EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat die Reduktion von „überbordender Bürokratie und Verwaltungslasten“ zu einer Priorität für die neue Gesetzgebungsperiode 2024 – 2029 erklärt. Das birgt auch Gefahren, denn die Vereinfachung der EU-Gesetzgebung eröffnet Unternehmen Schlupflöchern. Ein gutes Beispiel dafür ist die Signa.
Unter dem „Deckmantel der Entbürokratisierung“ wurde in den vergangenen Jahren Unternehmen ein Freibrief ausgestellt, „Volkswirtschaft, Sozialstaat, und Umwelt zu schädigen“, kritisiert die Arbeiterkammer. So konnte etwa die Signa von Immobilienjongleur René Benko als Klein- und Mittelunternehmen (KMU) mit erleichterten Berichtspflichten durchgehen und über Bilanzen täuschen.
AK-Studie zeigt Fokus auf wirtschaftliche Interessen
Die Arbeiterkammer hat dazu eine Studie in Auftrag gegeben, die der „Krone“ vorliegt. Das Hauptergebnis: Das ursprüngliche Problem, dass die EU-Regulierung nicht verständlich genug war, wurde so verengt, dass die Interessen der Wirtschaft Vorrang vor allen anderen Interessen bekamen. AK-Experte Frank Ey: „Unter dem Schlagwort der ,Entbürokratisierung‘ könnten Standards für Beschäftigte, Konsumenten und die Gesellschaft zum Vorteil für Unternehmen geopfert werden. Zur Durchsetzung dieser Agenda wurde zudem eine Struktur geschaffen, die demokratiepolitisch höchst fragwürdig ist.“
One-In-One-Out-Prinzip als Rasenmäher
So gibt es etwa beim Abbau von Berichtspflichten und Verantwortlichkeiten für Unternehmen einen Vorrang für KMUs – wobei der KMU-Begriff immer weiter gefasst wurde, mittlerweile fallen 99,8 Prozent aller Unternehmen darunter. Auch große Unternehmen wie die Signa Holding gingen als KMU mit entsprechend erleichterten Berichtspflichten durch. „Ein weiteres Beispiel ist das One-In-One-Out-Prinzip, nach dem für jede neue Regelung eine alte wegfallen muss. Das kann man getrost als Rasenmäher-Prinzip bezeichnen“, so Ey.
Weniger Berichtspflichten bei Tierseuchen geplant
Wichtige Regelungen mit hohem Mehrwert für Beschäftigte, Verbrauchern sowie die Gesellschaft könnten damit gestrichen werden. Maßnahmen des Green Deals könnten durch andere Maßnahmen im Umweltschutz ausgetauscht werden. Auch arbeitsrechtliche oder verbraucherschutzrelevante Gesetze könnten geopfert werden. So bezeichnet die Kommission etwa den Schutz der Arbeitnehmer vor Asbest in einem Bericht über den Verwaltungsaufwand als Belastung, ohne etwa die Gesundheitskosten gegenzurechnen. Und ein Vorschlag, der nach der Corona-Pandemie besonders absurd klingt: weniger Berichtspflichten in Fällen von Tierseuchen.
Eigener KMU-Beauftragter
Die Akteure dieses Agenda-Settings sind in diversen Experten-Gremien aktiv. Zuletzt wurde ein eigener KMU-Beauftragter eingesetzt, der direkt der Kommissionspräsidentin zugeordnet ist und zudem an den Sitzungen des Regulatory Scrutiny Board (RSB) teilnehmen kann. Dieses ist dem Gesetzgebungsprozess praktisch vorgelagert, die EU-Kommission veröffentlicht zum Beispiel Gesetzesentwürfe erst, wenn sie vom RSB abgesegnet wurden. Vertreter aller anderen Gesellschaftsgruppen und Interessen, wie Gewerkschaften oder NGOs, bekommen erst sehr viel später Zugang zur EU-Gesetzgebung. Dabei ist das RSB demokratiepolitisch nicht einmal legitimiert und wurde einseitig von der Kommission geschaffen.
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