Tausende Explosionen

So lief gezielte Pager-Attacke auf die Hisbollah

Ausland
18.09.2024 11:16

Zeitgleich explodierten am Dienstagnachmittag Tausende Pager im Libanon und verletzten rund 3000 Menschen, mindestens zwölf überlebten den koordinierten Anschlag nicht, der offenbar vom israelischen Geheimdienst geplant gewesen war. Im Visier standen Kämpfer der pro-iranischen Terrormiliz Hisbollah. Diese erwischte es beim Einkaufen, auf ihren Mopeds und zu Hause, wie zahlreiche Aufnahmen aus Sicherheitskameras zeigen.

Die explodierten Funkempfänger waren Medienberichten zufolge vermutlich von israelischen Agenten mit Sprengstoff präpariert worden. Viele hätten aus einer Lieferung gestammt, die die Hisbollah in den vergangenen Tagen erhalten habe, meldete das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf informierte Kreise. Israelische Agenten hätten die Geräte vor der Ankunft im Libanon abgefangen und mit jeweils etwa 25 bis 50 Gramm Sprengstoff bestückt, berichtete die „New York Times“.

Sprengstoff bereits während Produktion platziert?
Die Nachrichtenagentur Reuters sprach mit einem hochrangigen Sicherheitsbeamten über die mögliche Manipulation der Kommunikationsgeräte. Dieser meinte: „Der Mossad hat eine Platine mit Sprengstoff und einem Code in das Gerät eingeschleust. Es ist sehr schwierig, das mit irgendwelchen Mitteln zu entdecken, selbst mit Geräten oder Scannern.“ Der Beamte vermutet, dass der Sprengstoff bereits während der Produktion in die Geräte gebracht wurde.

Kunden auf einem Beiruter Gemüsemarkt blicken schockiert auf einen Mann, dessen Pager gerade explodiert. (Bild: APA/AFP/ANONYMOUS)
Kunden auf einem Beiruter Gemüsemarkt blicken schockiert auf einen Mann, dessen Pager gerade explodiert.

Spur führt auch nach Österreich
Der taiwanische Konzern Gold Apollo, dessen Logo auf den Pagern prangte, weist jede Verantwortung von sich. Die von der Hisbollah bestellten Geräte seien bei einem lizenzierten Partner in Ungarn hergestellt worden, heißt es. „Gemäß einer Vereinbarung ermächtigen wir BAC unser Markenzeichen für den Verkauf von Produkten in bestimmten Regionen zu nutzen, aber Design und Herstellung werden vollständig von BAC übernommen“, teilte Gold Apollo Mittwochfrüh mit. Auch das in Medienberichten genannte Modell AR-924 werde von dem Unternehmen BAC Consulting produziert und verkauft.

Die Geschäftsführerin hielt aber in einem Telefongespräch mit dem US-Sender NBC fest, dass sie lediglich „Zwischenhändlerin“ sei und die Pager nicht herstelle. „Ich glaube, Sie haben das falsch verstanden“, erklärte Cristiana Bársony-Arcidiacono.

(Bild: APA/AFP/Attila KISBENEDEK)

Das Unternehmen hat laut Recherchen ungarischer Medien seinen Sitz in Budapest (siehe Bild oben) und wurde im Jahr 2022 gegründet. Unter anderem beschäftigt sich die Firma laut der eigenen Website, die allerdings am Mittwoch offline war, auch mit Telekommunikationslösungen. Neben Ungarn gibt es aber nun auch eine Spur nach Österreich.

Für den Vertrieb war laut der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ nämlich eine weitere Niederlassung in Österreich zuständig. Dort soll ein Vertreter namens „Tom“ sitzen. Gold-Apollo-Chef Hsu Ching-kuang will diesen „Tom“ nie persönlich getroffen haben, es habe stets Videokonferenzen mit ihm gegeben, heißt es. Taiwanischen Medienberichten zufolge will Gold Apollo rechtliche Schritte einleiten, da sich die Firma als Opfer sieht. Gold Apollo wurde 1995 gegründet und ist auf kabellose Funksysteme spezialisiert.

Auch ein Mädchen unter den Opfern
Nach Angaben der Hisbollah sind Pager, die von verschiedenen Hisbollah-Einheiten und -institutionen genutzt worden seien, explodiert. Unter den Verletzten sollen viele Hisbollah-Kämpfer sein, darunter Mitglieder der Elitetruppe Radwan. Auch hochrangige Hisbollah-Vertreter wurden verletzt, wie eine der Miliz nahestehende Quelle bestätigte. Explosionen wurden im gesamten Land gemeldet, vor allem in den von der Hisbollah kontrollierten Gebieten. Zugleich waren auch Zivilisten von den Folgen betroffen – unter den Toten etwa befindet sich ein Mädchen.

Chaotische Szenen nach den Explosionen in Beirut (Bild: APA/AP)
Chaotische Szenen nach den Explosionen in Beirut

Wie die Explosionen der präparierten Pager ausgelöst wurde, ist noch nicht ganz klar. Technikexperten rätseln und präsentieren unterschiedliche Versionen, wie das abgelaufen sein könnte. Herauskristallisieren lässt sich, dass die Zielpersonen wohl zwei Signale erhalten haben: Eines, damit sie ihre Geräte in die Hand nehmen und auf diese blicken und ein weiteres, das die Detonation auslöst.

Der geschäftsführende libanesische Gesundheitsminister Firas Abiad besuchte Opfer in mehreren Krankenhäusern und sagte, die Menschen hätten vor allem Verletzungen an Augen, anderen Teilen des Gesichts sowie Händen und Unterleib erlitten. Vermutlich hatten viele Opfer die Pager in der Hand oder in der Hosentasche, als sie hochgingen.

Einen brisanten Grund liefert ein Bericht des Nachrichtenportals „Axios“ dafür, warum gerade jetzt so ein perfider Anschlag durchgeführt worden ist. Ein nicht namentlich genannter US-Beamter erklärt, dass es sich um einen überraschenden Eröffnungsschlag in einem umfassenden Krieg gegen die Hisbollah handeln dürfte. Außerdem sei die Angst groß gewesen, dass die israelischen Pläne auffliegen könnten.

Insider: Israel befürchtete Auffliegen des Plans
Tatsächlich hatten sich die Anzeichen für einen größeren Krieg zwischen Israel und der libanesischen Schiitenmiliz in den vergangenen Tagen verstärkt. Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant sagte nach Angaben seines Büros bei einem Treffen mit US-Vermittler Amos Hochstein, der einzige Weg, die Rückkehr geflüchteter israelischer Bürger in ihre Wohnorte im Norden zu gewährleisten, sei „ein militärischer Einsatz“. Nun schwört die Hisbollah Vergeltung. Anführer Hassan Nasrallah will dem Vernehmen nach am Donnerstag eine Rede halten.

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