Nach Unwettern

Pendler müssen auch bei Streckensperren zur Arbeit

Österreich
26.09.2024 10:20

Pendlerinnen und Pendler bleibt der Weg zur Arbeit nicht erspart, auch wenn sie dorthin aufgrund der Bahn-Streckensperren nach dem Hochwasser nun deutlich länger brauchen. „Man muss alles Zumutbare unternehmen, um die Arbeitsleitung zu erbringen“, erklärte der Arbeitsrechtsexperte Martin Gruber-Risak von der Uni Wien. Vor allem für Klimaticket-Besitzer ist der Kampf um Entschädigung schwer.

Was im konkreten Fall als zumutbar gilt, hänge von verschiedenen Faktoren ab, oft sei auch Homeoffice eine Option, erklärte er am Donnerstag im Ö1-„Morgenjournal“.

Arbeitnehmer müssen alles Zumutbare unternehmen
Eine Dienstverhinderung, die eine Entgeltfortzahlung begründet, bestehe grundsätzlich immer dann, „wenn die Arbeitsleistung unterbleibt, aus Gründen, die dem Dienstnehmer zuzurechnen sind, die er aber nicht verschuldet hat“, sagte Gruber-Risak, der am Institut für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Wien tätig ist. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen dennoch alles Zumutbare unternehmen, um die Arbeitsleistung trotzdem zu erbringen. Im Fall einer Bahn-Streckensperre wäre das etwa der Umstieg auf das Auto oder eine andere Route mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Wie viel zusätzliche Wegzeit zumutbar ist, hänge von verschiedenen Faktoren ab, es gebe jedenfalls keine klaren Grenzen. Als Faustregel verwies der Experte auf das Arbeitslosenversicherungsgesetz, dort gelte eine Pendelzeit für Hin- und Rückfahrt von zwei Stunden pro Tag bei Vollzeitbeschäftigung als „jedenfalls zumutbar“.

Kein Auto? Dann kann Kündigung drohen
Problematisch wird es, wenn Arbeitnehmerinnen gar keine Alternative zur gesperrten Bahn haben, etwa weil sie kein Auto besitzen. „Dann ist mir die Arbeitsleistung unmöglich, wenn ich keine Alternative habe, dann wird mir wohl die Beendigung des Arbeitsverhältnisses drohen“, so Gruber-Risak, schließlich sei es Arbeitgeberinnen auch nicht zumutbar, zu warten, bis die Bahnstrecke wieder befahrbar ist.

Zitat Icon

Eine Pendelzeit für Hin- und Rückfahrt von zwei Stunden pro Tag bei Vollzeitbeschäftigung gilt als jedenfalls zumutbar.

Arbeitsrechtsexperte Martin Gruber-Risak

Einen Anspruch auf Homeoffice gibt es in Österreich nicht. Allerdings sei es in Branchen, in denen die Arbeitsleistung auch von zu Hause aus erbracht werden kann, unter Umständen wohl denkbar, dass die Homeoffice-Möglichkeit auf absehbare Zeit gewährt werden muss, bevor es zur Kündigung kommt.

Kinderbetreuung eine Frage des Alters
Wenn jüngere Kinder aufgrund von Streckensperren nicht in die Schule kommen, sei es für einen Elternteil grundsätzlich möglich, zu Hause zu bleiben und sich auf die Betreuungspflichten zu berufen. Allerdings komme es auch hier auf das Alter des Kindes an, die Grenze werde typischerweise bei zwölf Jahren gezogen. Außerdem sei auch wieder die Frage, ob andere Betreuungsmöglichkeiten zumutbar wären, etwa bei Verwandten.

Grundsätzlich sei wichtig, mit dem Arbeitgeber eine Lösung zu finden. Sollte das nicht gelingen, können sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an die Arbeiterkammer (AK) wenden.

Schwerer Kampf um Entschädigung für Klimaticket-Besitzer
Besonders für Klimaticket-Besitzer ist die monatelange Sperre der Weststrecke bitter. Eine Entschädigung aufgrund der Streckensperre kann schwierig werden, so die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte (apf) auf APA-Anfrage.

Für die apf könnten zwei Möglichkeiten in Betracht gezogen werden: eine nachträgliche anteilige Entschädigung wegen Nichtnutzung oder eine Kündigung. Da allerdings das Klimaticket eine Netzkarte ist, die grundsätzlich für das gesamte Verkehrsnetz gilt – also entweder in ganz Österreich oder im jeweiligen Verkehrsverbund -, könnte diese Tatsache eine nachträgliche anteilige Entschädigung erschweren.

Hochwasser ist kein Grund für außerordentliche Kündigung
Eine Kündigung des Klimatickets ist jedoch erst ab dem siebenten Monat ohne Angabe von Gründen möglich. Allerdings werde dann ein Kündigungsentgelt von einem Monatsbetrag verrechnet. Bei Vorliegen von bestimmten Gründen – etwa bei einem Umzug von Österreich in das Ausland - kann das Ticket während der gesamten Gültigkeitsdauer ohne Kündigungsentgelt gekündigt werden. Leider stehe tariflich die außerordentliche Kündigung bei einer Nichtnutzung wegen des Hochwassers nicht zu, erklärte die apf.

Deshalb rät die Organisation allen Betroffenen nachzuweisen, dass sie für ihre regelmäßigen Fahrten auf eine gesperrte Strecke angewiesen sind. Die Entscheidung darüber liege aber letztlich bei den zuständigen Unternehmen – für das Klimaticket Österreich ist das One Mobility bzw. für das regionale Klimaticket der jeweilige Verkehrsverbund.

Kündigung und späterer Neuabschluss eine Frage der Kulanz
Möglich wäre die Kündigung des Klimatickets, solange die Nutzung kaum möglich ist und der Neuabschluss, sobald die beanspruchte Strecke wieder genutzt werden kann. Da betont die apf, dass hier auf eine Kulanzlösung der zuständigen Unternehmen gehofft werden muss.

Die Organisation rät den Pendlerinnen und Pendlern, die stark von den Streckensperren im Zuge des Hochwassers betroffen sind, sich zeitnah an das jeweilige Verkehrsunternehmen zu wenden und eine Kulanzregelung zu beantragen oder gegebenenfalls das Klimaticket für die Dauer der Streckensperre zu kündigen.

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