Polit-Paukenschlag bei Deutschlands Grünen: Wie die beiden Vorsitzenden, Ricarda Lang (30) und Omid Nouripour (49), am Mittwoch verkündeten, tritt die Parteispitze geschlossen zurück.
„Wir sind zum Ergebnis gekommen: Es braucht einen Neustart. Das Wahlergebnis am Sonntag in Brandenburg ist ein Zeugnis der tiefsten Krise unserer Partei seit einer Dekade“, sagte Nouripour am Mittwochvormittag im Rahmen einer Pressekonferenz in Berlin.
Serie von Wahlniederlagen für die Grünen
Die Grünen hatten zuletzt bei den Landtagswahlen in den ostdeutschen Bundesländern Sachsen, Thüringen und Brandenburg sowie bei den Europawahlen im Juni deftige Schlappen erlitten und flogen teilweise aus den Landesparlamenten.
Lang: „Nicht die Zeit, um am Stuhl zu kleben“
Es brauche nun „neue Gesichter, um die Partei aus dieser Krise zu führen“, sagte Lang. Die Wahl eines neuen Vorstands beim Bundesparteitag im November solle ein „Baustein sein für die strategische Neuaufstellung dieser Partei“. Lang fügte hinzu: „Jetzt ist nicht die Zeit, um am Stuhl zu kleben – jetzt ist die Zeit, Verantwortung zu übernehmen, und wir übernehmen diese Verantwortung, indem wir einen Neustart ermöglichen.“
Lang und Nouripour führen die Partei seit Anfang 2022. Regulär wären sie mindestens bis Ende 2024 im Amt. Sie äußerten sich nicht zu ihrer Nachfolge. Im Gespräch dafür sind offenbar Wirtschaftsstaatssekretärin Franziska Brantner und der Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak. Brantner ist eine enge Vertraute von Wirtschaftsminister Robert Habeck, der die Grünen als Kanzlerkandidat in die nächste Bundestagswahl führen könnte. Banaszak war früher Parteichef der Grünen in Nordrhein-Westfalen und ist ein wichtiger Drahtzieher des linken Flügels.
Dem bisherigen Grünen-Vorstand gehören neben Lang und Nouripour noch die stellvertretenden Parteivorsitzenden Pegah Edalatian und Heiko Knopf, Geschäftsführerin Emily Büning und Bundesschatzmeister Frederic Carpenter an. Nach Langs Angaben soll der Vorstand noch bis zur Neuwahl auf dem Parteitag im Amt bleiben.
Habeck: „Rücktritt ist großer Dienst an der Partei“
Habeck bezeichnete den angekündigten Rücktritt als „großen Dienst an der Partei“. „Dieser Schritt zeugt von großer Stärke und Weitsicht. Ricarda Lang und Omid Nouripour beweisen, was für sie der Parteivorsitz bedeutet: Verantwortung. Sie machen den Weg frei für einen kraftvollen Neuanfang. Das ist nicht selbstverständlich, es ist ein großer Dienst an der Partei“, so Habeck.
Habeck sagte weiter: „Hinter uns liegen harte Monate, die Grünen standen voll im Gegenwind.“ Die Niederlagen bei den letzten Wahlen seien unstrittig vom Bundestrend beeinflusst. „Wir tragen hier alle Verantwortung, auch ich. Und auch ich will mich ihr stellen.“
SPD bedankt sich für Zusammenarbeit
Die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil dankten indes der zurückgetretenen Grünen-Spitze für die Zusammenarbeit. „Wir haben gemeinsam an der Spitze unserer beiden Parteien stets verlässlich und vertrauensvoll Dinge besprochen und geklärt“, heißt es in einem gemeinsamen Statement. „Trotz mancher inhaltlicher Unterschiede war diese Partnerschaft sehr angenehm, weil sie auch menschlich belastbar war.“ Deshalb danke man Nouripour und Lang „von Herzen“. Aussagen zu möglichen Auswirkungen auf die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP machen sie nicht.
Unterdessen sieht der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, den Wechsel an der Grünen-Spitze als Zeichen für einen Zerfall der Ampel-Koalition. „Die Fliehkräfte in der Ampel nehmen weiter zu“, sagte der CDU-Politiker am Mittwoch. „Mit dem Rücktritt des gesamten Parteivorstands der Grünen zerbröselt die Koalition vor laufenden Kameras.“
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