Mit Richard Wagners „Tannhäuser“ startete die Grazer Oper in die Saison. Chefdirigent Vassilis Christopoulos sorgte für ein musikalisches Ereignis, Regisseur Evgeny Ivanov für eine überraschende Inszenierung und das Ensemble für Jubel.
Versifft und im Drogenrausch in seiner selbst gewählten Isolation oder als Partycrasher in der hehren Halle des Landgrafen, irgendwie scheint der einst umjubelte Sänger Tannhäuser in der Lesart von Regisseur Evgeny Titov keinen Fuß mehr auf die Erde zu kriegen.
Ob am Venusberg, der nur in seiner vernebelten Einbildung existiert, oder auf der Pilgerreise nach Rom, die Erfüllung bleibt ihm stets verwehrt. Mit den engen Moral- und Wertvorstellungen seiner Umwelt kommt der exzessive Künstler nicht zurecht. Ohne sie allerdings auch nicht. Also sehnt er sich immer nach dem, was er gerade nicht hat. Damit ist er freilich auch ein Abbild unserer eigenen Unzufriedenheit.
Mit Evgeny Titov hat Ulrich Lenz einen gehypten Regisseur unserer Tage nach Graz geholt. Das schraubte die Erwartungen hoch! Doch der gebürtige Kasache überraschte mit einer fast schon konventionellen Ausdeutung sehr nah am Werk. Unterschwellig bahnte sich freilich das Bild einer Gesellschaft, die bereits vom Rand in den Abgrund gestürzt ist, seinen Weg und hinterließ trotz eines poetischen Schlussbildes einen Stachel im Wohlgefallen über diesen Abend.
Dieses düstere Grundgefühl unterstützte auch Christian Schmidts Bühnenbild mit dem unter den Füßen weggebrochenen Boden, einem Abgrund, in dem nur Verzweiflung und Leere zu finden sind. Weniger ansprechend sind die Kostüme von Esther Bialas.
Aufregendes kam aus dem Orchestergraben, wo Vassilis Christopoulos mit den Grazer Philharmonikern (allen voran den ausgezeichneten Bläsern) ein musikalisches Fest bereitete. Differenziert und hochemotional gestaltete man hier ein Seelendrama, das zurecht heftig bejubelt wurde. Auch die Chöre leisteten Außergewöhnliches.
Ein Sängerfest mit Überraschungen
Und der Abend ist auch ein Sängerfest. Erica Eloff gab ein eindrucksvolles Rollendebüt als Elisabeth, überzeugt mit lautem Jubel ebenso wie mit leisten Tönen. Die Überraschung des Abends war aber Neo-Ensemblemitglied Nikita Ivasechko als Wolfram von Eschenbach. Seinen mit ungemeiner Farbigkeit ausgestatteten Bariton führte er mit einer erstaunlichen Leichtigkeit durch die Klippen dieser Partie. Das gelang Samuel Sakker in der Titelrolle nicht besonders gut. Am Anfang unsicher und später mitunter überfordert, fand er sich auch in der deutschen Sprachmelodie nicht wirklich zurecht.
Hervorragend die Leistungen des Hausensembles, aus dem Wilfried Zelinka als Landgraf und Mareike Janowski als Venus herausragen. Der Grazer Oper jedenfalls gelang mit diesem „Tannhäuser“ ein starker Start in die Saison.
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