„Sie hatte Angst vorm Krankenhaus“, so begründet beim Prozess gegen eine 38-Jährige in Wels der Ex-Lebensgefährte (41), warum die Mutter seiner drei Kinder keines davon im Kreißsaal bekommen hatte. Zweimal war alles glattgegangen, die dritte Geburt lief schief, das Kind ist schwer beeinträchtigt. Deshalb muss sich die Frau jetzt vor Gericht verantworten.
„Sie hat bei der Geburt alles falsch gemacht, aber ich will nicht, dass sie bestraft wird. Nur, dass sie die Wahrheit sagt“, gab der Kindesvater nach der fatalen Hausgeburt, bei der seiner Tochter die Nabelschnur abgedrückt wurde und sie deshalb heute behindert ist, bei der Polizei zu Protokoll. Und er bleibt auch vor Gericht dabei. Die Aussage des Belgiers beim Prozess am Montag in Wels war aber nicht ganz durchgängig, da es unklar blieb, ob die Geburt des ersten Kindes – ein Sohn – auch tatsächlich als Hausgeburt geplant war, denn man sah sich vorher im Spital Grieskirchen den Kreißsaal an.
Laut Vater soll seine Ex damals zu Hause gerufen haben: „Stell die Kamera auf“, nachdem die Geburt eingesetzt hatte. Auch bei der Problem-Geburt der dritten Tochter sei eine Kamera gesehen worden. Dass die Geburt des zweiten Kindes als Hausgeburt geplant war, ist unstrittig. Jedoch ist nicht klar, inwieweit die Kommunikation mit der Hebamme gegeben war. „Sie hat Angst vorm Krankenhaus“, sagte der Kindsvater aus und sprach von einer nicht näher erläuterten und für seine Ex-Partnerin schlimmen Begebenheit bei der Geburt ihrer ersten Tochter, die von einem anderen Mann ist.
Fragliche Zettel und Kamera
Der Kindsvater sagte auch aus, dass er gehört hatte, dass seine Ex ihrer Mutter nach der Geburt gesagt habe, dass diese „Zettel vernichten“ solle. Bei der Polizei sagte er sogar, sie habe ihrer Mutter aufgetragen, dass sie „alles verschwinden lassen“ soll. Was damit genau gemeint war, wusste er aber nicht. Die Mutter sagte im Zeugenstand, dass sie davon nichts wisse, nur dass ihre Tochter sie gebeten hätte, in der Wohnung nach der Geburt aufzuräumen. Eine Kamera habe sie im Bad nicht gesehen oder weggeräumt. „Die hatte ich schon in der Tasche fürs Spital“, warf die Angeklagte ein. Und bei einem Telefonat kurz vor der Geburt habe ihre Mutter nicht mitbekommen, dass sich das Kommen des Babys schon ankündigt. Eine Dreiviertelstunde später war es da.
„Es lagen mehrere Gründe für Geburtseinleitung vor“
Vorm Kindsvater waren zwei Ärzte und zwei Ärztinnen des Kepler Uni-Klinikums im Zeugenstand. So richtig erinnern konnte sich niemand an die Patientin: „Wir sehen pro Tag mehr als 20 Patientinnen“, sagte ein Mediziner aus. Doch anhand der damals ausgefertigten Protokolle - es gab zwei Wendungen des falsch liegenden Kindes, Aufforderungen zur Geburtseinleitung und Ablehnungen der werdenden Mutter - bestätigten alle, dass es medizinisch als notwendig erachtet wurde, dass die Geburt eingeleitet wird: Nach der Wendung wäre das Baby zwar richtig gelegen, danach drohte aber eine neuerliche Drehung, der errechnete Geburtstermin war schon überschritten, das Baby war groß.
„Normal gibt es immer nur einen Grund für eine Einleitung, hier lagen mehrere vor“, so eine Oberärztin. Dass die werdende Mutter sich immer gegen die Einleitung aussprach, weil sie niemanden für die minderjährigen Kinder hatte, ist einer der Hauptkritikpunkte in der Verhandlung – erst ab 8. August hätte sie ihre Mutter für einige Tage „eingeteilt“ gehabt. Das Baby kam aber schon am 6. August. „Erst am 8. war ich bereit“, sagte die Mutter aus. Ob sie schon vorher auf Abruf war, weil der errechnete Geburtstermin der 2. August gewesen wäre: „Nein.“ Dass eine Hausgeburt geplant gewesen sei, hätte sie nicht gewusst. „Ich habe die Lage falsch eingeschätzt“, sagt die Angeklagte.
„Es bleiben nur wenige Minuten“
Ein Geburtshilfe-Sachverständiger, Primar am Kepler-Klinikum, konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob das Kind gesund wäre, falls sofort nach dem Geburtsstart die Rettung gerufen worden wäre: „Es kommt darauf an, wie schnell die Rettung da ist. Aber wenn die Nabelschnur abgedrückt wird, bleiben nur wenige Minuten, ehe eine Schädigung eintritt.“ Aber er sprach davon, dass es nicht so schnell gegangen sein dürfte, dass es keine Möglichkeit gegeben habe, einen Anruf abzusetzen. Da der Primar bei der Anzeigerstattung gegen die Angeklagte involviert war, wollte der Verteidiger ihn ablehnen. Fix sei, dass die Schädigung des Kindes aber erst bei der missglückten Geburt passiert war.
Ein zweiter Sachverständiger begutachtete das Mädchen und diagnostizierte schwere dauerhafte Schädigungen. „Die meisten 14 Monate alten Kinder können in diesem Alter schon sitzen, beginnen zu sprechen“, sagt der per Videochat zugeschaltete Mediziner, doch das Mädchen sei weiterhin auf Sondenernährung angewiesen, habe Bewegungsstörungen von Armen und Beinen, könne nicht sitzen und hätte bei der Untersuchung kein soziales Lächeln gezeigt und habe auch keinen Augenkontakt gesucht. Ob das Kind durch eine rascher eingeleitete Rettungskette vielleicht weniger Ausfälle hätte, konnte der Mediziner nicht sagen: „Aber jede Verkürzung der Zeit mit Sauerstoffunterversorgung ist positiv.“ Die Mutter und Angeklagte hörte stoisch den Ausführungen zu, kämpfte aber mit den Tränen.
Zeuge fehlte – Vertagung
Ein weiterer Zeuge, ein Feuerwehrmann, der mit dem Kindesvater nach der Geburt noch vor der Rettung bei Mutter und Kind – dieses hing noch an der Nabelschnur, war aber wegen des Sauerstoffmangels blau-grau am ganzen Körper – war, entschuldigte sich beim Prozess. Daher wurde dieser vertagt, unter anderem deshalb, weil dieser auch die Kamera im Bad gesehen haben will. Der Anwalt beantragte auch drei weitere Zeuginnen, Freundinnen der Angeklagten, die aussagen sollen, dass keine Hausgeburt geplant war, sondern eine Geburt im Spital. Am 8. November wird weiterverhandelt.
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