Weinattacken, Atemnot:

Trotz Behinderung muss Alessandro in die Schule

Steiermark
22.09.2024 09:00

Jahrelang wurde der schwerst beeinträchtigte Alessandro (14) von seiner Mama zuhause unterrichtet. Nun soll der 14-Jährige aber eingeschult werden, die Bildungsdirektion verlangt das. Obwohl dramatische gesundheitliche Folgen zu befürchten sind. Ein Rechtsstreit zwischen Familie und Behörde ist entbrannt.

Am 8. September 2010 wurde die Welt von Astrid St. und ihrem Mann völlig auf den Kopf gestellt. An jenem Tag erblickte ihr Ein und Alles, Alessandro, das Licht der Welt. Wie sich herausstellte, ein ganz besonderes Kind. Denn dem heute 14-Jährigen fehlen über 100 Gene, weswegen er Tag und Nacht auf die Betreuung seiner Eltern angewiesen ist. Er steht auf dem Entwicklungsstand eines sechs bis zwölf Monate alten Babys, hat weder Durst- noch Hungergefühl, kennt keinen Tag-Nacht-Rhythmus, kann nicht selbstständig gehen und keine Gefahren einschätzen.

Kleiner Schnupfen birgt Lebensgefahr
Alle 15 Minuten träufelt ihm seine Mama ein bisschen Wasser in den Mund, damit er nicht austrocknet. Immer wieder verabreicht sie ihm ein, zwei Löffel Nahrung. Möglich sind nur kleinste Häppchen, weil er sich beim Schlucken schwer tut. Auf äußere Reize reagiert er mit Weinkrämpfen, die ihn bis zur Atemnot treiben. Nur Mama Astrid ist in der Lage, ihren Liebling wieder zu beruhigen, seine Mimik und Gestik zu deuten. Was hinzu kommt: Selbst ein kleiner Schnupfen kann für ihn Lebensgefahr bedeuten.

Man sieht es ihm an: Bei Mama fühlt sich Alessandro geborgen (Bild: Astrid St.)
Man sieht es ihm an: Bei Mama fühlt sich Alessandro geborgen

Eine Mammut-Aufgabe, für die die Steirerin ihr Leben, so wie sie es bis dahin gekannt hat, völlig aufgegeben hat. Aufopfernd, die eigenen Bedürfnisse auf ein Minimum reduziert, kümmern sie und ihr Mann sich um ihren Sohn. Bis Corona kam, besuchte Alessandro auch eine Schule. „Er ist dort aber kaum zur Ruhe gekommen, hat immer wieder geweint, das Essen verweigert. Es war einfach zu viel für ihn.“ Erst mit der Pandemie zeigte sich, dass häuslicher Unterricht für ihn das Beste ist. „Er ist so entspannt geworden, hat wieder lang geschlafen, gegessen. Wir konnten sogar wieder Besuch empfangen“, erzählt die Mutter.

Bildungsdirektion pocht auf Schulbesuch
Doch nun, fürchtet sie, wird sich alles ändern. Denn die Bildungsdirektion hat ihren Antrag auf die Weiterführung des Heim-Unterrichts bereits zweimal untersagt. Dort nachgefragt heißt es: „Auch wenn es bedauerlich erscheinen mag, einem Kind den häuslichen Unterricht zu untersagen, beruht die Entscheidung im gegenständlichen Fall ausschließlich auf der geltenden Rechtslage. [...] Häuslicher Unterricht würde überdies bedeuten, dass das Kind am Ende des Schuljahres Externistenprüfungen in allen Pflichtfächern ablegen müsste, was wohl eine zusätzliche, unverhältnismäßige Belastung darstellen könnte. Auch wenn die Situation bedauerlich ist, ist die Behörde an die gesetzlichen Vorgaben gebunden und muss im Einklang mit der geltenden Gesetzeslage handeln.“

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Der häusliche Unterricht wurde weder abgeschafft noch außer Kraft gesetzt. Die Behauptungen der Bildungsdirektion sind für mich als Jurist nicht haltbar.

Anwalt Andreas Kleinbichler (Bild: Heinz Weeber)

Anwalt Andreas Kleinbichler

Eine Argumentation, die Andreas Kleinbichler, Anwalt der Familie, nicht nachvollziehen kann: „Jedes Kind hat natürlich ein Recht auf eine schulische Erziehung. Die Zufügung von seelischen und körperlichen Schmerzen ist jedoch verboten! Der häusliche Unterricht wurde weder abgeschafft noch außer Kraft gesetzt. Die Behauptungen der Bildungsdirektion sind für mich als Jurist nicht haltbar. Ein erster Bescheid der Bildungsdirektion vom Juli wurde bereits vor dem Bundesverwaltungsgericht erfolgreich angefochten. Auch die nunmehr im neuen Bescheid eingenommene Rechtsansicht der Bildungsdirektion ist nicht vertretbar. Wir erwarten, dass uns das Bundesverwaltungsgericht auch dieses Mal Recht gibt.“

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Erst kürzlich waren wir mit ihm in einer Schule zu einem Gespräch. Das Befürchtete ist eingetreten, er hat danach nichts mehr gegessen. Ich möchte nicht, dass mein Sohn deswegen auf eine Sonde angewiesen ist. Die ruinieren uns!

Mama Astrid

Auch Mama Astrid kann den Standpunkt der Bildungsdirektion nicht verstehen: „Auf seinen Gesundheitszustand geht die Behörde absolut nicht ein. Alessandro war bereits im häuslichen Unterricht. Wieso soll das jetzt nicht mehr passen? Erst kürzlich waren wir mit ihm in einer Schule zu einem Gespräch. Das Befürchtete ist eingetreten, er hat danach nichts mehr gegessen. Ich möchte nicht, dass mein Sohn deswegen auf eine Sonde angewiesen ist. Die ruinieren uns!“

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