Scooter sind auf riskanter Überholspur im urbanen Raum: 6000 E-Roller-Fahrer mussten im Vorjahr nach Stürzen im Spital behandelt werden. Experten fordern Helmpflicht sowie eine Drosselung der Höchstgeschwindigkeit. Immer mehr europäische Städte verbannen die Leih-Scooter.
Für die einen sind Elektroroller eine moderne Form der Mobilität, andere sehen darin eine enorme Gefahr. Fakt ist, sie flitzen nicht selten über Gehsteige und Schutzwege und gefährden Fußgänger und andere Verkehrsteilnehmer. Im Vorjahr wurden 1762 Verkehrsunfälle registriert, bei denen E-Scooter im Spiel waren und für die die Polizei ausrücken musste. Die Dunkelziffer ist höher. Wie beim Radfahrer mangelt es natürlich an einer Haftpflichtversicherung.
Drei Viertel der Unfälle aus Selbstverschulden
Drei Viertel der Unfälle sind auf Selbstverschulden zurückzuführen. Zu den Hauptursachen zählen Fehleinschätzung der Bodenbeschaffenheit, der Geschwindigkeit sowie des Fahrverhaltens des E-Scooters genauso wie Unachtsamkeit und Ablenkung.
Beachtliche zwölf Prozent entfallen auf Alkohol- und Drogenmissbrauch. Also fast jeder achte Zwischenfall passiert im Rausch. Trugen noch 2022 an die 3600 Scooter-Fahrer bei Stürzen so schwere Blessuren davon, dass sie in einer Unfallambulanz landeten, waren es im Vorjahr laut Kuratorium für Verkehrssicherheit bereits 6000. Offene Wunden, Prellungen oder gar Knochenbrüche sind keine Seltenheit. Am häufigsten betrifft es Handgelenke, Finger, Unterarme, Schulter, Knie und Kopf. Trotzdem gibt es noch keine Helmpflicht für die schnellen Roller.
Finanzminister riss eine Brezn mit Roller
Es sind aber nicht unbedingt nur die jungen Städter, die an der neuen Fortbewegungsart Gefallen finden. Auch Finanzminister Magnus Brunner ist auch einer, den es erwischt hat. Als er nach der Parlamentseröffnungsfeier auf das Auto mit Chauffeur verzichtete und umweltfreundlich nach Hause fuhr, riss er eine Brezn. Der Minister zog sich Kopfverletzungen zu und musste im Spital behandelt werden.
„Wir fordern 20 km/h, Helmpflicht sowie zwei Bremsen, Glocke bzw. Hupe wie beim Fahrrad“
Klaus Robatsch, Leiter der Verkehrssicherheit im KfV
Derzeit darf man mit 25 km/h unterwegs sein. Als besonders riskant gilt der Einsatz von Leihsystemen. Der Ruf nach einer Art „Führerschein“ wird immer lauter. Denn bei einem Unfall bleibt auch der schuldlose Autofahrer auf dem Schaden sitzen, da E-Scooter-Fahrer keine Haftpflichtversicherung haben.
Paris gibt Leihsystem eine Abfuhr
Viele Städte verzichten bereits darauf. So haben sich die Pariser klar gegen Leih-Scooter ausgesprochen. In Deutschland preschte Gelsenkirchen mit einem Verbot vor. In den Niederlanden sind Elektroroller in der Regel bis auf wenige Ausnahmen nicht erlaubt. Und auch in Großbritannien sind E-Scooter im öffentlichen Verkehrsraum generell verboten.
ÖAMTC-Verkehrstechniker David Nosé im Interview
„Krone“: Was macht die E-Scooter im heimischen Straßenverkehr so gefährlich?
David Nosé: Hier spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Neben den fahrdynamischen Besonderheiten (hoher Schwerpunkt, kleine Räder, komplexe Abbiege- und Notbremsmanöver) sind es v. a. das fehlende Risikobewusstsein sowie mangelnde Regeltreue und -kenntnis, welche sicherheitstechnische Einbußen generieren. Vielfach wird unterschätzt, dass sich E-Scooter deutlich von den Fahreigenschaften eines Fahrrades unterscheiden.
Wie könnte man die Gefahren reduzieren?
Als wichtigste Maßnahme ist hier die Aneignung einer entsprechenden Fahrroutine sowie die Wahl einer defensiven Fahrweise zu nennen. Sich vor erstmaligem Fahrtantritt mit dem Fahrzeug auseinanderzusetzen sowie im Idealfall im verkehrsfreien Raum zu üben wären wichtige Aspekte. Zudem appellieren wir immer daran, einen Helm zu tragen, niemals mit mehreren Personen zugleich auf dem E-Scooter unterwegs zu sein oder alkoholisiert bzw. unter Drogen- oder Medikamenteneinfluss zu fahren, in der dunklen Jahreszeit helle Kleidung zu tragen und nur dafür vorgesehene Verkehrsflächen zu nutzen.
Soll es Ihrer Meinung nach künftig eine Helmpflicht geben?
Eine Helmpflicht wäre mitunter kontraproduktiv für die Förderung einer nachhaltigen (Micro-)Mobilität im städtischen Bereich. Wir unterstützen aber jegliche Art von Kampagnen zum Tragen eines Helms.
Soll es – wie in anderen Städten – überhaupt ein Verbot geben, zumindest von Leih-Scootern?
E-Scooter per se sind nicht gefährlich – jedoch verlangen sie ein höheres Maß an Fahrfertigkeiten sowie Bewusstsein für den Umgang mit diesen Gefährten. Leih-Scooter-Anbieter wurden bereits damit beauftragt, strengere Kontrollen ihrer Nutzer zu forcieren. Die meisten verunglückten E-Scooter-Fahrer sind zwischen 15 und 24 Jahre alt.
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