Junge Männer angeklagt

Tierquälerei-Prozess: Mit Igel „Fußball gespielt“?

Gericht
27.09.2024 12:30

Während im Erdgeschoss im Wiener Landesgericht unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen Tag drei im Hells-Angels-Prozess stattfindet, findet zwei Stockwerke höher ein ungewöhnlicher Prozess gegen sechs junge Männer statt. Den Syrern wird Tierquälerei an einem Igel vorgeworfen. Doch der Fall entpuppt sich als völlig anders, als von der Staatsanwaltschaft angeklagt.

Am 10. Mai sollen die Angeklagten, die großteils als Essenszusteller arbeiten, laut Staatsanwaltschaft Wien auf einem Parkplatz im Böhmischen Prater einen Igel misshandelt haben. „Sie haben ihn mehrere Minuten lang hin- und hergeworfen und ihm Tritte versetzt. Der Zweitangeklagte hat zudem versucht, ihn anzuzünden“, leitet die Staatsanwältin ein. Zu dem Vorfall bekennt sich das Sextett „nicht schuldig“.

Igel saß hinter einem geparkten Auto
Sie würden sich öfter an diesem Ort treffen, um Fußball oder Karten zu spielen, berichtet der 22-jährige Erstangeklagte. „Hinter einem Auto haben wir ein Geräusch gehört. Da haben wir gesehen, dass es ein Igel ist“, erinnert er sich. „Ich hab ihn genommen und wollte ihn in den Busch setzen, wo er sicher ist und nicht überfahren werden kann.“ Davor hätten sie noch Fotos von dem Igel für Social Media gemacht. Dazu hätten sie dem Tier dafür auch eine Kindersonnenbrille aufgesetzt und es kurz mit Wasser angespritzt. Danach hätten sie die stachelige Begegnung ins Gebüsch gesetzt.

War die Anzeige eine Intrige?
Der Beschuldigte ist sich sicher: „Die Anzeige ist rassistisch motiviert.“ Auf dem Parkplatz gäbe es eine Gruppe Türken und zwischen Türken und Syrern gab es zu dieser Zeit Probleme. Auch sei die türkische Gruppe auf dem Parkplatz mit Wägen gedriftet und hätte sie dabei beinahe gerammt. 

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Wir haben noch nie im Leben einen Igel gesehen. Deshalb haben wir die Fotos und die Videos gemacht.

Ein Angeklagter im Prozess.

Die anderen Angeklagten schildern die Situation ähnlich. „Wir haben noch nie im Leben einen Igel gesehen. Deshalb haben wir die Fotos und die Videos gemacht.“ Der Zweitangeklagte zeigt Richterin Katharina Adegbite-Lewy die Aufnahmen – darunter ein Video, wo die jungen Männer den Igel streicheln. „Es sind keine Misshandlungen, welcher Art auch immer, erkennbar“, stellt Frau Rat fest.

Zeuginnen widersprechen sich
Die erste der beiden Frauen, die Anzeige erstattet hatten und offenbar mit der türkischen Gruppe befreundet sind, schildert die Situation im Prozess abgeschwächter als bei der Polizei. Plötzlich war von minutenlangem Hin- und Herwerfen und Treten nicht mehr die Rede. „Sie sind schon hart mit dem Igel umgegangen. Am Ende haben sie ihn in den Busch geworfen“, meint die Frau jetzt. Die zweite Zeugin formuliert er schärfer: „Als würde man eine Glasflasche mit voller Wucht auf den Boden werfen“, behauptet sie. „Und die anderen haben dabei gelacht.“ Auch hätten sie mit dem Igel „Fußball gespielt“ und ihn mit Felgenspray besprüht.

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Warum sollten wir Tiere verletzen, die uns nichts getan haben? Wir haben selbst Haustiere, die wir lieb haben.

Die jungen Männer zeigten sich über die Vorwürfe schockiert.

Bild auf Beweisbildern nicht eingerollt
„Warum sollten wir Tiere verletzen, die uns nichts getan haben? Wir haben selbst Haustiere, die wir lieb haben“, sagt einer der jungen Männer. Ein anderer gibt an, drei Katzen und zwei Vögel daheim zu haben und von der Anklage schockiert zu sein.

Auch seltsam: Die Zeuginnen machten zwei Fotos von dem Igel nach den angeblichen Misshandlungen. Darauf sind das Tier und die Jugendlichen, die um es herumstehen, zu sehen. Der Igel ist darauf nicht eingerollt, wirkt weder verängstigt noch verletzt. Die Polizei habe später auch nach dem Igel gesucht, der aber nicht mehr auffindbar war.  

Glatter Freispruch
Nach zweieinhalbstündiger Verhandlung spricht die Richterin die sechs Angeklagten erwartungsgemäß frei – nicht rechtskräftig, weil die Staatsanwältin keine Erklärung abgibt. 

Eines hat die türkische Gruppe erreicht: Die Syrer haben sich nun einen anderen Platz zum „Chillen“ gesucht. Ob den Zeuginnen eine Anzeige wegen falscher Beweisaussage droht, ist offen. 

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