Bestandsstudie

Das wundersame Verschwinden der Stichlinge

Vorarlberg
19.09.2024 12:55

Den Dreizackigen Stichling kennt man am Bodensee – und sein Image ist alles andere gut. Unter anderem wird der invasiven Art der Rückgang der Felchen-Bestände zur Last gelegt. Insofern ist es eine gute Nachricht, dass die Zahl der Stichlinge offenbar massiv zurückgegangen ist.

Alle fünf Jahre führt die in Langenargen (D) beheimatete Fischereiforschungsstelle im Auftrag der öffentlichen Hand eine Bestandsaufnahme im Bodensee durch. Auch heuer stand diese ganz spezielle Form der Inventur wieder auf dem Plan. Am Vorarlberger Bodenseeufer, wo viele Fischarten ob des ausgedehnten Schilfgürtels ihre wichtigste „Kinderstube“ haben, waren vor kurzem wieder Forscher und Fischer gemeinsam unterwegs, um auf großen Fang zu gehen.

Die Ursache für den Schwund ist noch unklar
In den Netzen war alles zu finden, was der Bodensee an Fischen zu bieten hat – Hechte, Zander, Barsche, Felchen, Rotaugen, Welse, Seeforellen, etc. -, doch die alles dominierende Art der vergangenen Jahre kam nur noch sporadisch vor: der Stichling. „Wir haben bei den letzten Befischungen Hunderte von Stichlingen gefangen, jetzt sind es insgesamt keine 50“, sagt Alexander Brinker, Leiter der Fischereiforschungsstelle. Angesichts der Tatsache, dass die Stichlinge noch Anfang des Jahres mehr als 90 Prozent des Fischbestands im Freiwasser ausmachten, ist das eine veritable Sensation.

Zitat Icon

Wir haben bei den vergangenen Befischungen Hunderte von Stichlingen gefangen, jetzt sind es insgesamt keine 50 Exemplare mehr.

Alexander Brinker, Fischereiforschungsstelle Langenargen

Zum ersten Mal nachgewiesen wurden die Neozoen in den 50er-Jahren, vermutlich waren Aquarien-Fische im Bodensee „entsorgt“ worden. Geradezu explosionsartig vermehrt hat sich die Art dann ab dem Jahr 2012. Die Forscher stehen nun vor einem großen Rätsel, denn erklären können sie sich das Verschwinden der invasiven Art nicht. Es hätte keine Anzeichen für einen derartigen Bestandsrückgang gegeben, so Brinker. Ihm und seinen Kollegen bleibt zum gegenwärtigen Zeitpunkt nichts anderes übrig, als Vermutungen anzustellen: „Mögliche Ursache für die Dezimierung könnte ein Parasit oder eine Krankheit sein.“

Für das Felchen ist der Bestandseinbruch der Stichlinge eine sehr gute Nachricht: Denn die Stichlinge sind zwar recht klein, aber dennoch sehr gefräßig und ernähren sich unter anderem von Eiern und Larven der Felchen. (Bild: stock.adobe.com)
Für das Felchen ist der Bestandseinbruch der Stichlinge eine sehr gute Nachricht: Denn die Stichlinge sind zwar recht klein, aber dennoch sehr gefräßig und ernähren sich unter anderem von Eiern und Larven der Felchen.

Für den einstigen Brotfisch des Bodensees, das Felchen, sind das gute Nachrichten. Denn Stichlinge ernähren sich unter anderem von deren Laich und Larven und waren somit hauptverantwortlich für das weitgehende Verschwinden des exzellenten Speisefischs. Zuletzt wurden so wenige Felchen gefangen, dass sogar eine Fang-Moratorium für den Bodensee verhängt worden war. Bereits jetzt gibt es erste Anzeichen, dass sich die Felchen-Population tatsächlich wieder erholen könnte – „Die Felchen, die wir gefangen haben, sahen nicht mehr so abgemagert wie in den vergangenen Jahren aus.“

Erholung der Felchen Bestände
Für Jubelmeldungen ist es freilich zu früh, zumal noch viele Hintergründe im Dunklen liegen. „Wenn sich das massenhafte Verschwinden der Stichlinge aber bestätigt, könnte das ein wirklicher Gamechanger für eine Erholung der Felchenbestände sein“, macht Brinker allen Berufsfischern am Bodensee Hoffnung.

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