jede Spur. Und genau das machte auch im Frühjahr 2022 Polizeibeamte stutzig, die gegen die Serbin wegen Sozialbetrugs ermitteln sollten. Sie stellte nämlich bei der Krankenkasse einen Antrag auf Invalidenpension und Pflegegeld.
Keine Spur vom Rollstuhl bei Observation
Da gab sie an, sie könne sich fast nur mit einem Rollstuhl fortbewegen, an guten Tagen würde ein Rollator reichen. Ihr Alltag sei geprägt von Schwächeanfällen, die die 40-Jährige berufsunfähig machen würde. Doch was die Ermittler fotografierten, zeichnete ein ganz anderes Bild – wie sie schwere Sachen hebt, Vorhänge in der Küche aufhängt oder mit ihren Enkeln im Garten spielt.
Und auch am zweiten Prozesstag gegen die Serbin – der Auftakt war Mitte Juli – bestätigt ein Zeuge, sie habe ihm zwar immer mitgeteilt, „wie schlecht es ihr geht“, gesehen habe er davon aber nie etwas. „Mein Eindruck war, es ist ihr darum gegangen, Mitleid zu erwecken. Am Ende ist das für mich eiskalte Berechnung“, sagt der Wiener, bei dem die 40-Jährige und ihr mitangeklagter Lebensgefährte mit Pfuscharbeiten einen Schaden von mindestens 80.000 Euro angestellt hätten.
Ich kenne die Frau Angeklagte ein bisschen. Ich hätte sie als hysterisch und als Jammerlappen bezeichnet. Sie glaubt, sie ist wirklich krank.
Verteidigerin Astrid Wagner
Bild: Groh Klemens/Klemens Groh
Das ist aber nicht Gegenstand des Verfahrens, erinnert der vorsitzende Richter. Doch auch zum Pensionsbetrug weiß der Zeuge: „Ich war einmal bei ihr in der Wohnung und da hab‘ ich einen Rollstuhl gesehen. Ich hab‘ gefragt, wofür sie den denn braucht und sie hat gemeint, der sei nur für die Sozialversicherung.“ Diese Aussage erntet von der Angeklagten einen erschrockenen Laut ...
Psychiater ortet Simulation
Auch jener psychiatrische und neurologische Sachverständige, der ein Gutachten für die Krankenkasse erstellt hatte, muss im Zeugenstand Platz nehmen. Die Theorie von Verteidigerin Astrid Wagner, nach der ihre Mandantin an Hypochondrie leide, kann er nicht bestätigen. Für den Gutachter deute alles auf eine Simulation hin.
Das glaubt auch der Schöffensenat letztendlich und verurteilt die Serbin und ihren Lebensgefährten – er hätte von dem schweren Betrug gewusst, kommt mit 15 Monaten bedingt aber glimpflich davon. Und auch die 40-Jährige freut sich über ihr Urteil von 21 Monaten teilbedingter Haft. Denn die drei Monate, die sie tatsächlich ins Gefängnis müsste, saß sie bereits in Untersuchungshaft ab. Auch der Staatsanwalt akzeptiert die Urteile.
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