Libanon-Bombardement

Israel beschließt landesweiten Ausnahmezustand

Ausland
23.09.2024 20:55

Nach den tödlichsten Luftangriffen auf die schiitische Hisbollah-Miliz seit dem Libanonkrieg im Jahr 2006 mit mehr als 400 Toten hat die israelische Regierung am Montag einen landesweiten Ausnahmezustand ausgerufen. Es werden nämlich Vergeltungsschläge befürchtet.

Die Entscheidung bedeutet nach Medienberichten unter anderem, dass die Größe von Versammlungen eingeschränkt werden kann. Bisher hat die Armee allerdings noch keine neuen Anweisungen veröffentlicht.

Aufsteigender Rauch nach einem israelischen Luftangriff in der libanesischen Stadt Baalbek (Bild: APA/AFP/Nidal SOLH)
Aufsteigender Rauch nach einem israelischen Luftangriff in der libanesischen Stadt Baalbek

Luftangriffe: Mehr als 400 Tote
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu versammelte nach Medienberichten das Sicherheitskabinett zu weiteren Beratungen im Militärhauptquartier in Tel Aviv. Zuvor hatte Israel am Montag Hunderte Ziele im Libanon aus der Luft angegriffen. Mehr als 400 Menschen seien getötet und mindestens 1600 verletzt worden, teilte Libanons geschäftsführender Gesundheitsminister Firas Abiad mit. Unter den Opfern seien auch Kinder und Sanitäter.

Am Abend galt eine israelische Attacke auf den Süden Beiruts libanesischen Angaben zufolge einem Hisbollah-Kommandant der südlichen Front. Eine israelische Drohne habe Ali Karake, die Nummer drei in der Militärführung der Hisbollah, ins Visier genommen, hieß es aus dem Umfeld der pro-iranischen Miliz. Die israelische Armee hatte kurz zuvor mitgeteilt, „einen gezielten Angriff“ in der Hauptstadt Beirut ausgeführt zu haben. 

Nach Angaben der Schiitenmiliz Karake aber wohlauf. Er sei „bei bester Gesundheit“ und sei an einen sicheren Ort gebracht worden, erklärte die Hisbollah. Sie widersprach damit Medienberichten, die infolge des israelischen Angriffs den Tod Karakis gemeldet hatten.

Nach Angaben des israelischen Militärs feuerte die Hisbollah wiederum mehr als 150 Geschosse auf zivile Orte in Israel. Einige von ihnen seien von der Raketenabwehr abgefangen worden, andere auf offenem Gebiet eingeschlagen.

Netanyahu wendet sich an libanesisches Volk
Unterdessen wandte sich Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu mit einer Botschaft direkt an das libanesische Volk. „Israels Krieg ist nicht mit euch, sondern mit der Hisbollah“, sagte er nach Angaben seines Büros. „Die Hisbollah hat euch schon allzu lange als menschliche Schutzschilde missbraucht.“ Netanyahu sagte, die Hisbollah habe Raketen in Wohnhäusern versteckt, die auf israelische Städte und Bürger gerichtet seien. „Um unser Volk gegen die Hisbollah-Angriffe zu verteidigen, müssen wir diese Waffen unschädlich machen.“

Israels Premier Benjamin Netanyahu an die Libanesen: „Israels führt nicht Krieg gegen euch, sondern gegen die Hisbollah.“ (Bild: APA/AFP/POOL/ABIR SULTAN)
Israels Premier Benjamin Netanyahu an die Libanesen: „Israels führt nicht Krieg gegen euch, sondern gegen die Hisbollah.“

Israel und die Hisbollah haben bereits 1982 und 2006 Krieg gegeneinander geführt. Die vom Iran unterstützte Miliz ist heute deutlich stärker bewaffnet als während des Kriegs vor fast 20 Jahren. Sie handelt nach eigener Darstellung aus Solidarität mit der islamistischen Hamas, die im Gazastreifen gegen Israel kämpft. Hisbollah und die Hamas werden vom Iran unterstützt. 

Israels hat die Zahl seiner Angriffe im Gazastreifen zuletzt verringert und konzentriert sich zunehmend auf die Hisbollah. Israel will erreichen, dass sich die Miliz wieder hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht – so wie es die UNO-Resolution 1701 vorsieht, die das Kriegsende 2006 markierte. Der Resolution zufolge darf die Hisbollah entlang der Grenze nicht präsent sein. Dies wird aber weder von der UNO-Beobachtermission noch von der libanesischen Armee durchgesetzt. Israel hat die Rückkehr seiner Bewohner in ihre Wohnorte im Norden zu einem der Ziele im Gazakrieg erklärt, der mit dem Hamas-Terrorangriff vom 7. Oktober vergangenen Jahres begonnen hatte.

AUA-Verbindungen ausgesetzt
Wie die Austrian Airlines Montagabend mitteilten, bleiben wegen der instabilen Lage in der Region die Verbindungen von und nach Tel Aviv sowie von und nach Teheran weiterhin bis einschließlich 14. Oktober ausgesetzt. Die Verbindungen nach Amman und Erbil finden wie geplant statt. Betroffenen Fluggästen werden Umbuchungs- und Stornierungsmöglichkeiten angeboten, hieß es weiter.

Verkehrsstau auf einer Straße in der südlibanesischen Stadt Sidon am 23. September. Menschen fliehen vor den israelischen Luftangriffen. (Bild: AFP)
Verkehrsstau auf einer Straße in der südlibanesischen Stadt Sidon am 23. September. Menschen fliehen vor den israelischen Luftangriffen.

Nahost: G7 und EU-Außenbeauftragter in Sorge
Die Außenminister der G7-Staaten zeigen sich besorgt über die zunehmenden Spannungen im Nahen Osten. Es drohe ein größerer regionaler Konflikt mit „unvorstellbaren Folgen“, heißt es in einer Erklärung am Rande der UN-Generalversammlung. Die Spannungen mündeten zuletzt in einem Angriff Israels im Libanon mit fast 500 Toten. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sprach von einer „gefährlichen Situation“, die fast einem Krieg entspreche. China sicherte dem Libanon Rückhalt zu.

Die Außenminister der G7-Staaten rufen in der Erklärung dazu auf, den gegenwärtigen destruktiven Kreislauf zu stoppen“. Kein Land werde von einer weiteren Eskalation im Nahen Osten profitieren. Die G7-Staaten appellieren an alle Beteiligten, zur Deeskalation beizutragen und eine friedliche Lösung anzustreben.

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