„Krone“-Interview

Conner Youngblood: Der mit den Klängen flüstert

Musik
02.10.2024 09:00

Zarte Soul-Klänge, Indie-Electronica und die untrügliche Liebe zur Natur – die Musik des aus Nashville stammenden Conner Youngblood lässt sich nicht wirklich greifen. Mit seinem neuen Album „Cascades, Cascading, Cascadingly“ kommt er morgen, am 3. Oktober, ins Wiener Flucc. Wir haben uns mit dem Multiinstrumentalisten vorab unterhalten.

(Bild: kmm)

Conner Youngblood liebt die Ruhe. Er steht gerne auf seinem Skateboard, liest Literatur am Fluss, beobachtet Vögel und setzt auf ausgedehnte Spaziergänge. Seine Heimat Nashville ist für ihn nicht nur die „Music City“, sondern auch ein Ort, der Ausbruch ermöglicht. Musikalisch setzt er auf spacige, fast schon transzendentale Soul-Klänge, die sich nicht greifen. Seinem famosen Debütalbum „Cheyenne“ folgte eine ewige Kreativpause, vor wenigen Wochen hat er nun endlich sein Zweitwerk „Cascades, Cascading, Cascadingly“ veröffentlicht und betritt damit wieder neue Klangterritorien, die man sich zuweilen auch erarbeiten muss.

Youngbloods Songs sind meditative Kapitel, die aus Reisen und Beobachtungen entstanden. Er arbeitet mit unzähligen Instrumenten, sind seine Songs in unterschiedlichen Sprachen ein und versteckt seine Introvertiertheit gerne hinter Autotune-verzerrten Stimmen. In seinen Soundwelten taucht man tief ein in cinematische Welten, in denen sich Realität und Fiktion vermischen und sich sanfte Momente mit treibenden Ausbrüchen paaren.

„Krone“: Conner, du vermischst in deinem Sound Pop, Singer/Songwriter, Ambient und elektronische Elemente. Siehst du Musik als etwas, das man nicht in eine Richtung drehen oder einkesseln kann?
Conner Youngblood:
 Es ist eine Mixtur aus all dem und auch aus der Tatsache, dass ich nicht wirklich weiß, was ich tue. (lacht) Ich glaube, ich kann gar keinen strikten Pop- oder Ambient-Song machen. Ich verwende einfach all die Werkzeuge, die mir zur Verfügung stehen und vermische daraus den Sound, den man am Ende hört. Ich gebe einfach mein Bestes.

Kannst du uns vielleicht einmal kurz in deinen Kopf lassen? Was passiert, wenn du Musik erschaffst oder Ideen für einen Song hast?
Ich würde sagen, dass ich immer versuche, die Songs miteinander zu vergleichen und sie zusammenhängend zu gestalten. Es ist ein sonderbares Gefühl bei mir. Wenn ich meine alten Nummern höre, merke ich, was mich beeinflusst hat. Meist ist das etwas ganz anderes als heute, weil sich nicht nur der eigene Sound, sondern auch die Geschmäcker entwickeln und unterscheiden. Das Coole an meiner Musik ist aber, dass die Leute sie offenbar gemütlich nebenbei hören können und die Songs nicht hassen - das liegt wohl daran, dass ihnen die Radiotauglichkeit fehlt. Ich kann nur schwer mit anderen Künstlern verglichen werden und das ist toll. Ich bin überwiegend enttäuscht von meinem Gesang und konzentriere mich oft zu verbissen auf die Vocals. Wenn ich etwas wirklich mag, dann wird es auch passen. Es dauert aber sehr lange, bis ich einen Song gut finde.

Ist diese Scheu vor der eigenen Stimme der Grund, dass du in manchen Songs auf Autotune zurückgreifst?
Manchmal schreibe ich schon mit Autotune. Das ist immer in einem zusammenhängenden Prozess bei mir vorhanden. „Sulphur Springs“ entstand zum Beispiel schon, denn manchmal passt diese Technik einfach gut zum jeweiligen Track. Autotune hilft mir auf jeden Fall der Idee von einem passenden Gesang näherzukommen, den ich auf natürlichem Wege nicht schaffe. Ich kann einzigartigen Melodien mit Autotune schreiben. Viele hassen den Sound, aber ich bin ein Fan davon.

Du spielst ja unendlich viele Instrumente - interessant, dass du gerade deine Stimme selbst als größten Schwachpunkt siehst …
Auf dem Album „Cheyenne“ spielte ich E-Gitarre, Slide-Gitarre, Akkordeon, Leierkasten, Doublebass, Mundharmonika, Bass, Schlagzeug, Horn, alle Arten von Percussion, Synthesizer, Piano, Theremin, Banjo, andere Gitarren, Mandoline, ein chinesisches Instrument und sogar eine Okarina. Die klang wirklich cool. Ich weiß es gar nicht mehr so genau. (lacht)

Du scheinst da ein Getriebener zu sein, der unbedingt alles ausprobieren möchte, was so in einem Studio herumliegt.
Durchaus. Es hilft mir, neue Sounds zu finden und neue Songs zu schreiben. Je mehr du experimentierst, desto vielseitiger wird im Endeffekt dein Songwriting. Auch die ständigen Wechsel zwischen den Instrumenten verändert eine Stimmung komplett.

Im Prinzip beschreitest du einen schmalen Grat, denn du klingst zeitgemäß und suchst wohl trotzdem nach einem Sound, der Bestand hat und für länger kreiert werden soll.
Das passiert einfach. Ganz am Anfang war das nicht meine Intention, aber ich habe gelernt, was ich und andere an meiner Musik mögen. Diese Richtung habe ich beibehalten und deshalb klinge ich relativ eigenständig. Ich habe es immer gehasst, die Brücken zwischen Vers und Refrain zu schreiben und musste mich richtiggehend reinarbeiten, aber mit der Zeit lernst du dazu und es wird einfacher und besser.

Würdest du dich als einen Perfektionisten bezeichnen?
Definitiv, aber gleichzeitig nehme ich auch sofort jede Idee an, die besser klingt als meine ursprüngliche. Wenn ich also Fehler mache oder etwas nicht perfekt klingt, bin ich offen für etwas Besseres. Manchmal passieren Dinge aus dem Nichts. Ich habe Songs, wo meine Gitarre einen eigenartigen Click-Sound aufweist. Das gefiel mir aber und ich habe es beibehalten. Ich arbeite meist allein und habe für die Songs bis zu 20 Schichten, die ich dann irgendwie komprimieren muss. Da kommt man dann in kleinen Schritten zu den besten Lösungen.

Beschreiben dich reflektierte Gedankenreisen als Person und Musiker am besten?
Ich liebe die Natur. Es gibt immer noch viele Seiten an mir, die ich in der Musik noch nicht ausgedrückt habe und die ich mir aufbehielt, aber ich versuche immer, so exakt wie möglich über mich zu singen. Ich bin der Meinung, dass man sofort merkt, wenn jemand etwas nicht authentisches schreibt. Es ist sehr einfach, das zu tun.

Ist es dir wichtig, diese Reise auch im Livekontext als ganzheitliche Erfahrung weiterzugeben?
Es ist schon eine gewisse Reise. Ich habe die Songs so angeordnet, wie sie für mich textlich und auch musikalisch den richtigen Sinn ergaben. Vom ersten bis zum letzten Song geht es um mich und die großen Fragen, die ich in meinem Leben aufwerfe.

Du verwendest in deinen Texten sehr viele Metaphern. Ist das eine Art Schutzmechanismus, um nicht zu deutlich und offensiv von dir zu erzählen?
Exakt. Es gibt Dinge, die sollten nicht einmal meine Freunde oder Eltern wissen und so muss man sich ein bisschen hinter Wörtern verstecken. (lacht) Es macht außerdem Spaß zu dichten und sich selbst in Metaphern einzubauen. Bei mir bestehen die Texte nicht nur strikt aus der Realität, sondern auch aus Träumen und meiner Fantasie. Der wichtigste und ehrlichste Grund ist aber sicher, gewisse Dinge zu verstecken. (lacht) Ich will nicht jedem meine persönlichen Erfahrungen aufzwingen.

Bist du der Ansicht, dass ein Song nur dann wirklich gut ist, wenn er direkt aus dem Herzen des Interpreten kommt und eine gewisse Art von Persönlichkeit und Ehrlichkeit aufweist?
Es gibt verschiedene Arten von guten Songs. Manche mag ich, weil sie gerade so sinnentleert sind und nur einen gewissen Vibe weitergeben, der dich in eine gute Stimmung versetzt. Manchmal werden als richtige Geschichten erzählt und du kannst dich davon total einnehmen lassen. Die Texte sollten aus der Sicht eines Songwriters aber etwas Persönliches weitergeben, mit dem sich die Leute identifizieren können, aber es muss jetzt nicht zu stark aus dem eigenen Leben gegriffen sein, weil das wiederum verwirren kann. Ich versuche meine Botschaften trotz der Metaphern möglichst klar weiterzugeben. Die Leute müssen nicht genau wissen, worüber ich singe, aber es geht darum, dass ich eine Erinnerung oder ein Gefühl weitergebe und die Menschen verstehen, ohne die Details zu kennen.

Gibt es ein paar ganz spezielle Plätze, die für dich aus kreativer oder auch einfach nur menschlicher Sicht unheimlich wichtig sind?
Der „Badlands National Park“ in South Dakota gehört auf jeden Fall dazu. Hier war ich schon des Öfteren und habe auch einen Song darüber geschrieben – aber schon bevor ich das erste Mal selbst dort war! Er entstand aus meiner Fantasie und seine Bedeutung hat sich verändert, seit ich den Park auch selbst kenne. Der Song „Bear River Migratory Bird Refuge“ beruft sich auf einen Platz in Utah, an dem ich lange Vögel beobachtet habe und der mich faszinierte. Einfach wundervoll und inspirierend.

Was machst du, wenn du mal nicht an Sounds schraubst oder neue Instrumente ausprobierst?
Ich schaue mir Musikvideos an, ich klettere viel, stehe am Skateboard, male manchmal und hänge gerne mit meinen Freunden herum. Wenn es um die Musik geht, isoliere ich mich extrem, insofern ist das Wichtigste wohl nach Nashville zurückzugehen und einfach Kontakt mit meinen Freunden aufnehmen. Bevor es zu schrullig wird. (lacht)

Du arbeitest stark nach der DIY-Mentalität und versuchst möglichst alle Zügel bei deiner Musik selbst in der Hand zu haben. Wie weit kann das noch so gehen, bevor du für gewisse Dinge zu groß wirst?
Für „Cheyenne“ hatte ich das erste Mal einen Plattenvertrag unterschrieben, das war quasi schon der erste Schritt. Ich will und kann nichts von meiner künstlerischen Kreativität abgeben. Ich arbeite prinzipiell gerne alleine, es ist aber auch schön, wenn man Hilfe bekommt. Ich mag den Prozess des Alleinseins einfach sehr gerne und liebe es, nur mit mir selbst zu arbeiten. Ich habe oft so viele sprunghafte Ideen, dass da gar keiner mitkommen würde. Schauen wir einmal - vielleicht lasse ich mir mal helfen.

Du hast auf der renommierten Universität von Yale Amerikanistik fertig studiert. Ein eher unüblicher Schritt für Musiker, die normalerweise die Verbindungen zum gewöhnlichen Leben eher kappen. War dieses Studium wichtig für deine Musik und Textfindung?
Es ist wichtig für mich und vor allem war das Abschließen wichtig für meine Eltern. In den vier Jahren auf dem College habe ich trotzdem an der Musik weiterarbeiten können, völlig ohne Druck. Heute bin ich ein Full-Time-Musiker und muss natürlich davon überleben. Nach der Graduierung fühlte ich aber, dass ich nun bereit wäre, voll durchzustarten. Im Endeffekt war die Entscheidung für das Studium goldrichtig.

Am 3. Oktober spielt Connor Youngblood im Vorprogramm von Leif Vollebekk im Wiener Flucc. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten für das Top-Konzert.

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