Italien

Mit dem Nachtzug zu Odysseus

Reisen & Urlaub
19.09.2024 08:00

Komfortabel kann man seit Kurzem in neuen Nachtzug-Garnituren nach Rom reisen. Und von dort aus die Schönheit der Region Latium, abseits der Ewigen Stadt, entdecken. Die Odysseus-Riviera zwischen der italienischen Hauptstadt und Neapel etwa, wo eindrucksvolle Kultur, authentische Küche sowie wunderbare Städte und Strände darauf warten, entdeckt zu werden.

Ausgeschlafen bin ich, als ich um 11 Uhr in Rom Tiburtina ankomme. Es war meine erste Nachtzug-Reise – und die erste Fahrt des ÖBB Nightjet der neuen Generation von Wien, zwei erfolgreiche Premieren. Neben Schlaf-, Liege- und Sitzwagen gibt es im modern und hell ausgestatteten Zug Mini-Kabinen als preiswerte Alternative für Alleinreisende. Gratis-WLAN und sehr gutes Catering zu fairen Preisen runden das Angebot ab.

Blick in eine Mini Cabin des neuen ÖBB Nightjets. Rechts befindet sich Stauraum für Handgepäck und Schuhe. (Bild: © ÖBB/Harald Eisenberger)
Blick in eine Mini Cabin des neuen ÖBB Nightjets. Rechts befindet sich Stauraum für Handgepäck und Schuhe.
Eine bequeme und kultivierte Art, in die Ewige Stadt zu reisen: der ÖBB Nightjet. (Bild: ÖBB/Harald Eisenberger)
Eine bequeme und kultivierte Art, in die Ewige Stadt zu reisen: der ÖBB Nightjet.

Ein Naturjuwel ist meine erste Station: der Garten von Ninfa in Cisterna di Latina. Der in den 1920er-Jahren von Adeligen gegründete Garten wurde auf den Überresten der mittelalterlichen Stadt Ninfa angelegt. Eine Magie ist hier zu spüren. 200 Rosen- und unzählige Baumarten gibt es – etwa aus Indien, Sibirien, Marokko oder vom Himalaja. Bei der Führung erfahre ich auch viel Geschichtliches.

Der Giardino di Ninfa wird oft als einer der romantischsten Gärten der Welt bezeichnet. (Bild: Mario Aberl)
Der Giardino di Ninfa wird oft als einer der romantischsten Gärten der Welt bezeichnet.

Man soll aber nicht nur Historisches, sondern auch Kulinarisches kennenlernen. Das tue ich auf dem Weingut Marco Carpineti, wo Wein aus lokalen und seltenen Rebsorten sowie Spumante biologisch produziert wird. Mit Blick auf die von Weinreben überzogene sonnige Landschaft verkoste ich die wohlschmeckenden Tropfen, darunter in Terrakotta-Amphoren gereifte Weine – cin cin!

Bevor es an die Küste des Tyrrhenischen Meeres geht, halte ich in Priverno und besuche die im 12. Jahrhundert als Zisterzienserkloster gegründete Abtei Fossanova mit einer der ersten gotischen Kirchen des Landes. Direkt in einer Bucht am Meer bei Gaeta liegt meine Bleibe, das Hotel Summit. In einem früheren Nonneninstitut im benachbarten Formia, dem Hotel Villa Maria Teresa, gibt es ein mediterranes Abendessen, das himmlisch mundet. Später „wiegt“ mich das Meeresrauschen in den Schlaf.

Mit Cappuccino, Cornetto und Meerblick startet der nächste Tag. Es geht direkt in die Stadt Gaeta, deren Geschichte bis in die Antike zurückreicht. Die Küste entlang der Region wird mit Odysseus in Verbindung gebracht. Auf seiner Rückreise nach Ithaka soll Ulisse, wie er auf Italienisch heißt, hier vorbeigekommen sein und mehrere seiner Abenteuer erlebt haben.

Ein Gespaltener Berg & Dinner bei Gina „Lollo“
Beeindruckend ist der Montagna Spaccata, der gespaltene Berg. Stufen führen hinunter in eine Kapelle, die in die lange Felsspalte gebaut ist. Glaubt man der Geschichte, kam es zur Spaltung, als Jesus gestorben ist. Von der Aussichtsplattform auf dem Kapellendach werfe ich eine Münze ins angrenzende Meer und wünsche mir Gesundheit. Auch die Grotta del Turco besichtige ich.

Zufällig treffe ich den Pfarrer, der mir Besonderes zeigt: Die Kapelle von Papst Pius IX., der nach der Revolution 1848 hier im Exil war. Bei einer Bootsfahrt bewundere ich die eben gesehenen Sehenswürdigkeiten vom türkisblauen Meer aus. Nach einer Pause mit für die Stadt typischen Köstlichkeiten wie Fischomelett und Mozzarella geht es auf den Monte Orlando, auf dem sich ein kreisrundes Mausoleum der Römerzeit befindet.

INFOS

ALLGEMEINE AUSKÜNFTE
www.visitlazio.com/en/
www.italia.it/en

ANREISE
ÖBB Nightjet von Wien (oder München) nach Rom. Mini Cabin und Liegewagen ab 54,90 Euro, Schlafwagen ab 99,90 Euro. Buchung: nightjet.com. Weiterreise mit dem Zug bis Formia-Gaeta (ca. eine Stunde). Gut ausgebautes Busnetz, Mietauto für Ausflüge von Vorteil.

HOTEL- & KULINARIK-TIPPS

Hotel Summit: www.summithotel.it/en

Grand Hotel Le Rocce: www.lerocce.com/en/

Villa Maria Teresa, Hotel & Restaurant: www.villamariateresa.it

Weingut Marco Carpineti: www.carpinetiterrae.com/en

Ölmühle Genesio Mancini: www.frantoiogenesiomancini.com 

Ein erhebendes Gefühl löst in mir die Goldene Kapelle in der Kirche der Annunziata aus, zu der früher ein Waisenhaus gehörte, das bereits im 18. Jahrhundert eine Babyklappe hatte. 24 Kilo Gold sind an Decke und Wänden verarbeitet. Abends werfe ich mich in Schale, ein Abendessen bei Gina Lollobrigida wartet. Zumindest in der früheren Villa der Mimin, die heute zum Grand Hotel Le Rocce gehört, und nur wenige Gehminuten entfernt liegt. Während sich der Mond im Meer spiegelt und ich an die „Lollo“ denke, genieße ich rote Fleckbrasse mit Kartoffeln und spreche einen Brindisi, einen Toast, auf diesen Abend aus.

Wo Kaiser Tiberius Feste gefeiert hat
Die 1957 entdeckten Überreste der Villa von Kaiser Tiberius sind in Sperlonga zu besichtigen. Samt der Grotte, in der er mit Statuen Odysseus’ Heldenreise nachbauen ließ. Der Kaiser soll darin Feste gefeiert und einen Raum für Liebesspiele gehabt haben. Replika und Überreste der Figuren stehen im hiesigen Museum. Auch in der Stadt selbst, oft als Capri des Festlandes bezeichnet, mache ich halt, flaniere durch die eng-romantischen Gassen.

Im Museum der Villa von Kaiser Tiberius in Sperlonga sind Überreste sowie Replika der Statuen, die in Grotte des Kaisers installiert waren, ausgestellt. (Bild: Mario Aberl)
Im Museum der Villa von Kaiser Tiberius in Sperlonga sind Überreste sowie Replika der Statuen, die in Grotte des Kaisers installiert waren, ausgestellt.

Ich verlasse die Küste, fahre nach Itri. In der Region gibt es unzählige Olivenbäume, deshalb besuche ich die Ölmühle der Familie Mancini. Junior-Chef Genesio erklärt die Herstellung des „flüssigen Goldes“. Auch seine rüstige 91-jährige Nonna lerne ich kennen. Vom feinen Geschmack des Öls überzeuge ich mich selbst. Dann wartet der Nachtzug gen Heimat.

Im Gegensatz zum griechischen Helden war diese Reise für mich keine Odyssee, sondern geprägt von den vielen positiven Eindrücken dieser großartigen, außerhalb Italiens – noch – weniger bekannten Region.

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