Anfangs sang sie Gospel, dann hörte sie R&B und wenig später versuchte sie sich am Jazz – knapp sieben Jahre später hat die aus der Bronx stammende Samara Joy drei Grammys im Regal stehen, ein Billboard-Nummer-eins-Album und spielt in ausverkauften Konzertsälen. Dieser Tage erscheint ihr drittes Album „Portrait“. Wir sprachen mit der 24-Jährigen über die Magie des Jazz, Veränderungen und wie man sich von Druck befreit.
Von einem Karriere-Raketenstart zu reden, wäre noch sträflich untertrieben. Mit knapp 25 Jahren ist Samara Joy nicht nur die heißeste Aktie am jungen Jazz-Himmel, sie ist quasi über Nacht zum absoluten Superstar erwachsen. Mit ihrem 2021 veröffentlichten Debütalbum „Samara Joy“ wurde sie von der renommierten „JazzTimes“ als „Best New Artist“ ausgezeichnet. Der 2022 schnell nachgeschossene Nachfolger „Linger Awhile“ beförderte Joy dann endgültig in den Orbit. Nummer eins in den „Billboard Jazz Charts“ und insgesamt drei Grammys folgten. Einer für das beste „Jazz Vocal Album“, einer für die „Best Jazz Performance“ mit der Single „Tight“ und einer, der allerwichtigste, als „Best New Artist“. Unter den Preisträgern dieser Kategorie befinden sich u.a. die Beatles, Tom Jones, Tracy Chapman, Mariah Carey, Norah Jones, Amy Winehouse, Adele oder Billie Eilish.
Dienerin der Leidenschaft
Vom damit einhergehend immensen Druck aus der Musikbranche ist bei der 24-Jährigen gar nichts zu bemerken. Wenn man sie auf die Grammys anspricht, erinnert sie sich vor allem an die Partys zurück. „Die haben es wirklich in sich“, lacht sie im „Krone“-Gespräch, „aber natürlich ist es aufregend, diese Preise zu gewinnen.“ Die lange Warterei auf das erste Post-Grammy-Album geht dieser Tage zu Ende. Ihr Drittwerk „Portrait“ hat sie im Oktett aufgenommen und dabei alle Zügel in der Hand gelassen. Joy selbst glänzt nicht nur mit ihrer oktavenreichen Stimme, sie fungiert auf dem neuen Werk auch als Songwriterin, Arrangeurin, Bandleaderin, Koproduzentin und hat sich sogar aktiv beim Album-Artwork eingebracht. Ein Multitalent, das weniger Kontrollfreak, sondern vielmehr von Leidenschaft besessen ist. „Je länger ich Musik mache, umso klarer wird mir, wo ich hingehen möchte. Als ich anfangs auf Tour war, habe ich der Band quasi nachgesungen, mittlerweile ist die Band das Zentrum meiner musikalischen Visionen und wir sind eine echte Einheit.“
Die globale Popularität von Samara Joy beeindruckt insofern, als Jazzgesang niemals im persönlichen Businessplan der Sängerin stand. Zum Jazz fand sie erst spät in der Highschool, mit 17 Jahren. Durch ihre bahnbrechende Stimme gingen Ausbildung, Stimmschärfung und internationaler Erfolg fast Hand in Hand. „Ich habe mich für viele Genres interessiert, als ich aufwuchs, und vorher überhaupt keinen Jazz gehört. Das kommt mir heute zugute, denn hätte ich mich von klein auf so stark darauf fokussiert, dann würde ich jetzt viel mehr Druck verspüren. Als ich vor knapp sieben Jahren in die Welt des Jazz eingetaucht bin, hat mich diese Musik aber nicht mehr losgelassen.“ Joy entdeckte Größen wie Charles Mingus, Thelonious Monk und Dizzy Gillespie, vor allem aber starke Frauen wie Sarah Vaughan, Ella Fitzgerald, Billie Holiday, Carmen McRae oder die weithin unbekannte Sopranistin Jeanine De Bique aus Trinidad & Tobago. „Sie ist einzigartig, sie kann einfach alles singen.“
Vereinen der Elemente
Ähnliches attestieren Experten und Mitmusiker aber auch Joy, die sich von den Vorschusslorbeeren, den ausverkauften Konzertsälen, den Grammys und den hohen Verkaufszahlen nicht aus dem Tritt bringen lässt. „Ich will die Songs der Großen singen können, aber ich will mich auch selbst verwirklichen. Es fühlt sich nicht so an, als müsste ich wählen ,entweder oder‘. Warum nicht R&B, Bebop oder Swing einbauen, wenn es ein Song verlangt oder erlaubt? Im besten Fall führen all die Elemente, die ich vereine, zu meinem Sound. Ich sauge alle Einflüsse und Erfahrungen auf und mische sie so durch, dass meine Note dabei herauskommt.“ Jazz-Puristen müssen stark sein, denn ausgelatschte Pfade will Samara Joy nicht weiter beackern. Weder die eigenen, noch jene ihrer Idole. Dass ein Pop-Superstar wie Beyoncé etwa ein Country-Album veröffentlichte, bestärkt auch Joy in ihrem Tun.
„Ich stehe erst ganz am Anfang und alles geht so rasant. Es gibt noch so viele Möglichkeiten, Kollaborationen mit anderen Künstlern zu starten oder sich woanders auszuprobieren. Ich würde zum Beispiel unheimlich gerne mit Kendrick Lamar zusammenarbeiten. Ich will mich auch im R&B, Motown, Soul und Pop versuchen. Schauen, wohin meine Stimme gehen und womit ich sie koppeln kann. Ich will Jazz-Standards mit meinen eigenen Texten singen und ich will mich in allen Bereichen entwickeln. Ich kann mir auch gut vorstellen, einmal ein Album im Stil von D’Angelo aufzunehmen. Vielleicht sehe ich in fünf oder zehn Jahren, wohin mich mein Weg geführt hat.“ Nicht zuletzt die Schönheit und Vielseitigkeit ihres neuen Albums „Portrait“ zeigt eindrucksvoll, dass man bei Joy das Unerwartete erwarten muss, aber stets von höchster Qualität umgarnt wird. Moderner Jazz wird nicht nur durch Joys Stimme, sondern auch durch ihr unbändiges Selbstvertrauen und die Liebe zu spielerischen Experimenten neu geschrieben.
In Breite und Tiefe eintauchen
Dass Samara Joy ein Gen-Z-Superstar in einer zeitlosen Musiksparte ist, ist ihr bewusst. Umso wichtiger ist es ihr, mittels Musik eine gewisse Nachhaltigkeit zu transportieren, die weit über den unfreiwillig aufgekommenen Hype hinausgeht. „Es ist schön zu sehen, dass durch meine Musik noch mehr junge Menschen in den Jazz finden und dadurch vielleicht selbst zu singen oder zu musizieren beginnen, aber ich sehe mich nicht als junge Botschafterin“, macht sie ganz klar, „wie viele andere Menschen auch, habe ich mich in akustische und ruhige Musik verliebt. Ich habe ihre Schönheit erkannt und mich darin fallen lassen. Im Jazz gibt es eine unglaubliche Breite und Tiefe. Du kannst ihn nie ganz erforschen und niemals komplettieren. Ich liebe die Kraft des Performens und der Melodie und das möchte ich weitergeben“. Mit „Portrait“ ist der nächste Schritt dorthin souverän getan.
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