Abstimmung vertagt

Zypern schiebt “Plan B” auf die lange Bank

Wirtschaft
22.03.2013 08:41
Zypern hat zwar mittlerweile einen "Plan B" gegen den drohenden Staatsbankrott, die Parlamentsabstimmung darüber wurde allerdings auf Freitag verschoben. Dabei sollen die Abgeordneten über den "Solidaritätsfonds" entscheiden. Dieser soll unter anderem mit Kapital von Pensionskasse, Zentralbank und Kirche gespeist werden. Die tagelange Bankenschließung führt unterdessen zu ersten Engpässen in Apotheken, Supermärkten und Tankstellen. Die Popular Bank deckelt zudem aufgrund des Kundenandrangs ihre Auszahlungen an den Bankomaten.

Zypern muss 5,8 Milliarden Euro aufbringen, um ein Sanierungspaket von EU und Internationalem Währungsfonds zu erhalten. Der am Donnerstag vorgestellte Rettungsfonds soll Staatsanleihen ausgeben und damit 4,8 Milliarden aufbringen. Das Geld soll unter anderem aus der Kirche, den Pensionskassen und anderen Institutionen stammen. Auch die zypriotische Zentralbank soll mit ihren Goldreserven einen Beitrag leisten.

Um die fehlende Milliarde zusammenzubekommen, war auch von einer begrenzten Zwangsabgabe auf Bankeinlagen die Rede - zuletzt noch von Guthaben über 100.000 Euro, die belastet werden könnten. Laut neuesten Informationen soll diese Zwangsabgabe nun aber gar nicht mehr in dem Paket enthalten sein. Wie der fehlende Betrag dann eingehoben wird, ist noch nicht klar. Auf die Unterstützung Russlands können die Zyprioten jedenfalls nicht mehr hoffen, denn die Verhandlungen seien gescheitert, hieß es am Freitagmorgen (siehe Infobox).

Die Zeit drängt
Nachdem die Russen den Zyprioten eine Abfuhr erteilt haben, muss erst recht über den "Plan B" weiterverhandelt werden. Die Maßnahmen müssen sowohl in Zypern als auch auf europäischer Ebene noch abgesegnet werden. Das Parlament in der Hauptstadt Nikosia tagte bereits am Donnerstagabend, die Abstimmung wurde allerdings - trotz drängender Zeit - auf Freitag verschoben. Es wird erhofft, dass alle 56 Abgeordneten für "Plan B" stimmen werden. Die Parteivorsitzenden haben sich jedenfalls nach einem Treffen mit Staatspräsident Nikos Anastasiades einstimmig für die Bildung eines "Solidaritätsfonds" ausgesprochen.

Kurz zuvor hatten die Finanzminister der Euro-Staaten die Mittelmeerinsel noch zur Eile gedrängt. "Die Euro-Gruppe steht bereit, um mit den zypriotischen Behörden über einen neuen Entwurfsvorschlag zu beraten. Sie erwartet von den zypriotischen Behörden, dass sie diesen so schnell wie möglich vorlegen", hieß es in einer Erklärung, die die Euro-Gruppe am Donnerstagabend nach einer Telefonkonferenz veröffentlichte. "Die Mitgliedsstaaten der Euro-Zone stehen weiterhin bereit, um dem zypriotischen Volk bei seinen Reformbemühungen zu helfen und die Stabilität der Euro-Zone als Ganzes sicherzustellen."

EZB stellt Zypern Rute ins Fenster
Am Donnerstagvormittag hatte der zypriotische Zentralbankchef Panikos Demetriades gemeint, er sei optimistisch, dass eine Rettung gelingen könne, fasste aber einen längeren Zeithorizont ins Auge: "Bis Montag wird es ein Rettungsprogramm geben", so Demetriades. Sollte das Paket abgesegnet werden, muss die Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und IWF grünes Licht geben.

Die EZB teilte mit, dass sie ihre Nothilfe für zypriotische Banken nur noch bis kommenden Montag garantieren werde. Danach sollen nur noch Mittel fließen, wenn die Zahlungsfähigkeit der Banken gesichert ist. Die zwei größten Geldhäuser des Inselstaates sollen faktisch insolvent sein, die EZB hält das Finanzsystem derzeit mit Notkrediten am Laufen.

Bankenschließung führt zu ersten Engpässen
Unterdessen kam es in Zypern wegen der seit Tagen geschlossenen Banken zu ersten Lieferengpässen bei Medikamenten. Auch Treibstoff wird langsam knapp. Viele Tankstellen nehmen nur noch Bargeld an, auch einige Supermärkte akzeptieren keine Kreditkarten mehr. Die Banken sind seit sechs Tagen geschlossen, Geld gibt es nur noch an den Bankomaten.

Allerdings haben viele Menschen mittlerweile keinen Cent mehr auf dem Konto, weil das Online-Banking-System blockiert ist und damit Gehalts- und andere Zahlungen nicht möglich sind. "Wir haben das Sparschwein meines Sohnes zertrümmert, um Lebensmittel zu kaufen", sagte eine Hausfrau in der Hauptstadt Nikosia. 

Bank deckelt Auszahlungen - EZB für Beibehaltung
Am Donnerstag teilte zudem die Popular Bank mit, dass sie die Auszahlungen an den Geldautomaten deckeln wird. Pro Tag und Kunde würden künftig nur noch 260 Euro ausgegeben, teilte das Institut mit. Grund sei der große Kundenandrang. Nach Gerüchten, dass die Bank geschlossen werde, bildeten sich lange Schlangen vor den Filialen.

Wenn es nach der EZB geht, soll Zyperns Bürgern für eine längere Zeit nur einen begrenzten Betrag an Bargeld an Bankomaten zur Verfügung stehen, berichtete das "Handelsblatt" am Freitag unter Berufung auf Notenbankkreise. Zusätzlich sei im Gespräch, die Spareinlagen vollständig einzufrieren und Überweisungen nur mit einer vorherigen Genehmigung der nationalen Zentralbank zu erlauben. Wie lange die Gelder auf den Sparkonten gesperrt werden, sei noch nicht entschieden.

Die EZB wolle den Kapitalverkehr auch dann reglementieren, wenn Zyperns Regierung ein Rettungspaket mit der Troika aus EU, EZB und IWF bis Anfang nächster Woche ausgehandelt habe. "Die Gefahr ist zu groß, dass es zu einem Ansturm auf die Banken kommt", so ein Notenbanker der Zeitung. Die EZB werde dafür sorgen, dass die Kapitalverkehrskontrollen "sozialverträglich" ausgestaltet würden. Jeder Bürger werde das zum Leben notwendige Geld erhalten, hieß es. Dazu gehörten auch die Auszahlung von Pensionen und anderen Sozialleistungen.

Die maroden Geldinstitute bleiben laut der zypriotischen Zentralbank am Freitag weiter geschlossen. Am Montag folgt der Nationalfeiertag, daher werden die Banken nicht vor Dienstag wieder öffnen.

Dijsselbloem ortet "systemisches Risiko"
Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem sieht in der Krise in Zypern eine Gefahr für den Euro. "Die aktuelle Situation stellt definitiv ein systemisches Risiko dar", sagte er am Donnerstag in Brüssel. "Die Unruhe der letzten Tage hat das bewiesen."

Über die umstrittene Zwangsabgabe, die die Euro-Gruppe ihrem kriselnden Mitglied ursprünglich auferlegt hatte, zeigte sich Dijsselbloem selbstkritisch: "Es war eine gemeinsame Entscheidung. Wenn irgendjemand die Verantwortung übernimmt, dann bin ich es", so der Niederländer.

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