Fischer verwies in seiner Rede auf die "Vorgeschichte" bis zum "Anschluss". Zu Adolf Hitler erklärte der Bundespräsident: "Er konnte die Massen in hysterische Begeisterung versetzen, indem er ihren Nationalstolz missbrauchte. Er reduzierte die Arbeitslosigkeit durch Aufrüstung für einen Krieg. Er bediente tiefsitzende Vorurteile wie Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Ein Volk, ein Reich, ein Führer, da hätten auch viele Österreicher dabei sein wollen und schwenkten die Hakenkreuzfahne im Taumel falscher Hoffnungen."
"Nur durch die Mitwirkung sehr vieler Fanatiker, Anhänger und Mitläufer des NS-Regimes und auch durch gezieltes Wegschauen konnte das totalitäre System aufgebaut werden", erklärte der Bundespräsident. Die vielen Verbrechen des "Dritten Reiches" hätten nicht begangen werden können ohne unzählige Täter - "größere, mittlere und kleinere Räder in der Maschinerie des NS-Staates".
12. März 1938: Ein "Tag der Katastrophe und der Schande"
Es habe aber auch jene Menschen gegeben, die über die Ereignisse im März 1938 entsetzt waren und flüchteten, Suizid begingen oder in den Widerstand gingen. Der 12. März 1938 war ein "Tag der Katastrophe" und auch ein "Tag der Schande", so Fischer, der etwa den Organisationen von Opfern des NS-Regimes seinen Respekt bekundete.
Zwar habe es nach dem Ende des Krieges Prozesse gegeben, aber viele der "mittleren oder kleineren Räder", die das NS-System in Österreich funktionieren ließen, lebten weiterhin mit den Opfern im gleichen Staat oft unbehelligt zusammen. Die Opfertheorie sei weitverbreitet gewesen und habe gelautet: "Das Übel des Nationalsozialismus kam von außen, die Befehle kamen von oben und wir waren vor allem Opfer." Man habe die Katastrophe hinter sich lassen wollen, die Wunden der Vergangenheit sollten verheilen, zeigte Fischer Verständnis, mahnte jedoch ein: "Nur gereinigte und sauber gemachte Wunden können ohne Entzündungsgefahr heilen. Und dieses Saubermachen der Wunden, das hat sehr lange Zeit auf sich warten lassen."
"Vergessen nein, verzeihen ja"
Fischer hielt fest, dass das Verbotsgesetz, das Strafgesetzbuch und die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nach 1945 eine klare Linie gegen nationalsozialistische Wiederbetätigung vorgegeben haben: "Diese Linie war Grundkonsens für den Aufbau der Zweiten Republik und muss es auch bleiben." Weiters meinte er: "Schlussstriche unter Verbrechen dieser Dimension können weder von einzelnen Menschen, noch von Regierungen oder Parlamenten dekretiert werden." Der Bundespräsident erinnerte deshalb an Rosa Jochmann, deren Motto gelautet habe: "Vergessen nein, verzeihen ja."
Teilgenommen haben an der Gedenkveranstaltung die Spitzen der Republik, darunter Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, der zweite Nationalratspräsident Fritz Neugebauer, die Bundesregierung mit Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger, die Klubobleute Josef Cap, Karlheinz Kopf und Eva Glawischnig. Ebenfalls im Großen Redoutensaal der Hofburg waren Alt-Kanzler Franz Vranitzky und Seniorenbund-Obmann Andreas Khol.
Bundeskanzler Faymann erklärte nach dem Ministerrat: "Niemals vergessen" heiße auch, "die richtigen Schlüsse für die Gegenwart zu ziehen". Der Jahrestag sei Anlass, vor Hoffnungslosigkeit als "Nährboden für Rechtsextremisten" zu warnen sowie vor Gruppierungen, die mit "einfachen Lösungen" versuchten, sich an den Sorgen der Menschen zu bedienen. Auch Vizekanzler Spindelegger betonte: "Das ist nicht eine Sache der Vergangenheit, das wirkt bis heute." Seine zentrale Botschaft lautete: "Nie wieder darf so etwas passieren."
Kranzniederlegung in Gedenken an die Opfer
In der Früh hatte Fischer gemeinsam mit Nationalratspräsidentin Prammer am Mahnmal gegen Krieg und Faschismus einen Kranz niedergelegt. Als einen seiner ersten öffentlichen Auftritte legte auch der neue Verteidigungsminister Gerald Klug mit der Führungsspitze des Bundesheeres einen Kranz im Weiheraum im äußeren Burgtor nieder.
Am Montag wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof außerdem eine "Nationale Gedenkstätte für die Opfer der nationalsozialistischen Justiz" enthüllt. Auch die Österreichische Akademie der Wissenschaften beschäftigte sich am Montag mit ihrer Geschichte im Nationalsozialismus.
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