Politik schweigt dazu

Spurlos verschwunden: Wo sind Tausende Kühe?

Tierecke
12.09.2024 12:06

Die fehlende Nachverfolgbarkeit und fragwürdige Handelspraktiken bei Tausenden Kühen wurde erneut offengelegt. Trotz wachsender Kritik bleibt Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) stumm und dringende Antworten dazu schuldig, mahnen Tierschützer.

Bereits Anfang des Jahres deckte die Rechercheplattform „The Marker“ auf, dass Tausende trächtige Kühe aus Österreich nach Algerien exportiert werden – ohne Nachweise über ihren Verbleib. Nun bestätigt auch das Gesundheitsministerium: Es gibt keinerlei Informationen darüber, was nach dem Export mit den Tieren geschieht.

Nachkontrollen, ob die Tiere tatsächlich wie behauptet für den Aufbau von Milchkuh-Populationen genutzt werden, finden nicht statt. „Dem Ministerium liegen keine Zahlen vor, wie viele dieser Tiere aktuell noch wo gehalten werden“, heißt es in der offiziellen Antwort.

43 Kühe bereits auf interaktiver Karte dokumentiert
Um den Verbleib der rund 60.000 verschwundenen Kühe und ihrer Kälber aufzudecken, hat die Plattform das Projekt „Cowfinding“ ins Leben gerufen. Bisher hat das Team laut eigenen Angaben 43 Kühe dokumentiert, die auf einer interaktiven Karte auf der Website verzeichnet sind. Gespräche mit Bauern, Händlern und Schlachthofmitarbeitern vor Ort in Algerien offenbaren ein System, das kaum oder gar nicht kontrolliert wird.

Dubiose Online-Verkäufe 
Das Aufdecker-Team berichtet, dass die Kühe nach ihrer Ankunft in Algerien unter anderem auf lokalen Viehmärkten weiterverkauft werden – oft, ohne dass ihr Verbleib dokumentiert wird. So wurde auch eine österreichische Kuh mit Kalb auf einem Viehmarkt in der Wüste Sahara entdeckt.

Tierschutz ist in manchen Drittstaaten ein Fremdwort. Auch das Töten der Tiere findet oft unter Umständen statt, die in Österreich verboten wären.  (Bild: themarker.org)
Tierschutz ist in manchen Drittstaaten ein Fremdwort. Auch das Töten der Tiere findet oft unter Umständen statt, die in Österreich verboten wären. 

Gleichzeitig hat sich Social Media, insbesondere Plattformen wie Facebook und TikTok, zu einem großen, unregulierten Markt für den Handel mit österreichischen Rindern entwickelt. Jeder kann dort eine Kuh kaufen, unabhängig von seinem Hintergrund oder Zweck, und es bleibt völlig unklar, wer die Tiere letztlich erwirbt oder was mit ihnen geschieht.

Ein Händler, den die Aufdecker von „The Marker“ telefonisch erreichte, gab an, eine kranke österreichische Kuh, die nicht mehr gehen konnte, lebend auf einem Pickup in einen Zoo transportiert zu haben – dort endete sie seinen Angaben nach als Futter für Raubtiere. Solche Praktiken wären in Österreich illegal, da sie klar gegen Tierschutzgesetze verstoßen.

Tobias Giesinger folgte der Spur österreichischer Rinder bis nach Algerien.  (Bild: themarker.org)
Tobias Giesinger folgte der Spur österreichischer Rinder bis nach Algerien. 

Dass österreichische Rinder in sozialen Medien wie Handelsware angeboten und über teils dubiose Kanäle weiterverkauft werden, zeigt eklatante Lücken in der Kontrolle dieser Exporte. „Mit unserem Projekt ‘Cowfinding‘ wollen wir die Grundlage schaffen, um diese intransparenten Praktiken offenzulegen und die Basis für künftige Maßnahmen zur Veränderung zu legen“, so Tierschützer Tobias Giesinger. 

Totschnig und Moosbrugger verweigern Stellungnahme 
Weder die Rinderzuchtverbände, noch die Landwirtschaftskammer oder das Landwirtschaftsministerium beantworteten offenbar eine schriftliche Anfrage von „The Marker“. Bei der Eröffnung der Landwirtschaftsmesse in Wels vergangenen Donnerstag lehnten sowohl Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig als auch Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Moosbrugger, beide ÖVP, eine Stellungnahme explizit ab, wird in der Aussendung betont. 

Tierschützer beklagen, dass die Politik dringende Antworten schuldig bleibt.  (Bild: themarker.org)
Tierschützer beklagen, dass die Politik dringende Antworten schuldig bleibt. 

„Das Schweigen von Landwirtschaftsminister Totschnig und Landwirtschaftskammer-Präsident Moosbrugger zeigt für uns, dass die ÖVP an diesen intransparenten Exportpraktiken festhalten will, ohne sich der öffentlichen Kritik zu stellen. Offenbar stehen wirtschaftliche Interessen hier im Vordergrund“, ist sich Tobias Giesinger sicher. 

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