Spontan neues Album

Lady Gaga: Der Joker hat sie nicht losgelassen

Musik
27.09.2024 16:41

Nein, das nächste richtige Studioalbum von Lady Gaga kommt erst 2025 auf den Markt – als Zwischenhäppchen kann man sich aber an „Harlequin“, einer musikalischen Weiterführung des bald im Kino anlaufenden Films „Joker: Folie à deux“, laben. Statt Glitzer-Pop gibt es hier Jazz-Standards und Rockröhrigkeit als Menü.

(Bild: kmm)

Spontane Albumankündigungen sind im modernen Pop-Geschäft beileibe keine Sensation mehr. Das Internet und die Fokussierung auf den Streaming-Markt machen es möglich, dass es eigentlich ziemlich wuascht ist, ob man eine monatelange Werbekampagne fährt oder die brandneuen Songs gleich über Nacht in Spotify, Tidal und Co. lädt. Lady Gaga hat für ihr „6,5 LG“-Album, wie sie es auf ihren Socials selbst nennt, einen interessanten Mittelweg gefunden. Am Dienstag gab sie via Instagram bekannt, dass sie zum Anfang Oktober breitflächig anlaufenden Musical-Film „Joker: Folie à deux“ noch ein Album mit 13 Songs nachlegen würde. Und zwar nicht parallel zum visuellen Vergnügen, sondern dieser Tage. Jetzt. Immanent. In der heutigen Gesellschaft gibt’s schließlich keine Zeit mehr zu verlieren.

Den hürdenlosen Weg gewählt
Dabei hat die angedeutete Eile überhaupt nichts mit dem musikalischen Inhalt zu tun. Wer sich eine Mainstream-poppige Fortsetzung zum Pandemie-Album „Chromatica“ (2020) erhofft hat, kann sich das Weiterlesen an dieser Stelle sparen. Gaga habe, wie sie medial bekanntgab, aufgrund ihres schauspielerisch praktizierten Method Acting nach Abschluss der Dreharbeiten noch nicht ausreichend Distanz zu ihrer verkörperten Figur Harley Quinn (Albumtitel „Harlequin“… genau!) gefunden und sich dieser erst durch Musik entledigen können. Allerdings hat sich die 38-Jährige dafür nicht an Klavier oder Notizblock gesetzt, um sich taufrische Lieder aus den kreativen Hirnwinkeln herauszuwringen, sondern wählte den hürdenlosen Weg des Interpretierens. Tatkräftig beteiligt waren Filmkollege Joaquin Phoenix und die musikalisch eher dunkel orientierte Musikerin Hildur Ingveldardóttir Guðnadóttir.

Für sinistre Düsternis hat „Harlequin“ aber nicht viel Raum übrig. Lady Gaga hat längst Erfahrung mit der großen musikalischen Geste. Das bewies sie tatkräftig mit einer Las-Vegas-Residenz-Reihe und mit zwei mehr als gutklassigen Jazz-/Crooner-Alben, die sie mit dem im Vorjahr verstorbenen Tony Bennett eingespielt hat. Jazz-Standards mit ausufernder Stimmakrobatik, Big-Band-Instrumentierung und austreibender, sich keine Grenzen setzender Instrumentierung sind hier das oberste Gebot. Von Bescheidenheit ist keine Spur, das wäre für die großen Nummern aus vergangenen Tagen aber auch vermessen. Die im Film zur Schau gestellte Manie und Beharrlichkeit lässt sich dafür durchaus auch auf die Musik ummünzen, denn Gaga legt sich mit Inbrunst und Feuereifer ins Geschehen und blüht richtiggehend auf.

Momente des Darbens
Mit dem 1939 von Judy Garland und Mickey Rooney begründeten Klassiker „Good Morning“ und einer schmackhaften Version von „Get Happy“ leitet die Künstlerin gekonnt ins Geschehen, verliert dann aber zunehmend an Terrain, weil die Liedauswahl zuweilen etwas beliebig wirkt. Eine zart gehauchte Version des totgespielten „Oh, When The Saints“ nervt ebenso wie das glitzernde „That’s Entertainment“. Gagas ausdrucksvolle Stimme allein rettet in den schlimmeren Momenten zuweilen vor dem Einschlafen, doch ist die Tracklist glücklicherweise so gestaltet, dass dazwischen immer wieder Aufbruch vermittelt wird. Besonders markant spürt man das, wenn sie zwischendurch die Rock-Sau andeutet, wie etwa in „I’ve Got The World On A String“ aus dem Jahr 1932, das Gaga überraschend druckvoll in die Gegenwart holt.

Die große Überraschung tritt zu Beginn des zweiten Albumdrittels ein. In „The Joker“ verwandelt sich Gagas zartes Timbre plötzlich in einen Blues-durchtränkten Rock-Werwolf, der sich für knapp drei Minuten seiner ruhigen Beharrlichkeit entledigt und für klangliche Gefahr sorgt. Auch das wesentlich ruhigere, aber einwandfrei arrangierte Carpenters-Stück „Close To You“ kann sich positiv hervortun. Apropos Arrangements – die funktionieren auf einer A-Klasse-Produktion wie „Harlequin“ natürlich beispiellos. Überhaupt wirkt es trotz der zur Schau gestellten Sound-Opulenz immer so, als würde man kein Gramm zu viel eingezuckert haben, um nur ja nicht die leicht vorhandene Rest-Düsternis des „Joker“-Grundthemas ad absurdum zu führen.

Freuen wir uns auf 2025
„Harlequin“ ist ein kurzweiliges, künstlerisch durchaus hochwertiges Album, das Lady Gagas immense Stimmgewalt perfekt ins Zentrum rückt und wohl auch noch als ein ferner Abgesang auf die künstlerische einzigartige Liaison mit Tony Bennett gesehen werden kann. In der fortlaufenden Karriere ebnet sich die New Yorkerin damit ein weiteres Mal den Weg in eine künstlerisch glanzvolle Zukunft, die irgendwann einmal von den großen Bombast-Pop-Bühnen in rauchige Jazzclubs mit Atmosphäre führen wird. Bis dahin ist aber noch genug Zeit und so funktioniert ein Album wie dieses ideal als Appetizer für das, was irgendwann noch verstärkt kommen wird. Jetzt dann ab ins Kino und dann auf 2025 spitzen, wenn uns Frau Germanotta mit dem richtigen Studioalbum beglücken wird. Die hier als Vorgeschmack aufgeführte, einzig neue Nummer „Happy Mistake“ macht jedenfalls Lust darauf.

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