Mit einer Bühnenadaption von Ottessa Moshfeghs Erfolgsroman „Mein Jahr der Ruhe und Entspannung“ startet das Schauspielhaus Graz in die neue Saison. Regisseurin Ewelina Marciniak erzählt darin von einer Welt im Dämmerzustand, aus dem es kein Erwachen mehr gibt.
Einfach nur schlafen – so lange wie möglich. Plötzlich ist er da, der Gedanke, im Leben der Ich-Erzählerin von Ottessa Mashfeghs Roman „Mein Jahr der Ruhe und Entspannung“. Es ist, so sagt sie es selbst, kein politischer Akt der absoluten Verweigerung („Meine Bettdecke ist kein Banner“), sie ist ihrem Leben, ihrer Welt einfach müde geworden.
Dabei stünden der Tochter aus gutem New Yorker Hause eigentlich alle Türen offen – sie hat Kunstgeschichte studiert, ein kleines Vermögen geerbt, jobbt aus Spaß in einer schicken Galerie, hat Freunde und eine wilde Affäre. Doch plötzlich wird ihr die Oberflächlichkeit, ja die Sinnlosigkeit ihrer Existenz bewusst. Eine Therapeutin verschreibt ihr diverse Schlafmittel und Psychopharmaka – und so beginnt ihr Leben im unendlichen Dämmerzustand.
Wilder Fiebertraum
Regisseurin Ewelina Marciniak hat aus dem schlafwandlerischen Roman über Überforderung und Weltmüdigkeit einen wilden Fiebertraum (Bühne & Kostüme: Natalia Mleczak) über eine an allen Ecken scheiternde Gesellschaft gemacht: Luiza Monteiro macht aus der verschlafenen Hauptfigur mit ihrem nuancierten Spiel das leuchtende Zentralgestirn dieses Abends.
Alles, was es an echten Gefühlen in dieser oberflächlichen Welt noch gibt, wird von einem befreundeten Künstler (Mario Lopatta) und seiner Galeristin (Marielle Layher) gewinnbringend vermarktet. Auch die Therapeutin (Anke Stedingk) hat nur leere Floskeln und ihre eigene Überforderung zu bieten. Und die naive Freundin Reva (Anna Klimovitskaya) ist auch keine Hilfe, sondern eine Belastung. Einzig der Hund (wunderbar schrill: Dominik Puhl) ist in seiner animalischen Einfachheit eine Form der humorvollen Entlastung. Die berührendsten Momente hat die Hauptfigur jedoch mit ihrer Mutter (Olivia Grigolli), die schon lange vor ihr die Konsequenzen ihrer Überforderung gezogen und sich das Leben genommen hat.
Das Leben ist ein Theater
Wozu leben? Diese große Frage schwebt über diesem Theaterabend, der sich stets selbst als Simulation präsentiert: Das Leben ist Theater und der Text ein ermüdendes Konvolut, dem man nun wahrlich nicht wortgetreu folgen muss. Vor allem, wenn es Songs von Britney Spears gibt, die das alles schon viel schöner, viel besser, viel oberflächlicher ausgesagt haben.
Und so endet dieser Abend auch nicht, wie die Romanvorlage, die in den Jahren 2000/2001 spielt, den Terroranschlägen von 9/11 als abruptes Erweckungserlebnis. Vielmehr erzählt Marciniak in ihrer Version davon, wie wir auch nach 9/11 fröhlich weitergeschlafen haben.
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