War es eine fahrlässige und unverantwortliche Tat oder eine unvorhergesehene, problematisch verlaufende Sturzgeburt? Das gilt es im Prozess gegen eine 38-jährige vierfache Mutter am Landesgericht Wels (OÖ) zu klären. Denn ihre inzwischen einjährige Tochter ist durch den Verlauf der Geburt schwerst behindert.
„Fahrlässig“, „verantwortungslos“ – so nennt die Staatsanwältin in ihrem Eingangsplädoyer das Verhalten der Angeklagten. Sie habe sich explizit gegen die Einleitung der Geburt und am Ende gegen eine engmaschige Kontrolle ausgesprochen, obwohl das Baby wegen Steißlage zweimal gewendet werden musste und die werdende Mutter (38) über die Risiken für sie und das Kind aufgeklärt war.
„Das Kind könnte ganz gesund sein“, sagt die Staatsanwältin. Doch das Mädchen konnte mehrere Tage nicht alleine atmen, bis heute nicht richtig schlucken, ist physisch und psychisch schwer behindert.
„Unschuldig und auch nicht fahrlässig“
Der Verteidiger hält dagegen, dass seine Mandantin nicht die Schulmedizin ablehnt und es ein „unvorhersehbarer schicksalhafter“ Verlauf war. „Rückblickend hätte ich vieles anders gemacht“, sagt die Angeklagte in der ersten Vernehmung, bekennt sich aber nicht schuldig und sieht auch keine Fahrlässigkeit gegeben.
„Badezimmer in Kreißsaal verwandelt“
Die Staatsanwältin führte aus, dass die Angeklagte zwei ihrer drei anderen Kinder auch in Alleingeburten zur Welt gebracht hatte. Der Anwalt hält dagegen, dass es beim Sohn eine Sturzgeburt gewesen sei und für den Weg ins Spital keine Zeit mehr war. Bei der zweitjüngsten Tochter zwar eine Hausgeburt geplant war, aber die Hebamme zu spät kam, weil sie zur Zeit der Geburt eine andere Frau betreute.
Kamera im Badezimmer
Die Staatsanwältin führte weiter aus, dass aber bei der Geburt des vierten Kindes die Mutter „das Badezimmer in einen Kreißsaal verwandelt“ und „mit Handtüchern ausgelegt“ habe, auch eine Kamera sei auf der Waschmaschine platziert worden. „Dies war nur, um sie aufzuladen“, so die Angeklagte, es war nicht geplant, die Geburt zu filmen – die Kamera sei aber inzwischen kaputt und nur noch ein Kinderspielzeug. Der Anwalt sagt, dass keine Hausgeburt geplant war, die Geburt nach dem Duschen unvorhersehbar rasch passiert sei und bezweifelt, dass seine Mandantin emotional die Möglichkeit hatte, noch per Handy Alarm zu schlagen.
„Es hat einen Platscher gemacht“
„Ich habe immer Handtücher im Bad liegen“, sagt die Mutter und nach dem Duschen „hat es einen Platscher gemacht“ – damit ist der Blasensprung gemeint gewesen. Ihr Handy sei nicht im Bad gelegen – „ich weiß nicht, warum ich es nicht ins Bad mitgenommen habe“. Allgemein könne sie sich nur schwer an die Geburt erinnern. „Nur dass ich mich kaum rühren konnte und irgendwann der Körper herausgeschaut hat“ und „sich das Kind nicht bewegt hat, als es da war“, berichtet die Angeklagte unter Tränen. Wie sie dann zum Handy kam, um den Kindesvater anzurufen, weiß sie auch nicht. Sie hätte ihn angerufen, weil sie wusste, dass der Kindsvater Sanitäter ist und „weiß, was zu tun ist“. „Aber ich wusste, dass es ein Notfall war und ich die Rettung brauche.“
Nur, dass ich mich kaum rühren konnte und irgendwann der Körper herausgeschaut hat.
Erinnert sich die Angeklagte vor Gericht
Kindesvater belastet Mutter
Die Richterin befragt die Angeklagte, ob eine Hausgeburt geplant war. Das verneint sie, doch in einem ärztlichen Protokoll steht, dass diese geplant war: „Daran kann ich mich nicht erinnern.“ Laut Staatsanwältin lehnte auch der Kindesvater und Ex-Lebensgefährte ab, bei der Geburt zu helfen, weil die werdende Mutter nur ihn beiziehen wollte. „Dann mache ich es eben ganz alleine“, soll er als Antwort bekommen haben und wird beim Prozess auch als Zeuge befragt werden. „Das stimmt so nicht“, sagt die Angeklagte, die betont, dass die Beziehung zu ihrem „Ex“ schwierig sei. Am Tag der Geburt habe sie ihm auch nicht aufgetragen, mit den anderen drei Kindern wegzufahren, nur, dass er sich „kümmern“ soll, weil sie in der Nacht nicht gut schlafen konnte und müde war. Dass es Widersprüche in seinen und ihren Angaben gibt, begründet die Angeklagte damit, dass der Kindsvater nicht Deutsch als Muttersprache hat und er einiges vielleicht falsch aufgefasst habe und er „das Kind gar nicht wollte“.
„Haben Sie keine Vorbereitungen getroffen?“
„Das Wort letal steht zweimal im Protokoll“, hält die Richterin der Angeklagten vor, die aus Protokollen mehrerer Ärzte zitiert, in denen die 38-Jährige über die Risiken für Mutter und Kind aufgeklärt worden seien und fragt, warum trotz bevorstehendem Geburtstermin keine Pläne für die Versorgung der anderen drei Kinder getroffen worden wären. Besonders, weil sie es ablehnte, die Geburtseinleitungen bei zwei Kontrollterminen im Linzer Kepler Uniklinikum binnen dreier Tage vorzunehmen. „Weil es keine Kinderbetreuung gab“, „Weil die Tochter Geburtstag hat“, steht in den Protokollen. „Sie haben binnen drei Tagen es nicht geschafft, eine Versorgung der beiden anderen kleinen Kinder zu organisieren, wie hätten Sie es gemacht, wenn die Geburt spontan eingetreten wäre?“, fragte die Staatsanwältin. Die Mutter unter Tränen: „Ich hätte durchgerufen.“
Antrag auf Ablehnung des Gutachters
Im Laufe des Verhandlungstages sollten mehrere Zeugen, der Kindsvater und Ärzte, gehört werden. Ein weiterer Zeuge, ein Feuerwehrmann, entschuldigte sich beim Prozess. Daher wurde dieser vertagt. Der Anwalt beantragte auch drei weitere Zeuginnen, Freundinnen der Angeklagten, die aussagen sollen, dass keine Hausgeburt geplant war, sondern eine Geburt im Spital.
Ein Antrag der Verteidiger, den medizinischen Gutachter abzulehnen, weil er Stationsleiter ist und um die Anzeige gegen die Mutter wusste, wurde abgelehnt. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft auf Körperverletzung mit schwerer Dauerfolge hat eine Strafdrohung von ein bis zehn Jahre Haft, die Angeklagte ist bisher unbescholten, es gilt die Unschuldsvermutung. Am 8. November wird weiterverhandelt.
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