Nach drei Jahren veröffentlicht die New Yorker Stilverweigerin Joan Wasser aka Joan As Police Woman mit „Lemons, Limes & Orchards“, auf dem sie zartfühligen Jazz mit alltäglichen Themenkomplexen wie Liebe und gesellschaftliche Umbrüche verknüpft. Im Oktober kommt sie damit für ein Konzert ins Kino Ebensee.
Abseits vom Wulst an effektheischerischen Mainstreampop-Künstlerinnen gibt es auch noch viel Raum für Tiefgang und authentische Emotionalität. Beide Komponenten vereint Joan Wasser seit geraumer Zeit in besonders spezieller Art und Weise. Sie war eng mit dem großen Jeff Buckley befreundet und spielte als Geigerin bei Antony And The Johnsons (heute Anohni) und Rufus Wainwright, bevor sie sich vor gut 20 Jahren intensiver auf ihre Solokarriere als Joan As Police Woman konzentrierte. Motiviert von ihrem ewigen Helden Al Green fand sie den Mut, sich auch als Gitarristin und Sängerin in den Vordergrund zu stellen und wurde schnell zum Liebling der Musikkritiker. Ihre Alben wie „To Survive“ (2008) oder „The Deep Field“ (2011) sorgten zuweilen auch bei einer breiteren Masse für Aufsehen, doch ihre bodenständige, von einer intensiven Liebe zum Jazz durchzogene Form des US-amerikanischen Eastcoast-Adult-Pop begeistert vor allem Connaisseure der filigranen Tonkunst.
Musik ist wie Schule
Wassers brandneues Album „Lemons, Limes & Orchids“ war eine musikalische Zäsur für die 54-Jährige, denn es war das erste Werk seit Jahren, das sie ohne den 2020 verstorbenen Drummer Tony Allen eingespielt hat. „Ich liebe es, mit anderen zusammenzuarbeiten“, erklärt sie im „Krone“-Interview, „das gehört für mich mit zu den schönsten Dingen des Jobs. Mit Tony war die Zusammenarbeit ganz besonders. Er war genauso an Neuem interessiert wie ich, hat sich nicht lange mit Überlegungen aufgehalten, sondern einfach losgelegt. Für mich ist das Schreiben eines neuen Songs ein bisschen so, wie wenn ich wieder in die Schule gehe. Ich weiß nicht, was passiert, aber ich weiß, dass was passiert. Für mich ist das mitunter die Schönheit an Musik. Man spürt diese spezielle Magie nur in dieser Kunstform.“
Das neue Album ist im Vergleich zum 2021 veröffentlichten „The Solution Is Restless“ ruhiger und auch klangtechnisch anders gepolt. „Lemons, Limes & Orchids“ legt wieder viel mehr Wert auf Wassers ausdrucksvolle Stimme und rückt die Instrumentierung zugunsten eines zarteren Gesamtbildes wieder verstärkt in den Hintergrund. Das aktuelle Album dreht sich im Kern um die verschiedenen Facetten von Liebe und Verlust, lässt aber auch gesellschaftspolitische Strömungen und Sorgen nicht außer Acht. Es ist eine musikalische Hommage an das Durchhalten in einer schnelllebigen Welt der Orientierungslosigkeit. So handelt der Song „Longing For Ruin“ etwa davon, dass sich die Menschheit sukzessive selbst zerstört und das semibiografische „Oh Joan“ prophezeit eine düstere Zukunft herauf, die definitiv vom US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf geprägt ist.
Kreativitätsfördernde Impulse
Über die Jahre hat Wasser so stark an Routine gewonnen, dass ihr immer wieder aufkommende Schreibblockaden keine großen Sorgen mehr machen. „Ich gerate nicht mehr in Panik, wenn mir längere Zeit nichts einfällt. Ich glaube aber auch nicht an so etwas wie eine Schreibblockade. Ich glaube daran, dass es Momente im Leben gibt, wo man sich fallen lassen und die Welt einfach genießen muss. Wenn man diesem Impuls nachgibt, dann kehrt die Kreativität automatisch wieder zurück. Dann kommt man in eine Phase, wo man vor Ideen übersprudelt und gar nicht weiß, wohin man alles kanalisieren soll. Man weiß nie, was als Nächstes kommt oder morgen passiert. Je eher man sich damit abfindet, umso entspannter kann man sein Leben leben. So leer ich manchmal auch sein mag – es ist tröstlich zu wissen, dass diese Leere irgendwann stets neu gefüllt wird.“
Wasser wagt sich auf „Lemons, Limes & Orchids“ wieder verstärkt in ihre alte Liebe Jazz zurück. „Eine gute Freundin hat mir gesagt, ich hätte noch nie zuvor so ein sexy Album gemacht“, gab die Künstlerin vorab in einer Pressemitteilung bekannt, „ehrlich gesagt finde ich, sie hat absolut recht.“ Joan, die mittlerweile auch in der Live-Band von Iggy Pop tätig ist, kann dabei auch auf eine respektable Besetzungsliste bauen. Mit an Bord sind die Grammy-prämierte Bassistin Meshell Ndegeocello, Alanis Morissette-Gitarrist Chris Bruce, David Byrne-Keyboarder Daniel Mintseris und die sich abwechselnden Schlagzeuger Parker Kindred und Otto Hauser. „Ich denke nicht in Genres, sondern nur daran, was mir gefällt“, erklärt uns Wasser, „wenn jemand sein Instrument auf eine ganz besondere Art und Weise spielt, dann kann das meine Songs verändern. Es geht mir stark darum, intuitiv an Musik heranzugehen und möglichst viel Spaß zu haben.“
Neuerfindung nicht nötig
Mit ihren meinungsstarken Songs und der klassischen Singstimme ist Wasser auch Vorbild – in mehrfacher Hinsicht. „Ich will den Leuten vor allem zeigen, dass man seinem Bauchgefühl folgen und seine eigenen Entscheidungen treffen soll. Wenn andere Musikerinnen ihre Wünsche durchsetzen und das machen, was sie für richtig halten, macht mich das glücklich.“ Ihre musikalischen Sprünge folgen einem instinktiven Zugang zur Musik. „Jedes neue Album ist eine Momentaufnahme der Zeit, die man seit dem letzten Album erlebt hat. Mir geht es nie bewusst darum, mich neu zu erfinden, denn es gibt mich ja schon. Heute gibt es so viel verschiedene Musik zu hören, dass es noch wichtiger als früher ist, einfach seinen Instinkten zu folgen. Was auch immer mir in den Sinn kommt, verwandelt sich in Musik.“
Live in Ebensee
Joan As Police Woman geht mit ihrem neuen Album „Lemons, Limes & Orchids“ diesen Herbst auch auf große Tour – dieses Mal aber ohne Wien-Termin. Fans können sich aber auf ein Konzert am 19. Oktober im Kino Ebensee freuen. Unter www.kino-ebensee.at gibt es noch Karten und alle weiteren Informationen zum Konzert.
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