Seit Oktober-Massaker
Terrorwelle in Europa: Die traurige Zwischenbilanz
Das blutrünstige Oktober-Massaker der islamistischen Hamas vor einem Jahr hat auch Europa in einen dunklen Schatten gehüllt. Das Abschlachten jüdischen Lebens und die darauffolgende Gewaltexplosion im Nahen Osten lieferten alle Zutaten für eine neue Terrorwelle. Eine traurige Zwischenbilanz.
Dass die Gefahr dschihadistischer Anschläge in den vergangenen zwölf Monaten rasant gestiegen ist, ist nicht nur ein flaues Gefühl. Es ist bittere Realität und lässt sich mit Zahlen belegen. Neun Menschen haben dem Terrorforscher Peter R. Neumann zufolge seit dem 7. Oktober auf europäischem Boden ihr Leben an Islamisten verloren.
Das Mittel der Wahl waren dabei Messer, die Tatorte folgten keinem stringenten Muster: Terroristen rissen etwa Besucher eines Stadtfestes, Aktivisten auf einem Marktplatz, einen Lehrer im Unterricht oder einen Touristen während eines Städtetrips in Paris aus dem Leben.
Gefahr mehr als verfünffacht
Neumann kommt in seiner Untersuchung auf 36 durchgeführte oder geplante dschihadistische Anschläge in den vergangenen zwölf Monaten. Elfmal wurde der Plan auch in eine Tat umgesetzt. In den anderen Fällen konnten die Behörden vorher zugreifen und Schlimmeres verhindern.
Zum Vergleich: Europol zählte für das Jahr 2022 insgesamt zwei durchgeführte und vier vereitelte Terroranschläge von Islamisten. Selbst wenn Rechts- und Linksterrorismus in die Gleichung miteinbezogen werden, waren es „nur“ 28 Anschläge (16 durchgeführt, zwölf vereitelt) – und damit deutlich weniger terroristische Aktivität als seit dem 7. Oktober.
Wir leben in polarisierten Zeiten
Mit dem Wiederaufflammen des Nahost-Konflikts schwappte eine neue Terrorwelle Richtung Europa. Neumann zufolge geraten vor allem deutschsprachige Nationen ins Visier der Gewalttäter. Mehr als die Hälfte aller Anschlagsbemühungen entfallen auf Deutschland, Österreich und die Schweiz.
Zur Erhebung
- Neumann untersuchte hierfür alle gemeldeten Fälle in EU-Staaten, die bereits vor 2004 Mitglied waren – inklusive Norwegen und der Schweiz.
- Das heißt: Islamistische Terroranschläge in Russland oder der Türkei wurden nicht mitgezählt. Der Fokus liegt auf Westeuropa.
- Neben durchgeführten Anschlägen wurden nur Vorfälle einbezogen, wo die Vorbereitungen entsprechend fortgeschritten waren.
Das Täterprofil bereitet Anlass zur Sorge: Speziell junge Menschen werden von Hasspredigern einer Gehirnwäsche unterzogen und zu blutigen Taten angestiftet. Im Zentrum der Radikalisierung stehen dabei soziale Medien wie die chinesische Plattform TikTok. Vor allem die jüngsten Fälle in Österreich zeigen, dass dieser Prozess häufig in Kinderzimmern beginnt.
Sowohl bei den vereitelten Anschlägen auf die Wiener Konzertreihe von Superstar Taylor Swift als auch bei der Attacke auf das israelische Generalkonsulat in München legten junge Österreicher mit migrantischem Hintergrund den Treueschwur auf den Islamischen Staat (IS) ab.
„Auf diese Zielgruppe müssen sich Prävention, Frühwarnsysteme, Beobachtung und Repression besonders konzentrieren“, erklärte Neumann in einem Blogpost zu den jungen Tätern, die er „TikTok-Terroristen“ nennt.
In Deutschland ist dagegen der Bereich Asyl und Flucht überproportional stark betroffen: Von 45 dschihadistischen Terroristen in den vergangenen acht Jahren waren laut Neumanns Erhebung 40 Asylbewerber oder Flüchtlinge. Das sind laut Statistik gerade mal 0,002 Prozent aller seit 2016 angekommen Menschen, das Problem wird dadurch dennoch nicht kleiner.
Jüdisches Leben wird wieder bedroht
Eine weitere dunkle Erkenntnis ist, dass Jüdinnen und Juden in Europa wieder um ihr Leben fürchten müssen. Nach dem Hamas-Terror wurden etwa in Deutschland Wohnadressen mit dem Davidstern markiert. Bei Demonstrationen in Hamburg wurde ein „Kalifat“ ausgerufen. Und auch die Forderung nach der Vernichtung Israels („From the river to the sea“) scheint in linken Milieus wieder salonfähig zu sein.
Ebenfalls auffällig: In ganz Europa wurden jüdische Studenten schikaniert und ihre Teilnahme am Unterricht teilweise von Kommilitonen verhindert.
„Mehr als ein Drittel der Anschläge und Anschlagsplanungen (36 Prozent) richteten sich ganz oder teilweise gegen Juden, jüdische Institutionen oder Israel“, weiß auch Experte Neumann zu berichten.
Es könnte noch schlimmer werden
Seit dem 7. Oktober mutierte der Nahostkonflikt zu einem Flächenbrand, der sich nicht mehr auf den Gazastreifen beschränkt. Israel hat seinen Fokus mittlerweile auf den Libanon verlagert und weitere Märtyrer produziert. Den israelischen Streitkräften ist es beispielsweise gelungen, den Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah zu töten, der weit über die Grenzen des Libanon hinaus gottgleich verehrt wurde.
Der Iran hat bereits zwei Mal aktiv Raketen Richtung Israel geschossen und auch in Syrien und im Jemen werden mittlerweile die Messer gewetzt. Europäische Regierung scheitern aktuell an dem Spagat, das humanitäre Leid in der Region zu kritisieren – ohne die Allianz zu Israel zu strapazieren.
Neumann: Es ist nicht zu spät!
Doch es gibt auch gute Nachrichten: Der Vergleich mit 2022 macht deutlich, dass die Behörden Anschläge viel häufiger vereiteln können. Nämlich mindestens zwei von drei. Neumann: „Es stimmt also nicht, dass diese Art von Terrorismus nicht zu verhindern sei. Natürlich gibt es keine hundertprozentige Sicherheit, aber die Trefferquote der Sicherheitsbehörden ist hoch und kann weiter gesteigert werden.“
Neumanns Botschaft: Es ist nicht zu spät! „Terroristische Wellen erreichen typischerweise nach zwei oder drei Jahren ihren Höhepunkt. Und es gibt keinen Grund, weshalb diese Welle so verheerend sein muss wie die letzte.“ Dafür muss allerdings jetzt gehandelt werden!
Hinweis der Redaktion: Die aktuellen Vorkommnisse in Schweden sind in diesem Artikel nicht berücksichtigt worden, da zu den Hintergründen der Schießerei zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch zu wenig bekannt war.
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.