„Veni Vidi Vici“

Reiche auf „Menschenjagd“: „Butler kam mit Gewehr“

Unterhaltung
10.09.2024 09:00

Die drastische Gesellschaftssatire „Veni Vidi Vici“startet am Freitag in unseren Kinos. Die „Krone“ sprach vorab mit dem Regieduo Julia Niemann und Daniel Hoesl. Die beiden haben für den Streifen rund um einen „Menschenjäger“ bei Superreichen in Österreich recherchiert. 

„Krone“: Wie sind Sie auf die gewagte Idee zu Ihrem neuen Film „Veni, Vidi, Vici“ gekommen?
Julia Niemann: Wir haben in den letzten zehn Jahren viel recherchiert im Umfeld von Superreichen und waren bei einer superreichen Person zu Gast. Die Kinder liefen im Hintergrund mit Prinzessinnenkrönchen im Haar durch den Raum, gejagt von der Nanny. Und dann kam der Butler mit den Gewehren und wir haben gefragt, was er denn da mache. Und die Person meinte, er bereite die Jagd vor für den nächsten Tag. Da ging es mit dem Privatjet nach Afrika. Das hat uns zum Nachdenken angeregt und Daniel dazu, das Drehbuch zu schreiben über einen Menschen, der mit allem durchkommt.


Wie haben Sie die Reaktionen bei der Premiere beim Sundance Filmfestival erlebt?
Daniel Hoesl: Ich glaube, der Film unterhält die Leute sehr gut, aber er irritiert sie auch. Damit haben wir unser Ziel erreicht.

Niemann: Wir haben einen kleinen Skandal damit ausgelöst. Alle haben über den Film gesprochen, alle haben uns auf der Straße angesprochen. Wir hatten dort auch ein spannendes Publikumsgespräch. Man hat dabei echt gemerkt, die Leute können das, was im Film passiert, so sehr in Verbindung bringen mit der aktuellen politischen Landschaft in den USA oder mit ihren eigenen Leben und den eigenen Ungerechtigkeiten, die sie jeden Tag sehen oder selbst erleben.

Hoesl: Wir hoffen natürlich, dass unser Film eine breite Masse anspricht, weil wir wollen, dass der Film Menschen erreicht, die mit dem Zustand der Welt ebenso unzufrieden sind wie wir.

Warum haben Sie hat sich für eine helle, positive Ästhetik entschieden?
Niemann: Weil das, was unsere Hauptfigur macht, immer im hellen Tageslicht passiert. Dieser Film ist kein Mordrätsel. Man weiß sofort, wer der Mörder ist. Man weiß sofort, wie die Verhältnisse stehen. Und wir wollten diese wohlige Familienatmosphäre herausstreichen. Es ist halt auch so im wirklichen Leben, dass jeder weiß, was die Milliardäre machen. Aber wir schauen weg.

Auch der Nachwuchs der Superreichen zielt im Film „Veni Vidi Vici“ ohne zu zögern. (Bild: Ulrich Seidl Filmproduktion)
Auch der Nachwuchs der Superreichen zielt im Film „Veni Vidi Vici“ ohne zu zögern.


Was an dem Film ist Österreich-spezifisch und was ist allgemeingültig?
Hoesl: Der Film geht von Österreich aus, aber mit dem Blick über den Tellerrand. Und wir haben einen guten Zugang zu vielen Superreichen in Österreich, die, obwohl wir selber Arbeiterkinder sind, Anekdoten mit uns teilen und zu denen wir ein Vertrauensverhältnis haben, um diese Geschichten dann in unseren Geschichten zu verarbeiten.
Niemann: Man versucht, einen Film zu machen, der in Österreich funktioniert, der aber überall spielen könnte.

Warum haben Sie das Gefühl, dass so eine Art von drastischer Gesellschaftskritik nötig ist, um auf wichtige Themen unserer Zeit aufmerksam zu machen?
Hoesl: Weil eh schon alle Bescheid wissen und trotzdem alle weiter schlafen. Ich glaube, dass die Wut, die vorhanden ist, sich gegen die Falschen richtet, dass Menschen, denen es schlecht geht, auf die wütend sind, denen es noch schlechter geht, denen vorwerfen, sie hängen in der sozialen Hängematte. Dabei sollte sich diese Wut in genau die entgegengesetzte Richtung richten.  Wir sollten uns das nicht länger bieten lassen.

Niemann: Und es liegt ja auch in der Luft, wenn man sich umschaut in der Kinolandschaft und Fernsehlandschaft der letzten Jahre. Das ist ein Thema, das wird immer und immer wieder aufgegriffen und oft auch in satirischen Formaten, weil die Wahrheit wahrscheinlich so schwer zu ertragen ist, dass man immer eine gewisse Form der Überhöhung sucht, um sagen zu können, ,Es ist ja doch ein bisschen schlimmer als im echten Leben‘ – dabei sind wir immer sehr nah dran.

Laurence Rupp (2. v. li.) spielt den Unternehmer Amon Maynard, der trotz seiner Gräueltaten über dem Gesetz steht. (Bild: Ulrich Seidl Filmproduktion)
Laurence Rupp (2. v. li.) spielt den Unternehmer Amon Maynard, der trotz seiner Gräueltaten über dem Gesetz steht.


Man muss also ziemlich extrem in seiner Satire sein, dass man nicht von der Wahrheit überholt wird?
Hoesl: Ja. Also mein Drehbuch hat vor dem Dreh eine superreiche Person gelesen und hat dann zu mir gesagt: „Wo ist denn da die Satire?“

Warum haben Sie so einen guten Zugang zu dieser Szene?
Hoesl: Wir sind ja keine Journalisten und deshalb müssen sich die Personen nicht vor uns fürchten. Wir verwenden nur ihre Geschichten. Und dann wird wie am Stammtisch auf den Tisch gehauen und erzählt. Was wir alles erfahren, das kann man gar nicht in einen Film packen. Und natürlich können sie sich auch sicher fühlen, denn der Großteil von uns jammert nur, anstatt sich dafür zu engagieren, was man sich wünscht. Sonst würde das Ganze anders aussehen.

Niemann: Das sind alles sehr kultivierte Menschen, die durchaus den Humor des Films verstehen können und sich trotzdem nicht gemeint fühlen.

„Veni Vidi Vidi“ läuft ab Freitag in den österreichischen Kinos an. (Bild: Ulrich Seidl Filmproduktion)
„Veni Vidi Vidi“ läuft ab Freitag in den österreichischen Kinos an.


Wie haben Sie die Arbeit mit Laurence Rupp erlebt?
Niemann: Sehr angenehm. Und wir haben ihn besetzt, weil wir jemanden gesucht haben, der eben nicht den typischen Serienkiller verkörpert. Sondern wir haben jemanden gesucht, der eine Wärme hat, eine menschliche Qualität, der das Herz am rechten Fleck hat. Und das erfüllt er alles.

Was war die größte Herausforderung bei den Dreharbeiten?
Niemann: Das Polomatch war wahnsinnig schwer zu drehen. Aus dem ganz banalen Grund, dass es schwierig ist, mit Pferden zu drehen. Das sind Tiere, die sind nur bis zu einem gewissen Grad belastbar. Die sind sehr, sehr schwer zu versichern. Und gerade beim Polo, das sehr anstrengend ist für die Pferde, mussten wir uns richtig viel in die Materie einarbeiten und sehr viel tricksen. Das war eine Zitterpartie, aber es hätte eigentlich nicht besser laufen können.

Wo ist der Film gedreht worden?
Hoesl: Das Palais Rasumofsky ist das Wohnhaus der Familie im dritten Bezirk. Das Schloss Ebreichsdorf ist der Poloplatz und das Looshaus am Michaelerplatz ist der Firmenhauptsitz.

Niemann: Wir haben versucht, die schönsten Orte zu finden in Wien. Und ich glaube, das ist uns echt gelungen.



Was sind Ihre nächsten Projekte?
Niemann: Ich plane gerade meinen ersten Solo-Langfilm. Darin geht es um Reality TV und im weiteren Sinne um das Zeitalter des Narzissmus, in dem wir alle leben.

Hoesl: Ich schreibe an einer Satire über ein Treffen der Weltelite in den Schweizer Bergen, während der Golfstrom seinen Weg ändert und die Welt massiv abkühlt und es endlos zu schneien beginnt. Eine Lawine trifft das Kongresshotel und die Mächtigsten der Welt geht bald die Heizung aus. Und bald auch das Essen ...

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