Neue Vorwürfe

Wie toxisch darf die Luft im Theater sein?

Kultur
13.09.2024 20:30

Eine „permanente Angststimmung“ herrsche im Theater in der Josefstadt in Wien. Verantwortlich dafür sei der Führungsstil von Langzeitdirektor, Regisseur und Schauspieler Herbert Föttinger. 

Dieser und weitere Vorwürfe wurden jetzt in einem „Standard“-Artikel laut. Ein Ensemblemitglied kritisiert auch seinen Regiestil. Föttinger gebe alle Schritte und Bewegungen auf der Bühne vor, wer etwas infrage stelle, werde vor dem gesamten Team bloßgestellt. Demütigungen und Wutausbrüche auf Proben seien ganz normal. Eine ehemalige Regieassistentin beklagt schließlich, dass sie nach einer Kritik an ihm angebrüllt worden sei: „Ich könnte Sie sofort rausschmeißen.“

Den Mitarbeitern „kollegial verbunden“
„Direktor Herbert Föttinger setzt sich seit bald zwei Jahrzehnten eindrucksvoll und mit leidenschaftlichem Engagement für das künstlerische und wirtschaftliche Wohl des Theaters in der Josefstadt ein“, reagierte Thomas Drozda, Stiftungsvorstandsvorsitzender der Theater in der Josefstadt-Privatstiftung.

Föttinger sei „seinen Mitarbeiter*innen in kollegialer und loyaler Weise verbunden, was zu einer im deutschsprachigen Raum extrem niedrigen Fluktuation innerhalb der Belegschaft führt – und damit das Gegenteil einer sogenannten Kündigungskultur darstellt“, so Drodzda weiter.

Wie viel Ponyhof muss ein Theater sein? 
Nun ist es für Kenner der Szene nicht allzu überraschend, dass der auch auf Pressekonferenzen gerne deutlich und kraftvoll seine Meinung artikulierende Herbert Föttinger wohl kein Kuschler ist. Die erhobenen Vorwürfe werfen natürlich auch die Frage auf: Wie viel Ponyhof muss ein Theater sein? Wie hart darf es auf Proben zugehen? Wo sind hier die Grenzen zu ziehen?

Die Zeiten haben sich geändert. Die Sensibilität gegenüber allzu autoritär und selbstherrlich auftretenden Kulturakteuren ist gestiegen. Betroffene brechen ihr Schweigen. Gefürchtete Dirigentenlegenden wie ein Fritz Rainer, George Szell oder der mehr als nur grantelnde Karl Böhm wären heute undenkbar.

Lückenlose Untersuchung wurde eingeleitet
Zuletzt sahen sich Theater- und Filmmänner wie Paulus Manker („Alma“) oder Julian Pölsler („Die Wand“) mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Auch bei Neubestellungen von Museumsleitungen scheint entsprechende Sozialkompetenz längst eine Rolle zu spielen. Der Josefstadt-Stiftungsrat kam in einer ersten juristischen Prüfung der Vorwürfe zum Ergebnis, „dass kein einzig strafrechtlich relevanter Vorwurf vorliegt“. Dennoch soll es eine weitergehende, lückenlose Untersuchung der Anschuldigungen geben, die bereits eingeleitet sei und unter Mithilfe externer Ombudsstellen sowie auch interner Vertrauensstellen durchgeführt werde.

Demütigungen, Gewalt, sexuelle Übergriffe
„Problembären“ der Kulturszene

Erst jüngst sorgte eine TV-Dokumentation unter dem Titel „Gegen das Schweigen“ (NDR) für Aufsehen: 200 Betroffene aus der Film- und Theaterbranche brachen ihr Schweigen und sprachen offen über Beleidigungen, Demütigungen, Gewalt und sexuelle Übergriffe. Im Zentrum der Anschuldigungen standen dabei die Regisseure Julian Pölsler und Paulus Manker.

Manker wurden Gewaltausbrüche, wie etwa einen Tritt in den Bauch oder ein Faustschlag aufs Ohr vorgeworfen. Betroffenen beklagten „toxische Bedingungen hinter den Kulissen“, dass Leute fertiggemacht würden. Bei Pölsler sei es bei Frauen zu Grenzüberschreitungen gekommen. Er hätte bei Dreharbeiten von Schauspielerinnen verlangt, mit ihm gemeinsam in einer Villa zu übernachten. Dabei sei es nicht nur zu Avancen, sondern auch zu körperlichen Annäherungsversuchen durch den Regisseur gekommen.

Aber auch die Klassik-Branche ist nicht vor Übergriffen gefeit: Der als durchaus schwierig bekannte englische Maestro John Eliot Gardiner fiel in Ungnade, als er letzten Sommer einen Sänger bei einer Probe ohrfeigte. Seine geplanten Auftritte, auch bei den Salzburger Festspielen, wurden abgesagt.

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