Den spannendsten Moment der Oscar-Nacht kriegen die rund 1.600 Gäste gar nicht zu sehen. Er findet ungefähr um 10 Uhr Ortszeit in der Küche des Hollywood & Highland Center in Beverly Hills statt: 270 Köche werfen gleichzeitig je sechs fingerdicke Stücke vom Thunfisch in möglichst gleichmäßig heiße Pfannen. Dann hält sogar der Mann den Atem an, der das Menü für die wohl berühmteste Party der Welt kreiert hat, so wie er das schon seit 19 Jahren tut: Wolfgang Puck (63), gebürtiger Kärntner und neben Arnold Schwarzenegger wahrscheinlich der bekannteste Österreicher in den USA.
Für den sogenannten "Governors Ball" nach der Verleihung der begehrten Filmtrophäe hat der Küchenchef der Stars heuer vegetarische Pizza und Miniburger aus Kobe-Rindfleisch vorbereitet, danach Hühnerpastete mit schwarzen Trüffeln und gedämpften Red Snapper mit Thai-Gewürzen. Natürlich dürfen auch die traditionellen, mit Blattgold überzogenen kleinen Oscar-Statuetten aus Schokolade nicht fehlen.
"Tuna Nicoise à la Wolfgang Puck" für die Stars
Aber als Höhepunkt wird eben "Tuna Nicoise à la Wolfgang Puck" gereicht, und das bedeutet höchste Präzision. "Die Küchenmannschaft ist wie ein großes Orchester", findet Puck, "jeder Einzelne muss seinen Part perfekt können, zusätzlich braucht man einen Dirigenten, der das Timing vorgibt." Die Thunfischfilets dürfen nicht zu roh und nicht zu durch sein. Genau eine Minute auf jeder Seite, dann kommen sie auf das vorbereitete Salatbett, und eine Armee von Kellnern schwärmt aus zu den Tischen von George Clooney, Steven Spielberg, Quentin Tarantino, Ben Affleck, Hugh Jackman, Denzel Washington, Bill Murray, Philip Seymour Hoffman, Naomi Watts, Robert De Niro, Tommy Lee Jones, Anne Hathaway, Helen Hunt, Meryl Streep und Christoph Waltz (um nur ein paar der Teilnehmer zu nennen).
Wolfgang Puck hat Erfahrung mit den empfindlichen Gaumen solcher Leute. Seit er 1982 das mittlerweile legendäre "Spago" auf dem Sunset Strip eröffnete, kocht er vorwiegend für Menschen, deren Namen auf Filmplakaten stehen. Hollywood-Österreicher gehörten zu den ersten Kunden, erinnert sich der Star-Gastronom: "Billy Wilder hat Kirk Douglas und Sidney Poitier hergebracht, und Schwarzenegger war von Anfang an da." Schnell sprach sich herum, dass Pucks Küche leicht und trotzdem kulinarisch spannend ist. Hier wurde zum ersten Mal die Idee einer offenen Schauküche verwirklicht, hier gab es Kreationen wie Pizza mit Lachs und Kaviar oder Würste aus Entenfleisch.
Gastro-Imperium mit 6.000 Mitarbeitern
Das alte "Spago" ist längst Geschichte – hat aber gleich vier namensgleiche Nachfolger. Eines davon, nicht weit vom Original in Beverly Hills, gilt als das Restaurant mit der höchsten Promi-Dichte in ganz Amerika. Die anderen stehen in Las Vegas, in Maui auf Hawaii und in Beaver Creek in den Rocky Mountains. Und sie machen nur einen kleinen Teil des Gastro-Imperiums aus, das Puck in den letzten 30 Jahren aufgebaut hat. Der 1,72 Meter große Maestro beschäftigt heute 6.000 Mitarbeiter und erwirtschaftet 450 Millionen Dollar Umsatz im Jahr. Er besitzt insgesamt 70 Restaurants in den USA, in Großbritannien, Singapur und Japan – Häuser mit Namen wie "Chinois", "Cut" (eine Steakhaus-Kette), "Postrio", "Puck Pizza" oder "Wolfgang Puck Express". In jedem seiner Betriebe stehen übrigens Wiener Schnitzel auf der Karte und fast überall auch die Kärntner Kasnudeln, die der Unternehmer schon als Kind bei der mittlerweile verstorbenen Mutter in St. Veit an der Glan immer so liebte.
Seit 2007 ist der Koch mit der aus Äthiopien stammenden Modedesignerin Gelila Assefa verheiratet und verbringt seine spärliche Freizeit mit ihr und den Söhnen Oliver (7) und Alexander (6) in seinem Haus in Beverly Hills. Auch die Söhne aus der ersten Ehe mit Barbara Lazaroff, Cameron (23) und Byron (18), treffen regelmäßig ihren Vater. Am Wochenende, natürlich, denn sonst steht Wolfgang Puck auch mit 63 jeden Tag von sieben Uhr morgens bis Mitternacht an irgendeinem seiner vielen Herde, oder er überwacht einen Auftritt seiner Mannschaft bei einer privaten Party eines Hollywood-Magnaten.
Pilzrisotto für Streisand, Hendl für Jack Nicholson
Die Marotten der großen Künstler kennt Puck wie kein Zweiter, und er versteht es auch, die Celebritys entsprechend zu verhätscheln. Barbra Streisand zum Beispiel, die nach 36 Jahren Pause wieder bei den Oscars singen wird, mag am liebsten Pilzrisotto. Also wird wohl einer der 270 Küchengeister zu einer freien Gasflamme abkommandiert werden, um notfalls eine Portion davon anzurühren. Schließlich hat Puck auch schon Hummer für Danny DeVito aus dem Hut gezaubert ("Der will nie was anderes") oder ein gebratenes Hendl für Jack Nicholson – ganz unauffällig mitten während des Oscar-Dinners. Leonardo DiCaprio wiederum versucht – ganz wie unsereins – Gaumenlust und schlanke Linie unter einen Hut zu bringen. "Der bestellt immer zehn ganz kleine Gänge", verrät der "Spago"-Chef.
In der Oscar-Nacht wird wohl auch Leo ganz normal zugreifen. Denn eines hat Wolfgang Puck bei 19 Jahren Oscar-Zirkus gelernt: In dieser Nacht vergessen die Stars ihre Allüren, die meisten sind schlicht ausgehungert, haben sie doch durchwegs seit Wochen gefastet, um in das knallenge Designerkleid zu passen, mit dem sie auf dem roten Teppich glänzen wollen. "Um neun Uhr abends ist jeder froh, dass er endlich was kriegt", weiß Puck, "da denkt niemand mehr an seine Diät."
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