Schlechte Nachrichten für Pendler: Bahnbau-Techniker bezweifeln, dass die Züge auf der schwer beschädigten Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen St. Pölten und Wien schon bald wieder Fahrt aufnehmen können.
Die Hochwasser-Katastrophe hat die Weststrecke massiv in Mitleidenschaft gezogen. Tausende Pendler, die es gewohnt waren, zügig an ihren Arbeitsplatz zu gelangen, müssen von der Schiene wieder auf das Auto umsteigen. Laut den ÖBB werden die Reparaturarbeiten mehrere Monate in Anspruch nehmen. Laut Bahnbauexperten ist sogar ein Ausfall von bis zu einem Jahr möglich, ehe die Hochgeschwindigkeitstrasse zwischen St. Pölten und Wien wieder im Vollbetrieb steht.
Technikern bereitet vor allem der Atzenbrugger Tunnel Sorge. Dort muss die komplette elektrische Technik samt Notfallsystem und Entlüftungsanlage erneuert werden, weshalb ÖBB-Boss Andreas Matthä bei der internationalen Verkehrstechnikmesse InnoTrans in Berlin von einem „Speed Dating“ sprach, was die laufenden Verhandlungen mit Lieferanten der Bauteile betrifft.
Dennoch: Zwei bis vier Monate werde es laut ausgewiesenen Experten dauern, bis die Teile geliefert sind. Zwei bis vier Monate müssten für die Einbauarbeiten eingeplant werden; inklusive der Frage, ob die Elektronik nicht deutlich höher als bisher montiert werden muss, um in Zukunft einen Totalschaden zu vermeiden. Und weitere zwei bis vier Monate dürften sogenannte Einstell-Fahrten in Anspruch nehmen.
Tests bis 300 km/h
Dabei wird getestet, ob jede Schaltstelle richtig anspricht. Züge fahren deshalb mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten – 20, 40, 60, … km/h – durch den Tunnel, um die sensible Elektronik einer praktischen Prüfung zu unterziehen. Die ÖBB testen bis zu 300 km/h – für diese Geschwindigkeit ist die Weststrecke, die Anfang der 1990er-Jahre geplant wurde, ausgelegt.
Hatten die Planer damals ein Hochwasser nicht auf dem Radar? Wäre eine Hochtrasse eine Alternative gewesen?
Wasser in der Tunnel-Wanne
Bahnbaufachmann Norbert Ostermann, ehemaliger Institutsvorstand an der TU Wien, verneint. Die Projektierung sei vor 35 Jahren äußerst ausführlich und akribisch gelaufen. „Alle Interessensvertretungen waren eingebunden: Bund, Land, Gemeinden, sogar Jägerschaft und Fischereiwirtschaft.“ Es habe auch eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung gegeben.
Der Atzenbrugger Tunnel sei einer der wenigen, der eine Wanne und somit einen Tiefpunkt habe – „bei Wannen rinnt das Wasser von beiden Seiten hinein, wenn es kommt.“ Die Wanne habe man aus Rücksicht auf die Bevölkerung gewählt. „Wenn jedoch ein anderes Unglück wie ein Dammbruch passiert, kann das ein Ingenieur nicht wissen.“ Man habe Rücksicht auf die Besiedelung genommen. Für ein unbesiedeltes Gebiet hätte man freilich eine andere Trassenführung gefunden.
Und was sagen die ÖBB zur Frage, ob die bisherigen Annahmen zur Wiedereröffnung der sogenannten neuen Weststrecke zu optimistisch waren? Ein Sprecher erklärt: Da die Schadenserhebung noch nicht abgeschlossen sei, könne noch keine seriöse Prognose gemacht werden.
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