Neuer Steirer-Trend

Stammtischliga: „Einfach mehr als nur Fußball“

Steiermark
11.10.2024 20:00

Ein Mittwochabend, laues Wetter und gleißendes Flutlicht: Was, angelehnt an die Champions League, wohl bei den meisten Amateurfußballern des Landes als absoluter Traum gilt, diente einem ganz besonderen Bewerb als Spieltermin. Die „weststeirische Stammtischliga“, eine Hobbyliga abseits des Fußballverbandes, ging in die nächste Runde. Der „Krone“ erzählten die Kicker, was dieses Konzept seit über 20 Jahren so besonders macht.

„Weil wir Spaß und Leistungssport verbinden!“, fasst Horst Schinke den Reiz an „seiner“ Stammtischliga kurz zusammen. Schinke ist Obmann und quasi Alleinverwalter der Liga. Von Mannschafts- oder Spieleranmeldungen, über die Terminansetzungen bis hin zu den Daten aus dem Online-Spielbericht wandert alles über seinen Schreibtisch – und das Handy glüht. „Als der digitale Spielbericht neu war, hat mir meine Frau schon mit der Scheidung gedroht, so oft haben sie mich angerufen“, lacht das „Herz“ der Liga.

Mausser gegen Müller – ein heißes Duell in Thal bei Graz. (Bild: zVg/Dominik Blümel)
Mausser gegen Müller – ein heißes Duell in Thal bei Graz.

Sein Beruf, oder besser, seine Berufung zum Obmann fand Schinke im „normalen“ Spielbetrieb, als Trainer in der 1. Klasse: „Damals hatten wir Gegner mit Spielern, die extra fürs Match vom Balkan rauf gefahren sind und gleich nach Abpfiff wieder weg waren – in der letzten Liga! Das kann doch nicht der Sinn von Amateurfußball sein“, versucht Schinke seinen Gedanken über die Entwicklung des Fußballs freien Lauf zu lassen, „und dann zahlen sie den Spielern Hunderte Euro im Monat, damit sie irgendwie in die Gebietsliga aufsteigen, die die gleiche ‘Woazackerliga‘ ist wie die 1. Klasse. Aber ist das Geld weg, sind’s die Spieler auch.“

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Damals hatten wir Gegner mit Spielern, die extra fürs Match vom Balkan rauf gefahren sind und gleich nach Abpfiff wieder weg waren – in der letzten Liga! Das kann doch nicht der Sinn von Amateurfußball sein.

Horst Schinke, Obmann der Stammtischliga

Die Stammtischliga funktioniert anders: Die klassischen Funktionen der Teams, wie der Obmann, Trainer oder Kassier, werden von den Spielern selbst ausgefüllt, „verpflichtet“ wird, wer ins soziale Gefüge passt, und statt eines Gehalts zahlen die Spieler sogar einen Mitgliedsbeitrag, mit dem dann die Kosten für Schiedsrichter oder etwaige Platzmieten beglichen werden. „Jeder, der beim Stammtisch spielt, trägt etwas bei, jeder ist der Verein und das ist das Schöne!“, zeigt sich Schinke stolz.

Dieser Stolz zeigte sich auch am Mittwochabend, beim Duell zwischen STT Mausser und STT Müller. Michael Fürst, Kapitän der Heimmannschaft, die am Platz des SV Thal ihre Spiele austrägt, findet trotz einer verspielten 3:0-Führung gute Worte über die Vorteile, die ihm die Hobbyliga bietet: „Die Stammtischmeisterschaft ist wirklich ein Privileg für alle, die wie ich beruflich einfach nicht vier- oder fünfmal die Woche am Sportplatz sein können.“

Fairness wird groß geschrieben. (Bild: zVg/Dominik Blümel)
Fairness wird groß geschrieben.

Liga ist ein „Leckerbissen“
Dass bei seinem Stammtisch nicht einmal kulinarisch Wünsche offen bleiben, erzählt der Taktgeber mit einem Grinsen: „Wir haben einen Jausenkalender, und jedes Training sind zwei für die Verpflegung zuständig. Von der einfachen Brettljause, über die Kernöleierspeis bis hin zum Schweinsbraten gibt es nach jedem Training noch einen Grund dazubleiben und zusammenzusitzen. Gerade dieses soziale Umfeld gibt mir extrem viel.“ Stammtischausflüge wie etwa letztes Jahr, als es aufs Oktoberfest ging und in Bad Reichenhall sogar spontan noch eine Hobbymannschaft aus Deutschland für ein Match gefunden wurde, runden die Stammtisch-Erfahrung noch ab.

„Oft verlieren wir nicht“
Doch auch die Gäste sind stolz auf den Verein, den sie selbst aufgebaut haben. „Früher bin ich Stunden zu einem Auswärtsmatch gefahren, nur damit ich dort dann auf der Bank sitzen kann. Das gibt´s hier nicht, keine Grüppchen, keine Trainerlieblinge, jeder kickt“, beschreibt etwa Christoph Gsodam, Kapitän der Gäste, die Liga. Seit über zehn Jahren ist er schon dabei und leitet nicht nur fußballerisch die Geschicke des Vereins. „Wir organisieren Marktstände, Kleinfeldturniere, Skiausflüge, kümmern uns selber um Strom, Dressen und sogar Fanartikel wie Schals oder Aufkleber. Da geht´s einfach um mehr als nur Fußball.“ Dass es trotz allem Fokus auf Spaß am Fußball auch sportlich noch um etwas geht, unterstreichen alle Spieler. Und auch ein Vergleich zum Vereinsfußball rutscht der Gruppe des STT Müller in der Kabine noch über die Lippen: „Wir spielen ja wirklich regelmäßig im Training oder in der Vorbereitung gegen Teams aus der 1. Klasse. Dazu nur so viel: Oft verlieren wir nicht!“

Dominik Blümel/Kronen Zeitung

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