Der Ukraine-Krieg und Rekordschulden in Höhe von 458,5 Milliarden Euro belasten das Budget der Europäischen Union massiv. Auch ein weiterer negativer Trend verstärkt sich laut dem EU-Rechnungshof immer mehr: Die Fehlerquote bei den Ausgaben in diversen Politikbereichen steigt. Im Vorjahr sind laut Rechnungshof-Jahresbericht von den Gesamtausgaben aus dem EU-Haushalt in der Höhe von 191,2 Milliarden Euro knapp elf Milliarden Euro vorschriftswidrig geflossen.
Vorschriftswidrig heißt, dass Kofinanzierungen, Darlehen, nicht rückzahlbare Zuschüsse und Förderungen für bestimmte Projekte in den EU-Staaten geflossen sind, obwohl nicht alle EU-Vorgaben erfüllt waren oder nicht durch die auf staatlicher Ebene zuständige Behörden überprüft wurden bzw. nationalen Vorgaben zuwiderliefen. Die größten Fehlerquoten gab es im Jahr 2023 laut dem Jahresbericht, der am Mittwoch präsentiert worden ist, in den Bereichen „Zusammenhalt, Resilienz und Werte“ (Kohäsion und regionale Entwicklung) und „Binnenmarkt, Innovation und Digitales“.
IT-Ausrüstung in Tschechien landete bei Tochterunternehmen
In dem Bericht finden sich auch einige Fallbeispiele. Unter anderem wird ein Unternehmen in Tschechien aufgeführt, welches Gelder aus dem Topf für regionale Entwicklung für IT-Ausrüstung erhalten habe. Eine Beschreibung, wofür alles gebraucht werde, unterblieb aber im notwendigen Antrag der Firma. Zudem wurde auch nicht die gesamte Ausrüstung für Projekttätigkeiten verwendet. Ein Teil der Ausrüstung landete sogar bei einem Tochterunternehmen, welches überhaupt nicht den Förderrichtlinien entsprach.
Trickserei mit Direktvergabe in Ungarn
Auch ein Fall in Ungarn findet Erwähnung. Dort erhielt ein Konsortium aus drei Einrichtungen Finanzhilfe, um Arbeitnehmern und Arbeitgebern kostenlose Rechtsberatung anzubieten. Die nationale Kontrollstelle im Vergabeprozess gab allerdings eine negative Stellungnahme zu den Bietern ab. Es hieß, diese hätten den Wettbewerb unrechtmäßig verfälscht. Aus dem offenen Verfahren wurde eine Aufteilung auf mehrere kleinere Aufträge. Diese wurden dann aber direkt – ohne Ausschreibung – vergeben. Das Urteil der Rechnungshof-Experten in diesem Fall ist eindeutig: Das Konsortium wäre wegen dieses Verhaltens „nicht förderfähig“.
Laut den Prüfern gab es auch EU-weit Unregelmäßigkeiten bei einem Teil der 48 Milliarden Euro, die im Rahmen der sogenannten Aufbau- und Resilienzfazilität aus dem Wiederaufbaupaket nach der Corona-Krise ausgezahlt wurden. Auch waren nicht immer alle Bedingungen erfüllt, die einen Anspruch auf Unterstützung begründet hätten.
Rechnungshofpräsident warnt vor Vertrauensverlust
„Diese Problematik macht deutlich, dass wir sowohl auf Ebene der Mitgliedsstaaten als auch auf EU-Ebene solide Aufsichts- und Rechenschaftsmechanismen benötigen, damit wir das Vertrauen der Öffentlichkeit nicht verspielen und um künftige EU-Haushalte abzusichern“, hält der Präsident des EU-Rechnungshofs, Tony Murphy, fest.
Betrugsverdachtsfall in Österreich
Die hohe Fehlerrate sie „definitiv besorgniserregend“, aber „kein Maß für Betrug oder Verschwendung“, betonte das österreichische ERH-Mitglied Helga Berger am Mittwoch gegenüber Journalisten. Es handle sich dabei um eine Schätzung der Beträge, die nicht im Einklang mit Vorschriften ausgezahlt wurden. 20 Fälle wurden wegen Betrugsverdachts an die dafür zuständige EU-Behörde OLAF weitergeleitet, sechs mehr als im Vorjahr. Einer davon stammte aus Österreich, und betraf den Bereich ländliche Entwicklung.
„Erhebliche finanzielle Risiken für die EU“
Der Ukraine-Krieg und ein Rekordhoch bei den Schulden sind laut dem Rechnungshof „erhebliche finanzielle Risiken für die EU“. Die Verbindlichkeiten stiegen bis Ende 2023 auf 458,5 Milliarden Euro. 2022 lag die Verschuldung noch bei 348 Milliarden Euro. Der Großteil dieses ausstehenden Betrags, nämlich 268,4 Milliarden Euro, betrifft Investitionen im Rahmen des „NextGeneration"-EU-Wiederaufbauprogramms. Dabei handelt es sich um das bisher größte Konjunkturpaket der EU.
Viel EU-Geld verschlingt auch der Ukraine-Krieg. Schließlich hat sich die Finanzhilfe für das Land, das seit dem 23. Juni 2022 den Status eines EU-Beitrittskandidaten hat, im Jahr 2023 von 16 auf 33,7 Milliarden Euro „mehr als verdoppelt“, wie es im Rechnungshof-Jahresbericht zu lesen ist. Mit Blick auf diese Summen warnen die Prüfer, dass die Verlagerung des Risikos von Zahlungsausfällen in die Zukunft zu einer Belastung des EU-Haushalts führen könne. Schließlich sind im Zusammenhang mit der Ukraine-Hilfe für Dutzende Milliarden Euro keinerlei Rückstellungen erforderlich.
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