Die Zeiten, da ein BMW die Dynamik nicht nur im Fahrverhalten, sondern auch in der Karosserie zur Schau gestellt hat, scheinen sich dem Ende zuzuneigen. Der neue BMW X3 führt diesbezüglich die mit dem 5er eingeführte Neuzeit fort. Jeder Kilometer Fahrt macht das Stirnrunzeln über das Design aber vergessen. Hier der Videofahrbericht!
Es hat sich oft schon bewährt, sprichwörtlich die Kirche im Dorf zu lassen. Kirchen und Dörfer, zwei Dinge, die Bayern ein Stück weit ausmachen. So wie dynamische Gestaltung, ein perfektes Bedienkonzept, ein feines Fahren und effizienten Betrieb die Autos von BMW ausmachen.
Bei der Gestaltung holen sie das Gotteshaus offenbar nach und nach aus der Ortsmitte heraus. Dass sie gerade eben Max Missoni als neuen Designer verpflichtet haben, scheint das zu unterstreichen – der Grazer hat zu verantworten, dass der Polestar 4 auf eine Heckscheibe verzichtet. Da darf man sich bei BMW auf was gefasst machen.
Was das Bedienkonzept betrifft, haben wir uns schon oft beschwert, hier an dieser Stelle wie auch bei den Verantwortlichen. Fancy Tachodisplays ohne echten Ablesewert statt digitale Rundinstrumente, Verzicht oder Verüberflüssigung des iDrive-Controller genannten Drehdrückstellers und das Verstecken wichtiger Funktionen in Menüs am Touchscreen, aufgesetzte Curved-Display-Wände statt eines Cockpits, in dem man sich aufgehoben fühlt. Wir wollen das nicht vertiefen. Aber anmerken, dass das neue Betriebssystem BMW OS 9 ein deutliches Plus an Übersichtlichkeit und Bedienbarkeit mitbringt.
Auf Fotos wirkt der neue BMW X3 gelungen, er lässt sich gut inszenieren, wenn das Licht schön drauffällt. Vergleichbar mit Supermodels, die in Magazinen zum Niederknien gut aussehen, aber ungeschminkt niemandem auffallen, weil erst das perfekte Make-up ihre Schönheit erstrahlen lässt.
In natura hat der X3 etwas Pummeliges (im Gegensatz zu den Topmodels), es fehlen ihm Linien, Kanten, Konturen, ähnlich wie ein kantiges Gesicht oder definierte Muskeln einen ausdrucksstarken Körper prägen (BMW nennt das „klare, moderne Flächengestaltung“). Stattdessen tragen die Kotflügel dick auf, die Spitzen der LED-Scheinwerfer deuten irgendwie verloren auf die (optional beleuchteten) Nieren. Am Heck hängt (von der Seite betrachtet) eine Art Rucksack, der eine ganz eigene Art Plumpheit erzeugt, die auf Fotos kaum zutage tritt. Tatsächlich sind das seitliche Luftleitelemente.
Dem Topmodell X3 M50 pflanzen sie so etwas wie einen Sixpack ein, um Sportlichkeit zu erzeugen, in Form von vier echten Auspuffendrohren. Die anderen Varianten verstecken ihre Abgasanlagen komplett. BMW muss sich zumindest nicht nachsagen lassen, Attrappen zu verwenden.
Progressiver Innenraum
Im Interieur wird BMW nächstes Jahr mit der Neuen Klasse keinen Stein auf dem anderen lassen. Ein Stück in die Richtung gehen sie nun bereits mit dem X3. Wo der Audi Q6 e-tron zum Beispiel seine Passagiere wie in einem Kokon umfängt und eine Wohlfühlatmosphäre schafft, präsentiert sich der BMW technoid, mit vielfarbig beleuchtbaren Plastikkanten und einem Ablagekrater auf der Mittelkonsole, der den Inhalt ganzer Damenhandtaschen aufnehmen kann.
Der Fahrerplatz mit dem obligatorischen Curved Display grenzt sich vom Rest komplett ab, der Beifahrer sitzt quasi daneben statt mit dem Fahrer zusammen im Auto. Dreieckige Elemente in den Türverkleidungen setzen das Armaturenbrett gleichsam in
Ein Affront in dieser Fahrzeugklasse (wir reden von einem Basispreis von über 65.000 Euro!) ist die Handauflage in den Türen, die auch Fensterheberschalter und Spiegelverstellung trägt. Derart billiges Hartplastik mag in einem Dacia adäquat sein, hat in einem BMW aber wirklich nichts verloren. Dass auch das Türfach aus hartem Plastik besteht, wäre noch okay – wenn es nicht penetrant gegen das linke Bein des Fahrers drücken würde.
Ansonsten geht der Sitzkomfort dank serienmäßig elektrisch einstellbaren, beheizbaren Sportsitzen mehr als in Ordnung, man sitzt auch auf langen Strecken sehr gut, es bleibt leise im Innenraum (wenn man nicht die Iconic Sounds genannten Fake-Motorsounds aufdreht). Wenn man sich mit dem Bediensystem einige Zeit auseinandersetzt, wird man nach und nach finden, was man braucht. Für manche Dinge (wie zum Beispiel „letzte Ziele“ im Navi) muss man sich zwingend mit einer BMW-ID beim Auto anmelden.
Wermutstropfen: Auf der Rückbank des auf 4,76 Meter gewachsenen SUVs geht es trotz 2,87 Meter Radstand eher eng zu. In den Kofferraum hinter der serienmäßig elektrisch bedienten Heckklappe passen 570 bis 1700 Liter (PHEV: 460 bis 1600 Liter).
Motoren sparsam und spritzig
Das Motorenportfolio umfasst Benziner, Diesel und Plug-in-Hybrid. Alle mit Allradantrieb, alle mit Achtgangautomatik. Basis ist der X3 20 (früher X3 20i, aber das i lassen sie ab sofort weg), ein 208 PS starker Mildhybrid, der zehn Prozent sparsamer sein soll als sein Vorgänger (6.9 bis 7,6 l/100 km). Bei unseren Testfahrten ließ er nichts vermissen, hängt gut am Gas, beschleunigt gut (0-100=7,8s) und wird nicht laut.
Auch den zweiten angebotenen Benziner konnten wir fahren, den M50 mit seinem Dreiliter-Turbo-Sechszylinder. Auch er wird von einem 13 kW/18 PS starken Elektromotor im Getriebe unterstützt. Mit seinen insgesamt 398 PS und 580 Nm drückt er mächtig an, erfreut mit zurückhaltendem, aber vernehmlichem Sechszylindersound und erreicht in 4,6 Sekunden Tempo 100. Maximal läuft er 250 km/h. Sein WLTP-Verbrauch kann mit 7,7 bis 8,3 l/100 km als gemäßigt gelten. Dieser Motor macht richtig Laune. Ob diese durch zuschaltbare „Iconic Sounds“ inklusive über die Lautsprecher zugespieltem Auspuffspotzeln gehoben oder gesenkt wird, muss jeder für sich selbst feststellen.
Der 197 PS starke Mildhybrid-Diesel wird nächstes Jahr von einem Sechszylinder-Selbstzünder ergänzt. Schon vorher kommt der Plug-in-Hybrid X3 30e, dessen 190-PS-Vierzylinder von einem 135 kW/184 PS starken Elektromotor unterstützt wird, was zu einer Systemleistung von 299 PS führt. Die elektrische Reichweite beträgt mit dem netto 19,7 kWh speichernden Akku nach WLTP 81 bis 90 Kilometer, wobei elektrisches Fahren dank der Motorleistung mehr als nur im Verkehr mitschwimmen bedeuten soll, obwohl der 30e mit 2065 kg DIN-Gewicht sogar noch 85 kg schwerer ist als der Sechszylinder.
Breite Bandbreite beim Fahrwerk
Das Fahren ist und bleibt eine Domäne bei BMW. Je nach Neigungsgruppe kann sich jeder das für ihn passende Fahrwerk ordern. Serie ist ein passives Stahlfahrwerk, optional ein M Sportfahrwerk oder ein Fahrwerk mit Adaptivdämpfern, das im Test schön zwischen komfortabler Sportlichkeit und sportlichem Komfort unterschied. Der M50 hat das M Sportfahrwerk serienmäßig, ebenso die variable Sportlenkung und das Sperrdifferenzial an der Hinterachse. Optional kommt er mit dem Adaptiven M Sportfahrwerk und M Sportbremsen. Wenn man ihm dann noch 21-Zöller mit Sport-Mischbereifung verpasst, dann hat man ein Tool für den ganz großen Fahrspaß.
Die Preise
Wegen der NoVA haben X3 20 und X3 30e in Österreich fast den identischen Basispreis, der Benziner kostet 65.110 Euro, der Plug-in nur 74 Euro mehr. Für den Diesel werden mindestens 66.408 Euro fällig, für den M50 94.378 Euro. Der neue BMW X3 wird in den Werken Spartanburg (USA) und Rosslyn (Südafrika) gebaut. Markteinführung in Österreich: 30.11.2024.
Fahrzit
Das eingangs ausführlich thematisierte Design ist natürlich Geschmackssache. Und wie wichtig einem solche Dinge sind, ist auch unterschiedlich. Fakt ist: Der neue BMW X3 fährt sich ganz hervorragend und gehört wohl auch zu den sparsamen Vertretern seiner Zunft. Außerdem gehört er laut einer aktuellen Schwacke-Auswertung zu den Wertmeistern 2024. Wenn man sich an sein Aussehen also wirklich nicht gewöhnen kann, kann man ihn zumindest wieder gut verkaufen.
Warum?
Tolle Motoren
Tolles Fahrverhalten
Warum nicht?
Design innen und außen gewöhnungsbedürftig
Wenig Platz auf der Rückbank
Oder vielleicht …
… Mercedes GLC, Audi Q5, Volvo XC60, VW Tiguan
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