Vorfahre wanderte aus

US-Familie aus Stahlstadt sucht steirische Wurzeln

Steiermark
14.09.2024 15:00

Wir schreiben das Jahr 1905. Ein 13-Jähriger verlässt Eibiswald, um mit seiner Familie in die USA auszuwandern. Beinahe 120 Jahre später besuchen sein Enkel und Urenkel samt Anhang die Südweststeiermark, um Ahnenforschung zu betreiben. Nun wissen sie, weshalb ihre Vorfahren einst emigriert sind – und sich in der „Stahlstadt“ niederließen.

Dem Kultur- und Museumsverein Eibiswald flatterte unlängst ungewöhnliche digitale Post ins Haus. Eine Familie Wanker meldete via WhatsApp ihr Interesse für die Geschichte und Kultur von Eibiswald und einen dreitägigen Aufenthalt an. Die Neugier dürfte wohl auch ein Briefbeschwerer in Form einer Kugel aus Eibiswalder Glas zu Hause in Pittsburgh geschürt haben.

Beate Kirchengast, stellvertretende Obfrau des Vereins, nahm sich Zeit für die Wankers – und holte Erkundungen beim Heimatforscher Herbert Blatnik ein. Dessen Nachforschungen ergaben Folgendes: Eine Bauernfamilie Wanker hat um 1895 in Krumbach gelebt. Ein Herr Wanker könnte ein Montanist (Stahlwerksingenieur, Bergmann etc.) gewesen und nach der endgültigen Schließung des Eibiswalder Stahlwerks im Mai 1905 mit seiner Familie ausgewandert sein. Aus der Überlieferung wisse man, dass nicht das ganze Personal mit den Maschinen nach Kindberg-Aumühl übersiedelt sei, sondern dass einige Fachleute nach Deutschland, Böhmen und eben auch Amerika emigriert sein könnten.

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Die Maschinen wurden abgebaut, und die meisten Arbeiter folgten mit ihren Familien der Arbeit. Einige wanderten auch aus.

Beate Kirchengast

Vom Stahlwerk in die Stahlstadt
Familie Wanker nahm auch Einsicht in die Pfarrmatrikel: „Da sie den Geburtstag des Vorfahren kannten, konnten sie einen Auszug aus dem Taufregister bekommen“, so Kirchengast. Und siehe da: Tatsächlich hatte die Familie in Eibiswald gewohnt. Im Kirchenregister wurde die Geburtsurkunde des 1905 mit Eltern und Geschwistern emigrierten 13-Jährigen gefunden. Die Adresse lautete Eibiswald 65, der Vermieter war Johannes Kloepfer.

Die Wankers wussten, dass einer ihrer Vorfahren in einer Federfabrik tätig gewesen ist. Allerdings hatten sie Federn als „Feathers“ (engl. Ausdruck für Federn) übersetzt. Dabei wurde einst im Stahlwerk Eibiswald unter anderem hochwertiger Federstahl produziert. Die Gäste aus den USA konnten sich auch nicht vorstellen, wie jemand einen beschaulichen Ort wie Eibiswald einfach so verlassen konnte. Man vermutete zunächst politische Gründe, soziale Unruhen etc.

Das Stahlwerk in Eibiswald wurde 1905 geschlossen. (Bild: Fürbass Josef)
Das Stahlwerk in Eibiswald wurde 1905 geschlossen.

„Menschen folgen der Arbeit“
„Die Geschichte von Eibiswald und dem Stahlwerk faszinierte sie, schließlich erklärt diese ja auch, warum gerade Pittsburgh, die Stahlstadt, gewählt wurde“, freut sich Kirchengast, dass nach und nach Licht in die Sache kam. „Die Wankers waren überglücklich, die schlichte, aber vermutlich immer wieder wahre Geschichte zu hören: Menschen folgen der Arbeit. Sie gehen dahin, wo sie für sich und die Ihren genug verdienen, um gut zu leben.“

In einem Schreiben an Beate Kirchengast klingt die Begeisterung der Wankers noch immer nach: „Wir hatten eine wunderbare Zeit in Eibiswald!“ Die Familie zeigte sich angetan von dem schönen Ort mit derart freundlichen und hilfsbereiten Menschen.

„Es gibt immer einen Neuanfang!“
„Ich habe als gebürtige Essenerin natürlich eine besondere Beziehung zu Kohle und Stahl“, verrät Beate Kirchengast. „Aber als Neubürgerin von Eibiswald finde ich, dass die Geschichte eines Ortes, der sich neu erfunden hat und aus großer Krise und wirtschaftlichem Umbruch etwas komplett Neues und Schönes wie ,unser Eibiswald’ geschaffen hat, etwas unendlich Beruhigendes und Positives hat. Man kann immer wieder etwas Neues anfangen.“

Josef Fürbass, Kronen Zeitung

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