AK gegen Immobranche

Experten streiten: Wie geht leistbares Wohnen?

Wirtschaft
11.09.2024 06:00

Muss in den Wohnungsmarkt eingegriffen werden, etwa durch Mietbremsen und Baugründe nur für Sozialwohnungen? Oder würde so das Angebot noch mehr einbrechen und nur eine Lockerung mancher Regelungen mehr leistbare Wohnungen bringen? Ein AK-Experte und der Immobilien-Obmann zeigen Möglichkeiten auf.

Der Wohnbereich ist eine riesige Baustelle, soweit sind sich die Experten einig: hohe Nachfrage, steigende finanzielle Belastungen für die Menschen, zu wenig günstiges Angebot. Dann aber schon nicht mehr, und das ist Teil des Problems. „Es wurden in den letzten Jahren sogar zu viele neue Wohnungen errichtet, aber die falschen. Investiert wurde alles in Betongold für Anleger, das hat die Boden- und Baupreise überhitzt und den gemeinnützigen Wohnbau vom Markt verdrängt“, konstatiert Thomas Ritt, Wohnexperte der Arbeiterkammer. „Das ist schlichtweg falsch“, kontert Gerhard Gollenz, Obmann der Immobilientreuhänder. „Es gibt kein falsches Bauen. Auch die Anlegerwohnungen sind verkauft und vermietet, es gibt keine Leerstände.“

„Gemeinnützige müssen mehr bauen“
Im Gegenteil droht für Gollenz eine gewaltige Knappheit, weil viel zu wenig errichtet wird. Heuer ist es noch glimpflich, weil die Neubauleistung „nur“ um 13 Prozent sinkt, „ab 2025 wird die Fertigstellung um bis zu 80 Prozent einbrechen“, warnt der Immobilien-Obmann. Laut jüngster Schätzung der Branche dürften dieses Jahr 42.640 Einheiten errichtet werden, 2025 dann nur mehr 31.800, und 2026 gar noch 13.160. Im Detail werden demnach speziell bei den noch leistbaren geförderten Mietwohnungen statt jetzt noch rund 11.000 laut dieser Prognose bald bloß unter 3500 auf den Markt kommen. Grund sei vor allem, dass die gemeinnützigen Wohnbauträger zu wenig aktiv seien. „Wir als gewerbliche Wohnbauer steuern schon zuletzt den größten Anteil der Neuerrichtungen bei, aber das ist eigentlich falsch. Es geht nur, wenn auch die Gemeinnützigen viel bauen.“

AK-Experte ortet sogar „Überangebot“
Viel weniger dramatisch sieht AK-Experte Ritt die kommenden Jahre: „Ja, die Zahl der Baubewilligungen ist eingestürzt, aber das sind Genehmigungen für Häuser, die wir ohnehin nicht brauchen. Profi-Investoren gehen halt jetzt weg vom Betongold und kaufen lieber wieder Staatsanleihen. Dafür aber werden viele bereits bewilligte Bauten erst jetzt fertig, das heißt, das Überangebot wird sich sogar verschärfen.“ Es sei auch ganz gut, dass die Überhitzung der Braubranche abnimmt. „Die Baupreise sind nämlich viel stärker als die eigentlichen Baukosten gestiegen, die die Wirtschaft immer als Begründung für hohe Wohnpreise angibt. Seit 2022 klafft da eine Riesenlücke, die verrechneten Preise sind um 20 Prozentpunkte über den Kosten geklettert!“

AK-Wohnspezialist Thomas Ritt: „Private Mieten sind 2008 bis 2022 um 55 Prozent gestiegen, Kaufpreise sogar um 135 Prozent.“ (Bild: AK)
AK-Wohnspezialist Thomas Ritt: „Private Mieten sind 2008 bis 2022 um 55 Prozent gestiegen, Kaufpreise sogar um 135 Prozent.“

Es sei auch ganz gut, dass die Überhitzung der Braubranche abnimmt. „Die Baupreise sind nämlich viel stärker als die eigentlichen Baukosten gestiegen, die die Wirtschaft als Begründung für teure Wohnungen angibt. Seit 2022 klafft da eine Riesenlücke, die verrechneten Preise sind 20 Prozentpunkte über den Kosten geklettert!“

Bürokratie als Preistreiber
Mitschuld sei da aber die Bürokratie, so die Immobilienbranche. „Die Regelungen sind überbordend und nicht mehr leistbar. Wir brauchen die Vereinheitlichung der Baunormen in ganz Österreich, aber nicht weitere unnotwendige Normen. In der Steiermark haben wir z. B. eine neue Dichte-Verordnung, deshalb können bei einem Mehrfamilienhaus 140 m2 vermietbare Wohnfläche wegfallen, das verteuert natürlich alle anderen Wohnungen“, bringt Gollenz ein konkretes Beispiel.

Laut Branchenprognose gehen die Fertigstellungen ab kommendem Jahr rasant zurück. (Bild: Krone KREATIV/stock.adobe)
Laut Branchenprognose gehen die Fertigstellungen ab kommendem Jahr rasant zurück.

AK-Spezialist Ritt sieht andere Hebel: So müsse die Spirale steigender Grundstückspreise gestoppt werden, indem die öffentliche Hand ihre Gründe von ÖBB, Kasernen, Spitälern etc. ausschließlich für geförderte Bauten weitergibt. „Das ermöglicht Mieten von etwa 8,5 Euro je m2 mit Kaufoption.“ Auch eine Deckelung erlaubter Mieterhöhungen auf zwei Prozent im Jahr sei vertretbar. „So eine Beschränkung des Ertrages der Hauseigentümer gab es in halb Europa.“

Gerald Gollenz, Fachgruppenobmann der Immobilien- und Vermögenstreuhänder: „Vorschriften sind überbordend und nicht mehr leistbar.“ (Bild: WKO/Oliver Wolf)
Gerald Gollenz, Fachgruppenobmann der Immobilien- und Vermögenstreuhänder: „Vorschriften sind überbordend und nicht mehr leistbar.“

Baubranche brechen die Aufträge weg
Doch nicht nur Wohnungssuchende stöhnen unter hohen Miet- und Kaufpreisen, gleichzeitig brechen in der gesamten Baubranche die Aufträge weg. In einer Initiative „Mehr Zuhaus“ drängen nun Dutzende Betriebe die Regierung zu schnellen Maßnahmen. „Das ist auch gesellschaftlich relevant, denn der erfüllbare Traum von der Wohnung oder dem eigenen Haus ist ein sozialer Kitt, der nun zerbröckelt“, warnt etwa Torsten Kreft, Chef der hagebau-Baumärkte. Gleichzeitig wächst die Arbeitslosigkeit in Baugewerbe und Baustoffhandel bzw. -herstellung rapide. „Wenn wir diese Mitarbeiter verlieren, kommen sie nicht mehr“, ergänzt Gunther Sames, Geschäftsführer des Baustofferzeugers Ardex.

Mehrwertsteuer-Befreiung für Konsumenten
Sie haben daher fünf konkrete Forderungen an die Politik. So sollte den Konsumenten für ein paar Jahre befristet die Mehrwertsteuer für Aufträge bis 100.000 Euro zur Renovierung oder Schaffung von Wohnraum erlassen werden. „Bei den PV-Anlagen wurde das schon eingeführt und hat sich sofort bewährt“, so Sames. Gewerbliche Bauherren brauchten eine höhere steuerliche Abschreibemöglichkeit.

Zweiter Punkt ist die Zweckbindung der aus Steuern der Beschäftigten gespeisten Wohnbaufördergelder und deren Aufstockung. Weitere Anliegen sind die Lockerung der Kreditvergabe-Richtlinien sowie Vereinfachungen der dschungelartigen Förderprogramme sowie der Bau-Vorschriften, die dann einheitlich für alle Bundesländer gelten müssen.

Helfen würden zudem pragmatischere Standards. „Wenn wir statt eines 50er-Ziegels einen 30er verwenden dürfen, kostet die Wand 40 Prozent weniger“,gem so die Experten. Die Branche arbeitet auch intern daran, Bauen billiger zu machen. So können Fliesenleger gleich die Drähte für eine E-Fußbodenheizung mitverlegen, der Elektriker muss sie dann nur noch anschließen.

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