Seit Donnerstag sind die Episoden sechs bis zehn der vierten Staffel von „Emily in Paris“ auf Netflix abrufbar. Während Fans die neuen Folgen kaum erwarten konnten, dürften sie so manchen Menschen in der französischen Hauptstadt nur zum Stöhnen bringen.
Denn die klischeebeladene Serie über die Marketingmanagerin Emily (Lily Collins) aus Chicago, die in Paris Liebe, Erfolg und Abenteuer sucht, hat sich in Frankreich nicht nur Freunde gemacht. Darüber, dass die Serie eher eine Märchenversion von Paris als das echte Leben zeigt, verdrehen Pariserinnen und Pariser schon seit Beginn der Netflix-Romanze 2020 die Augen – auch wenn die Serie von „Sex and the City“-Produzent Darren Star bei weitem nicht die erste Erzählung von Paris als Postkartenidyll und romantisiertem Sehnsuchtsort ist.
Das Magazin „Harper‘s Bazaar Frankreich“ meint sich in der Serie eher inmitten eines Comics statt in einer realistischen Darstellung der Modewelt oder gar von Paris wiederzufinden. „Probleme – die gibt es auf allen Ebenen“, schreibt die Illustrierte und urteilt, die eigenartige Personenkonstellation voller veralteter Klischees nerve Franzosen ebenso wie Amis.
Aber dass in der vierten Staffel die Französinnen so weinverliebt dargestellt werden, dass sie selbst während der Schwangerschaft trinken, dürfte dann doch vor allem in Frankreich als unnötiger und sinnloser Affront verstanden werden.
Und auch die unzähligen Produktplatzierungen, die das Magazin „GQ“ dazu brachte, die Serie als „eine einzige riesige Reklametafel“ zu bezeichnen, dürften in den enorm kommerzialisierten USA leichter verdaut werden als in dem auf Kultur bedachten Frankreich.
Nicht willkommen
Vor Beginn der Dreharbeiten zur neuen Staffel tauchten inmitten von Paris dann Anti-Emily-Graffiti auf. „Emily ist nicht willkommen“, stand da – an die Wand des Wohnhauses geschmiert, in dem Emily in der Serie lebt. Auch „Süd-Paris gehört dir nicht“ und „Verpiss dich, Emily“ soll Berichten zufolge zu lesen gewesen sein.
Der Frust gilt dabei wohl weniger den unzähligen Stereotypen oder der naiven Hauptfigur in der Serie, sondern vielmehr den etlichen Touristinnen und Touristen, die die Drehorte der Show auf- und heimsuchen. Mehrere Anbieter haben mittlerweile Touren im Programm, um auf Emilys Spuren durch Paris zu wandeln.
Und obwohl aus dem Pariser Rathaus Kritik an der Sendung kam – Achtung! Hier werden schlecht isolierte Gebäude idealisiert! -, listet selbst die Stadt auf ihrer Website auf, wo Fans die wichtigsten Adressen aus der Serie finden.
Die Kinoseite Allociné meint dazu, die zusätzliche Werbung habe Paris nicht unbedingt nötig gehabt. Immerhin gilt die Stadt an der Seine als eine der meistbesuchten Metropolen weltweit. Im Jahr 2022 zog es 24,5 Millionen Touristen nach Paris. Lässt man Französinnen und Franzosen mal außen vor, machten US-Amerikaner mit 7,9 Prozent die größte Gruppe unter ihnen aus.
Dass auch in Paris nicht alle ein Interesse an Scharen an Urlaubern haben, die innerstädtische Wohnungspreise in die Höhe treiben und Gehsteige verstopfen, dürfte klar sein. Und alle, die auch nur ein paar Folgen von „Emily in Paris“ geschaut haben, können erahnen, dass Reisende aus den USA mit ihrer Art, die sich ja doch sehr vom französischen Savoir Vivre unterscheidet, vielleicht nicht jeder und jedem die liebsten Gäste sind.
Hoffen auf Szenenwechsel
Möglicherweise kann Paris nun aber aufatmen. Denn Emily zieht es im zweiten Teil der vierten Staffel nach Bella Italia. Möglich, dass sich Paris und Rom, das ebenfalls bereits unter Massen an Touristen ächzt, die Aufmerksamkeit der Serienfans also bald teilen können.
Hassliebe
Ärger über Touris und Klischees hin oder her – so ganz können die Französinnen und Franzosen aber auch nicht ohne Emily. Immerhin landete die aktuelle Staffel, die in ihrer ersten Woche weltweit knapp 20 Millionen mal angeschaut wurde, nicht nur in den USA auf Platz eins der Netflix-Charts, sondern auch in Frankreich.
Ob das dann Hatewatching ist, also Menschen eine Show schauen, die sie eigentlich total doof finden, etwa um sich über fehlende französische Untertitel oder wohl beim Übersetzen versehentlich ausgedachte französische Wörter wie „cauchemarque“ zu echauffieren, oder die leichte Kost und der Eskapismus hinter vorgezogenen Vorhängen doch auch in Frankreich oder gar Paris verfangen, sei dahin gestellt.
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