Proteste in Budapest

Ungarns Parlament billigt umstrittene Verfassungsnovelle

Ausland
12.03.2013 09:30
Mit den Stimmen der konservativen Regierungsmehrheit hat das ungarische Parlament am Montag umstrittene Verfassungsänderungen beschlossen. 265 Abgeordnete stimmten für die Reform, elf lehnten sie ab, 33 enthielten sich. Die Novelle beschneidet die Kompetenzen des Verfassungsgerichtes und ermöglicht der Politik weitreichende Durchgriffsmöglichkeiten in der Justiz. Im In- und Ausland gab es massive Proteste.

Die nun beschlossene Änderung ist bereits die vierte Modifizierung des Grundgesetzes seit seinem Inkrafttreten am 1. Jänner des Vorjahres. Demnach kann sich das Verfassungsgericht nicht mehr auf Urteile berufen, die vor 2012 gefällt wurden. Weiters darf das Gremium Parlamentsbeschlüsse über Verfassungsänderungen künftig nicht mehr inhaltlich prüfen. Damit erhalten einige vom Verfassungsgericht gekippte Gesetze nun Verfassungsrang.

Darunter fällt zum Beispiel die Vergabe des Status als Kirchen an religiöse Gemeinschaften durch das Parlament, ein Wahlwerbeverbot in Privatsendern oder die Kriminalisierung von Obdachlosen. Diese können künftig ins Gefängnis kommen, wenn sie auf der Straße übernachten.

Der verfassungsmäßige Schutz der Familie wird ab sofort auf Mann und Frau beschränkt, die miteinander verheiratet sind und Kinder großziehen. Außerdem wird die Finanzautonomie der Universitäten aufgehoben. Die nationalkonservative Fidesz-Partei unter Ministerpräsident Viktor Orban (Bild rechts vorne) hatte sich für die umstrittenen Maßnahmen starkgemacht.

Demonstranten in Budapest: "Diktator - Viktor"
In Budapest fanden am Abend Protestkundgebungen gegen die Verfassungsänderung statt. Mehrere Hundert Demonstranten versuchten, zum Parlament vorzudringen, um gegen die Verfassungsänderungen zu protestieren. 

Dabei kam es zu Handgreiflichkeiten mit der Polizei. Nach Eintreffen der Verstärkung bildeten 150 bis 200 Polizisten eine doppelte Verteidigungslinie um das Parlament. Die Masse beschimpfte Premier Orban und rief "Diktator - Viktor" und "Wir lassen es nicht zu".

Die Polizei hatte inzwischen die Kettenbrücke gesperrt, über die Demonstranten in Richtung Parlament strömten. Die aufgebrachten Bürger hatten zuvor an einer Protestaktion auf dem Burgberg vor dem Sitz des Staatspräsidenten Janos Ader teilgenommen. Hier forderten sie Ader auf, die verabschiedete Verfassungsänderung nicht zu unterzeichnen, da diese die Demokratie in Ungarn massiv abbauen würde.

EU skeptisch, Präsident schweigt
Auch die EU-Partner stehen den Änderungen weitgehend skeptisch gegenüber. Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso sagte am Montagabend: "Diese Änderungen werfen Bedenken bezüglich des Respekts für das Rechtsstaatsprinzip, für das EU-Recht und die Standards des Europarates auf." Verfassungsexperten des Europarates und der EU-Kommission werden die beschlossenen Novellierungen nun genau prüfen.

Der Franktionsführer der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Hannes Swoboda, bedauerte den Beschluss der ungarischen Regierung "zutiefst". Die Veränderungen würden den fundamentalen Werten der EU widerstreben. Trotz ihrer absoluten Mehrheit im Parlament verfüge die Regierung nicht über die Lizenz, Grundwerte von europäischen Bürgern zu ignorieren.

Swoboda rief Ungarns Staatspräsident dazu auf, die Verfassungsänderungen nicht zu unterzeichnen. Dieser schwieg am Montag jedoch. Ader ist derzeit auf Staatsbesuch in Berlin, laut der ungarischen Nachrichtenagentur MTI will er die Gesetzesnovellen "zu einem späteren Zeitpunkt" kommentieren.

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