Rottweiler riss aus

Tödliche Hundebisse: Freispruch für 21-Jährige

Gericht
10.10.2024 14:30

Im Juli 2023 zwängte sich Rottweiler-Hündin „Kim“ in Wilfleinsdorf (NÖ) durch das Tor im Garten ihrer Besitzer. Draußen spazierte eine Familie, die in weiterer Folge von dem Tier angegriffen wurde. Zum Zeitpunkt der Attacke hatte die Tochter des Besitzers die Aufsicht über das Tier. Sie musste am Donnerstag vor dem Richter Platz nehmen. 

Im Bezirksgericht Bruck an der Leitha (NÖ) ist die Anspannung vor der Verhandlung groß, ein derartiges Medieninteresse ist man in dem kleinen niederösterreichischen Gericht nicht gewohnt. Es geht um einen tragischen Fall rund um die Rottweiler-Hündin „Kim“, die von der Militärhundestaffel Kaisersteinbruch ausgeschieden worden war und bei einer Familie in Wilfleinsdorf aufgenommen wurde.

„Haben im Garten mit einem Ball gespielt“
Dort passierte am 26. Juli 2023 die Tragödie, die einer 52-Jährigen das Leben kostete. Zu der Zeit passte die 21-jährige Tochter des Halters auf die Hündin auf, während ihre Eltern gemeinsam mit ihrer kleinen Schwester in Urlaub waren. „Wir haben im Garten mit einem kleinen Ball gespielt. Sie hat mit ihren Pfoten den Ball hin- und herbewegt. Plötzlich ist dieser durchs Gartentor durchgerutscht“, erinnert sich die junge Frau in dem Prozess. Sie muss sich wegen „fahrlässiger Tötung“ und „fahrlässiger Körperverletzung“ im Bezirksgericht verantworten.

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Kim hat mit ihren Pfoten den Ball hin- und herbewegt. Plötzlich ist dieser durchs Gartentor gerutscht.

Die Angeklagte im Prozess.

Denn nachdem der Ball rausgerollt war, sei die Rottweiler-Hündin hinterhergelaufen und habe sich plötzlich unter dem Tor durchgedrängt. Der Schlitz sei laut Gutachten nur 13 cm hoch gewesen. „Ich bin ins Haus gelaufen und habe den Schlüssel für das Tor, das versperrt war, aus dem Wintergarten geholt“, erinnert sich die Angeklagte.

Die Eltern der attackierten Kinder, denen es wieder relativ gut geht, verfolgen den Prozess. Die Mutter von Matma K. (li.) starb durch die Folgen der Hundeattacke.   (Bild: Anja Richter)
Die Eltern der attackierten Kinder, denen es wieder relativ gut geht, verfolgen den Prozess. Die Mutter von Matma K. (li.) starb durch die Folgen der Hundeattacke.  

Wurde das Tier vor der Attacke mit Schlapfen beworfen?
Draußen näherte sich die ausgemusterte Heeres-Hündin einer spazierenden Familie – zwei Frauen und fünf kleine Kinder – und umkreiste diese zweimal. Als die Frau „Kim“ schließlich erwischte, packte sie das Tier, das im Garten kein Halsband getragen hat, an den Nackenfalten und machte sich auf den Weg zurück zum Grundstück. „Da kam der Schlapfen von hinten“, so die Angeklagte. Laut der 21-Jährigen habe offenbar die Großmutter mehrmals mit ihren Schuhen auf das Tier geworfen. Zeugen können das in der Verhandlung nicht bestätigen. „Kim“ habe sich laut Beschuldigter nach dem „Schlapfen-Schnalzer“ umgedreht und losgerissen – soll zuerst eines der Kinder gebissen haben. Die Großmutter von drei Kindern sei daraufhin weggelaufen, wollte in einem Rohbau Schutz suchen.

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Der Hund war immer streichelweich. Der hat nie etwas gemacht. Ich kann es mir nicht erklären.

Der Großvater der Angeklagten im Prozess.

In diesem Moment fasste die Angeklagte den Entschluss, Halsband und Leine zu holen. Als sie nach etwa einer Minute zurückkehrte, habe eine weitere Frau schon versucht, den Hund vom Opfer wegzureißen. Es müssen schreckliche Momente und ein wildes Gerangel gewesen sein. Weitere Personen, darunter der Großvater der Angeklagten, stürmten in den Rohbau. Mit vereinten Kräften gelang es schließlich, „Kim“ zu überwältigen. „Wir haben sie zurück in den Zwinger gebracht“, erinnert sich die 21-Jährige. Auch der Opa der Angeklagten zeigt sich als Zeuge erschüttert: „Der Hund war immer streichelweich. Der hat nie etwas gemacht. Ich kann es mir nicht erklären.“ 

Für die Opferfamilie endete die Attacke fatal. Am 6. Oktober 2023 starb die 52-jährige Großmutter als Folgen der schweren Verletzungen an Multiorganversagen, auch zwei ihrer Enkerl trugen schwere Bissverletzungen davon. „Sie sind schwer traumatisiert, eines der Kinder hat auch noch eine Operation vor sich“, so der Opferanwalt. – „Einen Rottweiler, der einem Trieb folgt, loszureißen, ist wahnsinnig schwer“, erläutert die beigezogene Sachverständige.

Gegen 14 Uhr spricht der Richter die 21-Jährige von den Vorwürfen frei. Selbst wenn die Tochter des Hauses die Leine und den Beißkorb in der Eile  mitgenommen hätte, um „Kim“ zurückzuholen, sei nicht sicher gewesen, dass sie die Hündin anleinen hätte können. Nicht rechtskräftig. 

Hündin ist jetzt beim Verein „Teufels Hunde“
Und was wurde aus „Kim“? Der Verein „Teufels Hunde“ im Bezirk Hartberg, eine Tierheim-ähnliche Einrichtung für Hunde, um die sich nach schweren Bissvorfällen niemand mehr kümmern will, hatte die Rottweiler-Hündin nach der Attacke aufgenommen. Laut der Website wurde „Kim“ inzwischen in ein neues Zuhause vermittelt. 

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