Neues Studioalbum

Snow Patrol: Es war Zeit für eine Neukalibrierung

Musik
13.09.2024 09:00

Sechs Jahre nach ihrem letzten Studioalbum kehren die schottischen Pop-Sanftmüter von Snow Patrol wieder ins Rampenlicht zurück. Frontmann Gary Lightbody erlitt personellen Aderlass und reflektierte erst einmal sein Leben, um völlig in der Gegenwart anzukommen. Im „Krone“-Talk spricht er offen über „The Forest Is The Path“, das Thema Liebe und warum Noel Gallagher recht hat.

(Bild: kmm)

Der wunde Punkt wird schon vor dem Interview angesprochen: Fragen zu Coldplay sind beim Gespräch mit Snow-Patrol-Frontmann Gary Lightbody verpönt. Es wird gebeten, sie zu unterlassen. Wohl zu oft wurden die Schotten in ihrer mittlerweile 30-jährigen Vergangenheit mit Chris Martin und Co. verglichen. Es ist beidseitig nachvollziehbar. Einerseits haben sich Snow Patrol tatsächlich oft sehr nahe im Windschatten der übermächtigen Briten bewegt, andererseits hat man den sensiblen Frontmann über all die Jahre oft und detailliert genug dazu befragt. Die Verwechslungsgefahr ist mittlerweile gering, was einen paradoxen Grund hat. Die echten Coldplay sind über die letzten Jahre zu einer mainstreamigen Hit-Maschinerie geworden, während Snow Patrol bei aller Entwicklung nicht allzu weit von der eigenen Historie abweichen und sich gerne im Grundstock ihres eigenen Seins suhlen.

Weitermachen ist alternativlos
„The Forest Is The Path“ ist ihr erstes Album seit sechs Jahren – eine für heutige Verhältnisse unglaublich lange Zeit im Musikbusiness. Dazwischen lagen eine Pandemie und die Verknappung der Band von fünf auf drei Kernmitglieder. Drummer Jonny Quinn und Bassist Paul Wilson haben die Truppe letzten Herbst verlassen – seitdem agieren die übriggebliebenen Mitglieder Lightbody und die Gitarristen Nathan Connolly und Johnny McDaid mit Livemusikern. „Die beiden werden immer ein Teil des ,Mount Rushmore von Snow Patrol‘ bleiben“, erklärt Lightbody uns im „Krone“-Interview, „natürlich haben wir kurz überlegt, ob wir weitermachen sollen. Aber wir müssen weitermachen, es ist alternativlos. Jetzt fühlt sich die Band wie eine Neuerfindung an – instinktiv und nicht erzwungen.“

Lightbody, der sich seit mehr als einem Jahrzehnt in keiner Beziehung mehr befindet, wollte sich wieder mit dem echten Leben verbinden. „Ich brauchte ein bisschen eine Pause von der Modernität. Ich will nicht den ganzen Tag auf Instagram hängen, sondern im Meer schwimmen, frische Luft atmen und ziellos durch den Wald spazieren. Ich habe mich zuweilen sehr verloren gefühlt und suche nun den Weg in die Natur. Dort gibt es keine falschen Wege, weil alle zu einem Ziel führen. In gewisser Weise ist es mit der Musik dasselbe, aber dessen musste ich mir erst wieder bewusst werden. Ich war viel zu lange ein junger Mann, der nach einer bestimmten Richtung gesucht hat, anstatt einfach die Reise an sich zu genießen.“

Positive Grundstimmung
Die kompositorische Unmittelbarkeit, Songs ohne Vorlagen und Schablonen zu fertigen, führt auf „The Forest Is The Path“ zu einer gewissen Leichtigkeit. Obwohl Cover-Artwork und Grundthematik nach einem Übermaß an Melancholie schreien, sind viele Songs von einer positiven Grundstimmung, Up-Tempo-Melodien und viel Schwung durchzogen. Fast so, als hätte der 48-Jährige sich völlig neu kalibriert. „Das Leben vergeht so verdammt schnell. Wenn du dir zwischendurch nicht Zeit nimmst, um stehenzubleiben, dich umzusehen und innezuhalten, dann rauscht es im hohen Tempo an dir vorbei. Viel zu viel Zeit meines Lebens habe ich damit verbracht, dort zu sein, wo ich gar nicht sein will. Es ist verdammt hart, in der Gegenwart zu leben, weil man entweder der Vergangenheit nachtrauert oder zu weit nach vorne schaut. Die Gegenwart ist ein flüchtiger Bastard.“

2024 feiern Snow Patrol ihr 30-jähriges Bandbestehen – erscheint das neue Studioalbum nach derart langer Sendepause vielleicht gerade deshalb? „Eigentlich nicht“, lacht Lightbody, „und es wäre auch falsch, dieses Jubiläum zu feiern, denn dann würden wir ja wieder in die Vergangenheit schauen. Es war nie geplant, dass es mit dieser Zahl zusammenfällt. Wenn man eine so lange Karriere reflektiert, kann das sehr ermüdend sein. Ich fühle mich aber verjüngt, voller Energie und Antrieb. Ich singe die Songs in der Gegenwart, aber ich fühle mich wie 30 oder 35. Ein sehr wichtiges Thema des Albums ist die Liebe in verschiedenen Facetten. Ich würde mich gerne wieder verlieben und wenn das passiert, dann so, wie ich es fühlte, als ich 30 war.“

Liebe wird verstanden
Für Lightbody ist „The Forest Is The Path“ auch eine vertonte Form der eigenen Identitätsveränderung. „Ich weiß heute, was Liebe bedeutet. Wie man Liebe gibt und wie man sie annimmt. Die frühere Version von mir konnte das alles nicht. Ebenso wichtig wie die Liebe ist für das Album die Zeit. Da kommen wir dann wieder zurück zum Thema Social Media – was wir damit Zeit und auch Liebe verschwenden, ist einfach furchtbar. Ich habe es geschafft, dass ich derzeit zehn, vielleicht 15 Minuten pro Tag auf Social-Media-Plattformen bin. Vielleicht komme ich auch einmal ganz davon ab.“ Bei Snow Patrol regiert nach drei Dekaden Musikhistorie ganz die Liebe zum Analogen, die sich bald auch in Form von Livekonzerten entlädt. Auf einen Österreich-Termin müssen wir noch warten, auch wenn ein Comeback (der letzte Auftritt war 2019 im Wiener Gasometer) sehr wahrscheinlich ist. „Ich glaube sehr stark an die Songzeile von Noel Gallagher“, lacht Lightbody zum Abschluss, „please don’t put your life in the hands of a Rock’n’Roll-band.“

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