Als „Starmania“-Siegerin fiel Anna Buchegger vor drei Jahren einem breiten Publikum auf – heute erinnert nur noch ihre intensive Stimme daran. Auf ihrem Debütalbum „Windschatten“ wagt sie sich an die geografische Historie des Tennengaus und verknüpft das mit persönlichen Erinnerungen und einer originären Form von zeitgenössischen Alpen-Pop.
Abtenau, eine 6000-Seelengemeinde im Salzburger Bezirk Hallein. Bekannt für Ex-Skiprofi Matthias Lanzinger, wundervolle Berglandschaften und Goldstimme Anna Buchegger. Die 25-Jährige kann man durchaus als musikalisches Wundertalent bezeichnen, das schon seit frühen Kindheitstagen beharrlich an den eigenen Fähigkeiten schraubt. Mit sechs lernt sie Hackbrett zu spielen, ihre Schwester führt sie wenig später näher an die Gitarre ran. Daraufhin sorgen die Buchegger-Dirndln im Bezirk für Furore. Mit zehn folgt die Kunst des Klavierspielens, bevor sie sich in späteren Kindheits- und frühen Teenagerjahren endgültig zur Musik bekennt. Bei der Castingshow „Die große Chance“ landet Buchegger als knapp Zwölfjährige im Halbfinale, drei Jahre später versuchte sie sich bei „Herz von Österreich“ – noch erfolglos.
Kulturell und brauchtümlich
Der große Durchbruch sollte ausgerechnet in der Pandemie gelingen. Mit einer mitreißenden Version der selbstgeschriebenen Ballade „Ease“ setzt sie sich 2021 im „Starmania“-Finale gegen Fred Owusu durch, wird aber mit dem eingeschlagenen musikalischen Weg nicht ganz glücklich. Buchegger war schon immer mehr als nur die „Castingshow-Gewinnern“. Auftritte im Salzburger Haus für Mozart, eigene Songs, mitreißende Cover-Versionen und eine veritable Liebe zum Jazz zeugen davon, dennoch bleibt die nicht enden wollende Suche nach der musikalischen Identität. Viele Experimente und „Trial And Error“-Momente später findet die Salzburgerin etwas, das es so noch nie gegeben hat. Zeitgenössische Popmusik, vermischt mit alpenländischer Folklore, ohne politisch gedeuteten Mief. Auf dem Album „Windschatten“ findet Buchegger einen Raum für Volkskultur, bei dem die „Kultur“ im Zentrum steht und das Völkische ganz unverdächtig und brauchtümlich beigemengt wird.
In den einzelnen Songs nimmt sie uns mit auf eine Reise in ihr persönliches Aufwachsen und das Leben und Sein im ruralen und naturbelassenen Innergebirg. Es geht um das Aufbrechen von Vorurteilen, das Einreißen von unsichtbaren Grenzen und um den Wunsch, gängige Stereotype zu widerlegen, um ein kulturelles und menschliches Miteinander zu proklamieren. Buchegger schwingt sich in stimmlich lichte Höhen, setzt sich ans ruhige Klavier, lässt synthetische Electro-Beats über folkloristische Songstrukturen wabern und sehnt sich in den Texten danach, Dinge zu spüren und zu erleben. Im Titelsong plädiert sie für das Echte, Raue und Authentische. „Man versucht im Leben immer die Schokoladenseite zu zeigen und hat dadurch im Leben oft viele Vorteile. Die spannenden Geschichten stecken aber woanders. Man findet sie in den hässlichen Seiten, die jeder so gut wie möglich zu verstecken versucht. Es braucht sehr viel Überwindung, die eigenen hässlichen Seiten zu zeigen und dazuzustehen.“
Finger in die Wunden legen
In „Lackschuh“ beruft sie sich mit einer düsteren Melodie und orchestralen Beimengungen auf die schroffe Körperlichkeit des heimatlichen Tennengaus und lässt sich dazu in fast schon bedrohliche Klangwelten fallen. Mit „Vaterland“ findet sich schon früh am Album ein bewusst im breiten Dialekt gehaltenes Mahnmal für Gemeinschaft und Toleranz in einer aus allen Angeln gerissenen Welt, die nur von Distanz, Verdächtigung und Abneigung zueinander durchzogen zu sein scheint. Buchegger legt ihre Finger auf Wunden und scheut sich auch nicht davor, schwierige Themen genauer in Augenschein zu nehmen. Im intensiven Song „Fisch“ befasst sich die Künstlerin mit der Pflege und zähmt das Pferd von unüblichen Seiten auf. Wo bleiben Dank und Anerkennung für die Tanten, Cousinen und Großmütter, auf deren Schultern schwere Lasten liegen? Und ist es in Ordnung, insgeheim auf den Tod zu hoffen, weil der Geist die darbende menschliche Hülle des Sterbenden längst verlassen hat?
„Windschatten“ ist ein Album der Ambivalenzen und Verquerungen. In jeder Geschichte menschelt es, kein Song gleicht dem anderen und überall steckt eine besondere Form von Innovationsgeist. Easy Listening ist definitiv anders, Bucheggers Musik muss man sich zuweilen erarbeiten und erhöhen, weil es nicht vor Dissonanzen und sphärischen Ambient-Flächen zurückschreckt. Inhaltlich befasst sie sich bewusst mit kantigen und ungemütlichen Themen, die für gewöhnlich gerne unter den Teppich gekehrt werden. Selbstverantwortung, Lokalkolorit und Emanzipation, mit Salzburger Jodelkunst, alpenländischem Hackbrett und einer neuen, inklusiven Volkskultur – das macht „Windschatten“ zu einem Unikum in der heimischen Musiklandschaft, auf das man sich einlassen sollte.
Live-Show in Wien
Am 26. Oktober stellt Anna Buchegger ihr neues Album „Windschatten“ im Wiener Konzerthaus vor. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten und weitere Informationen zum Event.
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