Mit Marillion schrieb Derek William Dick aka Fish in den 80er-Jahren Prog-Rock-Geschichte – daneben brillierte er als Solosänger, Label-Besitzer und Schauspieler. Jetzt geht der 66-Jährige in den Live-Ruhestand, kommt davor aber noch in die Wiener Arena. Mit der „Krone“ rekapituliert er noch einmal seine beeindruckende Karriere.
Selbst wenn man dem Progressive-Rock nicht aktiv zugeneigt ist, die Songs „Kayleigh“ und „Lavender“ kennt so gut wie jeder. Erschaffen wurden sie von einer Band namens Marillion aus dem beschaulichen Aylesbury in England. Mit ihren vertrackten Songs und dem an Peter Gabriel gemahnenden Gesang von Frontmann Fish knüpften sie in den 80er-Jahren sehr erfolgreich da an, wo Genesis, Yes, Pink Floyd und Co. ein Jahrzehnt davor ihre größten Erfolge feierten. Als Fish die Band 1988 verließ, fiel auch der Erfolg von Marillion ins Bodenlose. Fish hingegen konzentrierte sich vermehrt auf die Schauspielerei, sein eigenes Label und eine Solokarriere, die zwar nicht den erhofften Superstarstatus, aber eine mehr als respektable Erfolgslaufbahn mit sich zog. Jede Form von Wiedervereinigungs-Gerüchten drückte der Schotte bislang schon im Ansatz die Luft raus.
Unfreiwilliger Verzicht
„Wir waren eine Band mit guten Musikern, die eine gute Zeit hatten“, erzählt er der „Krone“ im Zoom-Interview, „mir war das Touren zu stressig und ich habe mich damals vermehrt um meine schauspielerischen Tätigkeiten gekümmert. Ich wollte immer wieder Rollen annehmen, aber habe sie dann abgesagt, weil sonst die Band darunter gelitten hätte. Zum Beispiel für den Kultfilm ,Highlander‘, bei dem ich schlussendlich nicht mitspielte. Unsere Visionen gingen auseinander und das ist auch okay so.“ Heute befindet sich der 66-Jährige auf dem Weg in den musikalischen Ruhestand. Seine aktuelle Tour, die ihn am 17. Oktober nach 23-jähriger Österreich-Abwesenheit wieder einmal in die Wiener Arena bringt, ist gleichzeitig die allerletzte.
„Ich habe mich nie als Sänger betrachtet, sondern als Schreiber, der halbwegs gut singen kann. Die Welt der Musik hat sich fundamental verändert. Mit dem Veröffentlichen von Alben machst du kein Geld mehr, du musst permanent auf Tour sein und das ermüdet mich mittlerweile zu sehr. Ich hatte das Glück, als Musiker aktiv die glorreichen 80er-Jahre erlebt zu haben. Ich habe nie die großen Arenen bespielt, aber ich hatte eine schöne und erfolgreiche Karriere, die mir ein schönes Leben ermöglicht hat. Wie schon damals bei Marillion ist es aber nun auch solo für mich Zeit, aus dem Hamsterrad des Musikgeschäfts herauszutreten. ,Clutching At Straws‘ war 1987 das bestmögliche Marillion-Album vor meinem Abschied, „Weltschmerz“ 2020 das beste, das ich solo veröffentlichen konnte. Zu viele Acts glauben, sie müssen weitermachen, obwohl sie ihr Feuer schon verschossen haben. Ich weiß, dass es für mich genug ist.“
Berühmte Fußball-Schafe
Während sich Fish mit täglich stundenlangen Gesangsproben monatelang auf die Tour einstellte, hat er sich auf seine neue Heimat vorbereitet. Mit seiner dritten Ehefrau Simone Rösler übersiedelt er auf die beschauliche Insel Berneray auf die Äußeren Hebriden – auf einer Luftlinie mit der dänischen Hauptstadt Kopenhagen. „Bevor ich mit dir das Interview begonnen habe, habe ich mir eine Stunde lang ein Traktor-Tutorial angesehen“, lacht er herzhaft auf, „ich habe unlängst einen geliefert bekommen. Wir leben dort auf einem kleinen Bauernhof, zehn Minuten Fußweg vom Strand entfernt. Die nächste Landmasse vor mir ist Amerika. Es ist dort permanent kalt, windig und oft sehr dunkel, aber ich mag das. Ich bin Schotte, das ist mein Leben.“ Mit ihm und seiner Frau leben dort 13 Schafe, die er nach der 1972er-Mannschaft seines Lieblingsklubs Hibernian Edinburgh benannt hat.
Nicht zuletzt die Pandemie und die politischen Verhältnisse auf der Insel haben Fish dazu bewogen, sich ländlich einzurichten und mit dem Touren aufzuhören. „In Schottland haben 70 Prozent der Wähler für das Dabeibleiben bei der EU gestimmt, aber wir gehören zu Großbritannien und wurden überrollt. Gut, jetzt regieren die Labours, aber was wird das schon ändern? Meine Abschiedstour wird mir durch den dämlichen Brexit so schwer gemacht wie nichts zuvor. Wir werden seit Jahren von Idioten regiert und gelenkt. Anstatt den Leuten reinen Wein einzuschenken und klar zu sagen, dass echte Veränderungen auch Kosten bedeuten, eiert man einfach weiter herum. Auf der Insel sind wir in einer kleinen Community, hier leben keine 150 Menschen. Man kann sich untereinander austauschen und in der Gemeinschaft Dinge verändern. Wir Schotten haben es in den Genen, mit gebeugten Köpfen durch die Welt zu gehen. Uns umweht eine negative Grundhaltung. Deshalb ist auch das Fußballnationalteam immer eher bereit, zu verlieren, als zu gewinnen. So will ich aber nicht leben.“
Große Pläne für die „Pension“
Dass Fish, der eigentlich Derek William Dick heißt, auf seiner Abschiedsmatinee auch wieder zu uns kommt, freut ihn sehr. „Ich kann mich an das letzte Mal noch gut erinnern. Es war spät im Herbst und kalt. Alle tranken Glühwein. Ich habe keine verdammte Ahnung, warum wir seit 23 Jahren nicht mehr in Österreich waren. Uns hat einfach niemand gebucht. Ich habe oft sogar aktiv gefragt, aber es gab immer nur Deutschland, Italien oder Tschechien – nie Österreich. Ich dachte sogar schon, ihr habt etwas gegen uns“, lacht der sympathische Musiker. Für den weiteren Verlauf seines Lebens hat Fish genügend Pläne. „Nicht zu touren heißt nicht, nicht mehr Musik zu machen und Songs zu schreiben. Ein paar Musiker auf der Insel werde ich schon finden. Dann bin ich jetzt auch Farmer und kümmere mich um meine Autobiografie, vielleicht schreibe ich auch Drehbücher.“
Mit „Was wäre, wenn“-Fragen zur Vergangenheit hält sich Fish nicht lange auf. „Ich habe vor ungefähr zehn Monaten zu Rauchen aufgehört, womit ich als 14-Jähriger begann. Was wäre gewesen, hätte ich nie geraucht? Wie wäre mein Leben verlaufen, hätte ich Entscheidungen anders getroffen? Dann wäre der Erfolg mit Marillion vielleicht nie passiert und ich hätte keine so schöne Karriere gehabt. Wenn du in deinem Kopf zurückgehst, um Dinge aus der Vergangenheit zu verändern, dann veränderst du auch alles, was kommt. Ich habe eine wundervolle Frau, die ich vielleicht nie getroffen hätte, wenn die Dinge nicht so eingetroffen wären, wie sie sind. Ich konzentriere mich lieber auf die Gegenwart und genieße das Leben. Jetzt etwa freue ich mich auf den Auftritt in Wien, um der Stadt einen Gute-Nacht-Kuss zu geben. Das ist alles, was im Moment zählt.“
Live in Wien
Am 17. Oktober spielt Fish auf seiner „Road To The Isles“-Abschiedstournee noch einmal in Österreich, in der Wiener Arena. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten für das Rock-Highlight, das sich danach in die verdiente Live-Pension verabschieden wird.
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