„Krone“-Interview

Myles Kennedy: Mit Reife zur Entspannung gefunden

Musik
10.10.2024 09:00

Nach zwei reinen Konzeptalben hat sich Alter Bridge- und Slash-Sänger Myles Kennedy für sein Soloprojekt vom starren Korsett gelöst und lässt ungebremst die Rock-Gitarre shreddern. Im ausführlichen „Krone“-Gespräch erklärt der 54-Jährige, wie er seine innere Ruhe fand, warum er keinen Druck mehr verspürt und was an der „Kunst des Gehenlassens“ heilsam ist.

(Bild: kmm)

Alter Bridge, die Sänger-Tätigkeit bei Rocklegende Slash oder sein Soloprojekt – kaum ein Musiker liefert mit derart fleißiger Beharrlichkeit Top-Produkte in solcher Regelmäßigkeit ab wie Myles Kennedy. Mit „The Art Of Letting Go“ veröffentlicht der Ausnahmesänger nun sein drittes Solowerk und zeigt kompositorisch und musikalisch auch weiterhin keinerlei Ermüdungserscheinungen. Beeindruckend dabei ist immer wieder, wie scheinbar mühelos er all diese Projekte unter einen Hut bringt. „Ich habe immer eine Idee, was als Nächstes kommt“, erklärt er uns im „Krone“-Interview in Berlin, „mein Manager Tim scherzt gerne darüber, dass ich jammere, weil ich immer Angst habe, nichts auf die Reihe zu kriegen. Als Künstler hat man schnell Angst vor einer Schreibblockade, wenn man einen Plattenvertrag hat, aber das Universum war bislang immer gut zu mir und leitet mich stetig zu neuen Momenten der Inspiration.“

Unter Druck am besten
Die kurze Zeitspanne, die Kennedy für seine Projekte bleibt, ist oft sogar ein Vorteil. Mittlerweile ist er ein deklarierter Freund von Deadlines und arbeitet unter Druck am besten. „Von Jänner bis Mai haben wir an den Songs gearbeitet. Den Druck mache ich mir aber schon selbst. Von zehn Ideen halte ich im Durchschnitt eine für wertvoll genug, sie weiterzuverfolgen. Aber wir haben für ,The Art Of Letting Go‘ auch nur zehn Songs gemacht. Was bringt es, wenn man 14 auf ein Album packt und mit der geringen Aufmerksamkeitsspanne heutzutage keiner mehr so lange zuhört? Ich will weder meine noch die Zeit der Hörer verschwenden.“ Nach „Year Of The Tiger“ und „The Ides Of March“, die sich inhaltlich um seinen verstorbenen Vater und die verrückte Weltlage im Allgemeinen drehten, hat Kennedy erstmals kein Konzeptwerk gemacht. Schuld daran war ausgerechnet sein Tourbusfahrer.

„Ein toller Typ, der auch richtig gut Gitarre spielt. Wir haben einmal zwanglos gequatscht und er meinte, wenn ich jedes Mal auf ein übergeordnetes Konzept bauen würde, würde die Sache langsam redundant werden. Das war eigentlich ein guter Punkt, den ich vorher noch nicht beleuchtet hatte. Drum-Techniker Mick, der ein menschliches Lexikon der Musik ist, hat auch aktiv eingegriffen. Am Ende hätte ich das neue Album ,Conversations With Bus Drivers And Drum-Techs‘ nennen sollen“, lacht der 54-Jährige, „das hätte wesentlich besser gepasst.“ Der Albumtitel ist gleichzeitig auch ein Mantra für den veränderten und erneuerten Lebensinhalt des Sängers. „Die Kunst des Gehenlassens“ beruft sich mitunter darauf, sich nicht zu sehr an materiellen Dingen festzukrallen („Nothing More To Gain“) oder einfach sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen.

Endlich loslassen
„Ich gehe einfach mit dem Flow, lasse mich heute weder von meinem eigenen Ego, noch von Erwartungen von außen beirren“, so der Amerikaner, „ich bin jetzt seit 21 Jahren mit meiner Frau Selena verheiratet, das war das Allerbeste, das mir je passieren konnte. Als ich sie kennenlernte, war ich noch in meinen 20ern und ein ganz anderer. Ich habe viel Mist gebaut, aber auch viel daraus gelernt. Ich kann Dinge heute viel leichter gehenlassen, es ist für mich in allen Bereichen viel leichter, loszulassen.“ Losgelassen hat Kennedy auch musikalisch. Die tiefschürfenden Blues-Einsprengsel des Vorgängers sind dieses Mal kaum zu vernehmen. „Ich liebe Blues, Roots-Rock und Americana, aber ich wollte ein richtiges Rock-Album machen. Teil des letzten Songs ,How The Story Ends‘ klingen wie Alter Bridge, aber die Jungs in meiner Band haben dann gesagt, das wäre doch egal, machen wir einfach. Auch hier haben wir alles fließen und gehen lassen.“

Durch das geringe Zeitkontingent wurde „The Art Of Letting Go“ auch mehr Bandalbum als Solo-Projekt. Kennendy spielte etwa die ersten Drum-Parts ein und sorgte für die Sketches, die Band hatte freie Hand, darauf zu spielen und die Songs zu verbessern. „Einige der Songs auf dem Album gehen Hand in Hand mit meiner persönlichen Reise und Entwicklung. In vielerlei Hinsicht sind die Lieder auch eine Warnung an mich selbst, im Moment zu leben und Fehler von früher nicht zu wiederholen.“ Alter Bridge haben vor exakt 20 Jahren ihr erstes Album herausgebracht. Die Gedanken an die Vergänglichkeit sind auch bei Kennedy angekommen. „Wahnsinn, wie schnell die Zeit verging. Andererseits sind wir als Band aber noch immer zusammen und gemeinsam unterwegs. Wir haben Spaß an der Musik und respektieren uns genauso wie früher. Dasselbe mit Slash. Den Song ,Starlight‘ haben wir vor 15 Jahren geschrieben – unglaublich. Wir alle sind noch immer da und wie Brüder - das ist doch wirklich schön an der Sache.“

Nicht mehr zu viel Selbstkritik
Kennedy denkt dabei unweigerlich auch an die nächsten 20 Jahre, die ihn altersmäßig zumindest in die Nähe der Rolling Stones rücken. „Wenn ich sehe, dass die Jungs noch immer mit solchem Feuereifer dabei sind, fühle ich mich selbst auch gleich viel besser“, lacht er, „sie haben alles richtig gemacht. Sie haben das Level nach oben verschoben und nicht aufgehört. Jedes Jahr zeigen sie allen anderen, warum sie die Besten sind. Ich bin in meinem Leben an einem Punkt angekommen, wo ich mich nicht mehr beweisen will und muss. Ich war früher so selbstkritisch und hart zu mir, dass es ungesund war. Es hat meiner Psyche geschadet, doch darüber bin ich mittlerweile hinweg. Auch da spielt die ,Kunst des Gehenlassens‘ wieder rein – entspann dich, lass es sein, stresse dich nicht zu Tode.“

Der gelungene Song „Say What You Will“ ist weniger ein Statement, um im trumpistischen Amerika noch mehr Redefreiheit zu verbreiten, sondern hat vielmehr mit Social Media zu tun. „So viele Leute hängen Tag und Nacht hinter ihren Tastaturen und lassen Dampf ab. Unreflektiert und beleidigend. Natürlich können sie sagen, was sie wollen, aber es ist auch unser Recht, das zu ignorieren.“ Einige aktive Scrolling-Monate auf Twitter haben Kennedy einst die Lust auf soziale Netzwerke verdorben. Facebook wird von seinem Management bedient, auf Instagram ist er kaum noch vorhanden. „Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich in der Zeit auf diesen Plattformen auch Gitarre spielen und Songs schreiben kann. Ein wesentlich sinnvollerer Zeitvertreib.“

Vorfreude auf Österreich
Dass sich gerade jüngere Acts bemüßigt fühlen, auf Social Media aktiv zu sein, versteht Kennedy. „Die Zeiten sind heute andere und junge Leute glauben, das wäre genauso wichtig wie ein guter Song. Wer weiß? Vielleicht stimmt das auch so? Ich habe das Glück, dass ich mir über die letzten 25 Jahre so etabliert habe, dass mir ein Publikum folgt und uns unterstützt. Das ist alles nicht mehr so leicht.“ Leicht fällt Kennedy hingegen das Touren. Im November stellt er „The Art Of Letting Go“ in der Wiener Arena vor. Auf die Bundeshauptstadt freut er sich besonders. „Selena und ich lieben die Stadt, das ist kein leeres Gerede. Jeder, der uns kennt, weiß, dass Wien zu unseren Lieblingsorten auf dem Planeten zählt. Letztes Mal waren wir in der Oper und sind die Ringstraße entlangspaziert.“ Bleibt noch genug, um weitere Plätze in Wien zu entdecken ...

Live in Wien
Kein Faschingsscherz – am 11. November gastiert Myles Kennedy mit seinem neuen Album in der Wiener Arena. Unter www.oeticket.com gibt es Tickets für das Konzerthighlight. Er wird auch weitere Klassiker aus seinem bunten Œuvre zum Besten geben.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.



Kostenlose Spiele
Vorteilswelt