Einheimische Insekten:

Einblicke in die lautmalerische Welt der Zikaden

Vorarlberg
23.09.2024 06:15

Vor Kurzem trafen sich Experten aus ganz Mitteleuropa zur Zikadentagung in Dornbirn. Rund 360 verschiedene Arten dieser Insekten gibt es in Vorarlberg. Viele sind leider gefährdet.

Für den einen ist es Musik, für den anderen störender Lärm: der „Gesang“ der Zikaden. Man verbindet diesen vor allem mit Urlauben im mediterranen Raum. Die Insekten sind wahre Meister der akustischen Kunst. Ihr „Gesang“ erzählt Geschichten von Fortpflanzung, Revierkämpfen und dem Kreislauf des Lebens. „Neben den sogenannten Singzikaden gibt es auch kleinere Vertreter dieser Tiergruppe, die nicht durch ihre Lauterzeugung auffallen, einige davon sind auch in Vorarlberg heimisch“, berichtet Georg Friebe von der „inatura“ in Dornbirn.

Vor Kurzem fand in der Messestadt die „Mitteleuropäische Zikadentagung“ statt, an der zahlreiche Experten aus insgesamt neun verschiedenen Ländern teilnahmen. Am Programm standen unter anderem Fachvorträge und drei Exkursionen zur Erforschung der Zikadenfauna Vorarlbergs. In diesem Rahmen gelang sogar der Erstnachweis einer neuen Art für den österreichischen Raum. Darüber hinaus konnten mehrere seltene beziehungsweise schwer zu entdeckende Arten gefunden werden. Die Ergebnisse dazu sollen zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht werden, erst müsse noch einiges an Forschungsarbeit geleistet werden, so Friebe.

Werner Holzinger vom ÖkoTeam Graz hat sich in den vergangenen Jahren intensiv mit den Zikaden Vorarlbergs auseinandergesetzt. (Bild: Bergauer Rubina)
Werner Holzinger vom ÖkoTeam Graz hat sich in den vergangenen Jahren intensiv mit den Zikaden Vorarlbergs auseinandergesetzt.

 Gemeinsam mit Werner Holzinger vom ÖkoTeam Graz hat er die Tagung organisiert. Holzinger habe sich in den vergangenen Jahren intensiv mit den Zikaden Vorarlbergs auseinandergesetzt. „Die Ergebnisse dieser Forschung werden derzeit als Rote Liste für den Druck vorbereitet“, hebt Friebe hervor. Abgesehen von früheren Streufunden wird dies laut dem „inatura“-Experten die erste moderne systematische Erhebung zum Vorkommen dieser Insekten für Vorarlberg sein.

Eng verwandt mit Wanzen und Blattläusen
Im Ländle sind es in erster Linie Grillen und Heuschrecken, die man während der warmen Jahreszeit zu hören bekommt. Sie unterscheiden sich jedoch wesentlich von Zikaden, wie Holzinger erklärt: „Zikaden sind eine Gruppe von Insekten, die eng mit Wanzen und Blattläusen verwandt ist.“ Sie weisen zudem ein eher kompaktes Erscheinungsbild auf mit großen, durchsichtigen Flügeln, die oft zu einem „Dach“ über dem Körper gefaltet sind, während Grillen über eine schlankere Form sowie längere Antennen und große Hinterbeine verfügen. „Der Gesang der Zikaden wird durch das Vibrieren ihrer Membranen erzeugt, die als Tymbale bezeichnet werden. Grillen hingegen reiben ihrer Flügel aneinander – ein Prozess, der als Stridulation bekannt ist“, erläutert der Biologe.

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Zikaden sind eine Gruppe von Insekten, die eng mit Wanzen und Blattläusen verwandt ist. Sie unterscheiden sich somit ganz wesentlich von Heuschrecken und Grillen, die man in Vorarlberg in der warmen Jahreszeit vor allem zu hören bekommt.

Werner Holzinger, ÖkoTeam Graz

Die Gesänge sind also unterschiedlich – sowohl in ihrer Erzeugung als auch was die Klangfarbe betrifft. In Vorarlberg findet sich laut den Experten nur eine „musikalische“ Art: Die Bergsingzikade kommt in den wärmebegünstigten Rändern des Rheintals vor.

Viele Zikadenarten sind hochgradig gefährdet
Die anderen heimischen Zikadenarten sind stiller und daher für den Laien unauffälliger. „Viele von ihnen sind mittlerweile hochgradig gefährdete Bewohner von Feuchtwiesen, Trockenrasen und Mooren“, betont Holzinger. Die Insekten seien wichtige Bioindikatoren und fungieren als Nahrung für eine Vielzahl anderer Tiere. Zikaden selbst ernähren sich hauptsächlich von Pflanzensäften. Sie stechen mit ihrem spezialisierten Mundwerkzeug in die Pflanzenteile und saugen die sich darin befindende Flüssigkeit auf. Dieser Saft besteht aus Wasser und Zucker sowie anderen Nährstoffen. Dabei nehmen die Tiere oftmals deutlich mehr Zucker auf, als sie verwerten können. Der Überschuss wird von den Zikaden ausgeschieden und als sogenannter Honigtau vielfach von anderen Insekten aufgenommen. „In Italien gibt es beispielsweise die Bläulingszikade, deren Honigtau von Bienen gesammelt wird. Daraus wird dann der Zikadenhonig hergestellt, eine Spezialität.“

Die Bergsingzikade ist der einzige „Sänger“ im Ländle (Bild: stock.adobe.com/Anton)
Die Bergsingzikade ist der einzige „Sänger“ im Ländle
Die Bläulingszikade ist Rohstofflieferant für den Zikadenhonig (Bild: insects.ch)
Die Bläulingszikade ist Rohstofflieferant für den Zikadenhonig
Die aus Nordamerika eingeschleppte Rebzikade (Bild: Ökoteam Graz)
Die aus Nordamerika eingeschleppte Rebzikade

Die meisten Pflanzen werden durch die Insekten nicht gravierend geschädigt. Einige wenige Zikadenarten gelten allerdings als Schädlinge für bestimmte Nutzpflanzen, da sie Krankheiten übertragen können. „Dazu zählt beispielsweise die aus Amerika eingeschleppte Rebzikade, die schwere Schäden im Weinbau verursachen kann“, weiß Holzinger. Die Rebzikade steht beispielhaft für einen besorgniserregenden Trend: Während regelmäßig neue Arten eingeschleppt werden und sich unter anderem aufgrund der geänderten klimatischen Verhältnisse etablieren können, geraten heimische Vertreter zunehmend in Bedrängnis.

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