In der Walpurgisnacht, der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai, sollen Hexen auf ihren Besen zum jährlichen großen Hexentreffen geritten sein. Dieser Aberglaube kostete 70.000 Menschen das Leben.
Spätestens zur Mitte des 15. Jahrhunderts hatte sich der Glaube an die Existenz von Hexen endgültig durchgesetzt. Immer mehr Menschen waren nun überzeugt: Hexen gibt es wirklich; sie fliegen durch die Lüfte und ihr einziges Streben ist es, anderen zu schaden. Die Gefahr durch diesen neuen „Tatbestand der Hexerei“ – dazu gehörte: der Pakt mit dem Satan, Schadenszauber und schwarze Magie – für die Allgemeinheit wurde als so hoch eingestuft, dass man Hexerei in den Rang eines Ausnahmeverbrechens, eines „crimen exceptum“ erhob und auf eine Stufe mit Hochverrat, Totschlag und Mord stellte.
Nun gab es für jedes Unglück eine Schuldige
Nachdem die Hexerei zur Tatsache erhoben war, erfüllte sie einen Zweck: Schicksalsschläge, überraschende Todesfälle, Krankheiten, Unglück oder einfach nur alltägliches Missgeschick mussten jetzt nicht mehr in Ohnmacht und Gottvertrauen passiv hingenommen werden, nein, man konnte dafür nun einen Schuldigen ausmachen. Mit dem Vorwurf der Hexerei konnte man sich aber auch leicht seiner Nebenbuhler und Konkurrenten entledigen. Selbst gegen Mächtigere, mit denen man sich früher besser nicht angelegt hatte, besaß man plötzlich eine Waffe: Man brauchte nur deren Frauen der Hexerei zu verdächtigen.
Hexenverfolgungen entstanden nie aus dem Nichts heraus. Eine Hexenjagd konnte nur ausbrechen, wenn in dem betreffenden Gebiet bereits seit längerer Zeit eine Atmosphäre der Furcht und des Misstrauens herrschte. Den Stein ins Rollen brachte ein Einzelner oder eine Gruppe, die eine bestimmte Person aus ihrer Umgebung öffentlich des Schadenszaubers bezichtigten. Der erste Hexenprozess setzte dann ein nicht mehr zu kontrollierendes Schneeballsystem in Gang. Denn war einmal eine Hexe überführt, konnte erst recht keine Ruhe einkehren. Jede Hexe war ja dem Aberglauben nach Teil einer Hexensekte; wo eine ist, musste es also noch andere geben – und so ging nach dem ersten Opfer die Hexenjagd erst richtig los.
Bei Hexenprozessen konnte man viel Geld verdienen
Bei allen Verfolgungen gab es in der Geschichte auch immer jene, die daraus Vorteile zogen: in Form von finanziellem Gewinn, sozialem Aufstieg und neuer Macht. Während der Hexenverfolgungen waren es Gerichtspersonal, Notare und Schreiber, die finanziell am meisten an den Hexenprozessen verdienten. Ihnen kam auch eine Schlüsselrolle bei den leidvollen Verfahren zu: Sie begründeten Haft- und Folterbefehle, setzten Klageschriften auf und führten oftmals die Verhöre. Beachtung verdienen auch die Schöffen, die Laienrichter bei Prozessen. Diese kamen meistens aus dem gleichen Umfeld wie die angeklagten Frauen und Männer und richteten nun über Nachbarn und Bekannte – und nicht wenige lösten dabei Konflikte unter Ausnutzung ihrer neuen Macht.
Scharfrichter, die für die Folter und die Vollstreckung der Todesurteile verantwortlich waren und für jede Hinrichtung bezahlt wurden, hatten ebenfalls Hochkonjunktur. Da ihr Gewerbe oft ein Reisegewerbe war, lässt sich anhand der Reiserouten vieler Scharfrichter dieser Zeit die örtliche Ausbreitung von Hexenverfolgungen rekonstruieren. Die Wenigen, die es wagten, den Hexenwahn und die Verfolgung Unschuldiger laut zu kritisieren, lebten gefährlich. Schon der Aufruf zu Besonnenheit konnte eine Anklage wegen Hexerei nach sich ziehen.
Die meisten Opfer kamen aus Österreich und Deutschland
Die großen europäischen Hexenverfolgungen zogen sich vom 15. bis zum 18. Jahrhundert über einen Zeitraum von 300 Jahren – mit einem Höhepunkt um 1430 und einem weiteren zwischen 1560 und 1630. Rund 70.000 Menschen wurden hingerichtet, der Großteil Frauen, aber auch Männer. Die meisten Verfolgungen fanden im heutigen Deutschland, Österreich, der Schweiz und Frankreich statt. Ein kleinräumiges, dichtes Siedlungsmilieu erhöhte das Konfliktpotenzial und begünstigte Verfolgungen. In Städten konnten sich selbsternannte „Hexenjäger“ nicht so leicht durchsetzen wie in kleineren Gemeinden.
Die letzte Hinrichtung einer vermeintlichen Hexe in Europa fand 1782 in der Schweiz statt. Die Magd Anna Göldi wurde von Verwandten ihres reichen Dienstherrn beschuldigt, dessen kleine Tochter mit einem „Leckerli“ vergiftet zu haben, worauf das Kind angeblich wochenlang „Nägel und Eisendraht gespuckt“ hätte. Anna Göldis Hinrichtung durch das Schwert erregte weit über die Landesgrenzen hinaus für Aufsehen und sorgte im zunehmend aufgeklärten Europa für Entsetzen.
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