„Krone“-Interview

Simon Schwarz: „Der Metzger ist eine wache Figur“

TV
12.10.2024 06:00

Heute Abend (ServusTV, 20.15 Uhr) schlüpft Simon Schwarz in „Der Metzger – Mordstheater“ zum zweiten Mal in die Rolle des Restaurators Willi Metzger nach den Büchern des österreichischen Autors Thomas Raab. Im großen „Krone“-Talk verrät er uns, wie stark er sich daran gewöhnt hat, warum sein Beruf mit Sport vergleichbar ist und weshalb es wichtig ist, den Narzissmus in der Schauspielerei zurückzustellen.

„Krone“: Herr Schwarz, in „Der Metzger – Mordstheater“ schlüpfen Sie zum zweiten Mal in die Figur des Restaurators und Hobby-Detektivs Willi Metzger nach den Büchern von Thomas Raab. War es jetzt schon ein bisschen leichter als beim ersten Mal?
Simon Schwarz:
 Durchaus, denn man hat die Vorbereitung schon einmal hinter sich gebracht und frischt die Rolle quasi wieder auf. Ich kenne die Sportart bereits und habe sie wieder ausprobiert.

Haben Sie die Figur im ersten Film schon so angelegt, dass Sie in der neuen Produktion gut daran anschließen können?
Das nicht, denn der erste Film war schon von der Geschichte her ganz anders als der neue. Sollte es einen dritten Metzger-Film geben, werden wir wieder adaptieren und an der Figur schrauben. Da muss man wieder zur Sport-Metapher kommen: Ich kenne die Sportart, aber jedes Spiel verläuft anders. Nach dem Spiel ist immer vor dem Spiel.

Manchmal ist es aber schwieriger, ein Spiel zu adaptieren und zu verbessern, als in eine völlig neue Sportart einzutauchen …
Das ist natürlich richtig, denn an Dingen, die nicht so gut funktioniert haben, muss man schrauben. In Wirklichkeit geht es darum, sich auf die Rolle einzulassen und sie dann tatsächlich so hinzukriegen, dass man zufrieden ist und sich auf dem richtigen Weg fühlt.

Es gibt in Österreich schon sehr viele humoristische Krimis und Profilzeichnungen. Überlegt man sich da ganz genau, wie man selbst an ein Projekt rangeht?
Ich gehe prinzipiell nie komödienorientiert an eine Rolle ran, ich finde schon den Begriff selbst blöd. Es gibt Schauspieler, die spielen eine Komödie und andere ein Drama. Ich versuche das Drama zu spielen, denn Komödie ist oftmals eher Comedy. Manche machen beides, was auch völlig legitim ist. Andere sind humorig, weil sie Sachen parodieren. Und dann gibt es wieder Menschen, die erzeugen Humor, indem sie sich in eine Situation bringen, wo sie über sich selbst lachen können. Ich bin in meinen Rollen bestenfalls in einer tragischen Rolle, über dich ich selbst lachen kann.

Ist das Ihre bevorzugte Art von Humor?
Mein Humor geht nie über andere, sondern über meine eigene Emotion. Manchmal gelingt mir das, manchmal nicht. Es gibt Menschen, die Witze erzählen und daraus den Humor erzeugen. Ich kann gar keine Witze erzählen. Mein Humor ist ein anderer. Etwa, wenn Leute auf ein Begräbnis gehen und dort passiert unerwartet eine komische Situation.

Ist die Routine, die Sie über all die Jahre in diesem Job gesammelt haben, entscheidend dafür, wie Sie eine Rolle anlegen?
Erfahrung ist in gewisser Weise auch Handwerk – so wie die Schauspielerei grundsätzlich. Es geht nicht nur ums Talent, was viele glauben. Jeder, der in seinem Leben schon mal ein Haus gebaut hat, würde beim nächsten Mal viele Dinge anders machen, weil der Wissensstand ein anderer ist. Genau so verhält es sich auch mit der Erfahrung in der Schauspielerei.

Ist es manchmal schwer, sich selbst zu entkommen?
Man fällt gerne in bestimmte Muster, in die man nicht fallen will. Oft merkt man das selbst gar nicht und wird von anderen darauf aufmerksam gemacht. Meine Selbstkontrolle ist wahrscheinlich die größte Arbeit und daran scheitere ich auch oft genug.

Simon Schwarz im Interview mit der „Krone“. (Bild: ServusTV / Manuel Seeger)
Simon Schwarz im Interview mit der „Krone“.

Machen zehn Drehtage mehr aus einem Projekt einen ganz anderen Film? Oder ist es ein bisschen wie in Schule, dass die Deadline auch ein guter Freund sein kann?
Klausuren sind so berechnet, dass, wenn du dich auskennst und Bescheid weißt, jede in der halben Zeit schaffen könntest. Da gibt es konkrete Lösungen – das ist beim Drehen nicht so. Wenn du weißt, was du willst, kannst du das trotzdem nicht in der halben Zeit bewerkstelligen. Die Amerikaner haben da leicht reden. Christopher Nolan hat unlängst mal gesagt, dass er es versucht wird, einen Kinofilm in 40 Tagen zu drehen – ich habe in meinem ganzen Leben noch keine 40 Tage Zeit für einen Kinofilm gehabt.

Wie schwierig ist es, in einer filmischen Umsetzung die Figur vom Roman zu lösen? Gibt es da eine Art Selbstbeschränkung, wie weit Sie vom Original des Autors weggehen?
Diese Gedanken versuche ich gleich am Anfang komplett abzulegen. Zuerst kam die Anfrage für den Metzger, den vor gut zehn Jahren schon einmal Robert Palfrader verkörpert hat. Die zwei Teile waren sehr gelungen, ich finde, er hat das super gemacht. Rein TV-technisch würde das heute aber nicht mehr halten, weil die Zeiten sich verändert haben. Das Publikum hat oft eine andere Meinung als die Experten, das muss man immer mitbedenken. Der erste Entwurf war noch weit entfernt von der Machbarkeit, aber wir haben unseren Metzger völlig anders gedacht als die Palfrader-Metzger – das fand ich spannend. Thomas Raab hat mir alle seine Romane in einer Kiste geschickt. Die war groß, weil er so ein fleißiger Autor ist. Die Bücher lesen sich leicht und ich habe mich sofort darin wiedergefunden. Das Analoge, die Liebe zum Holz und zur klassischen Musik. Zudem muss man immer auf die Figuren achten, die man schon einmal gespielt hat. Gerade im Krimibereich sind sie schnell sehr ähnlich, also muss der Charakter eigen sein. Die bekannten Krimifiguren sind wahrscheinlich der Trautmann, der Brenner und der Eberhofer. Der Metzger ist davon entkoppelt. Eine ganz andere Figur, ein völlig anderer Mensch. Ein Krimi, der in die Komödie hineingeht, ist immer eine Gratwanderung. Die Leute sollen natürlich einschalten, weil es lustig ist, aber sie sollen nicht immer dasselbe bekommen.

Sie haben es gerade angesprochen: Der Metzger hat diese Liebe zum Alten und Herkömmlichen, aber er ist keineswegs so ewiggestrig, wie Charaktere in Filmen oft gezeichnet werden.
Genau, er ist vor allem nicht verschlossen. Er sieht die moderne Welt mit Interesse und als Herausforderung. Der Metzger ist eine sehr wache Figur und die ist auch noch nicht zu Ende gedacht. Der erste Teil war vielleicht ein bisschen eine Zumutung, weil er stark ins Surreale ging und doch sehr filmisch war. Diesen Aspekt haben wir bewusst reduziert. Man versteht die Geschichte jetzt viel besser und wir sind noch einen größeren Schritt in die Unterhaltung gegangen, aber auch die Spannung ist vorhanden.

In die Handlung ist auch die künstliche Intelligenz eingebaut – ein Thema, mit dem auch Sie sich in Ihrer Profession befassen müssen.
Das ist sogar ein gewaltiges Thema, wegen dem die Drehbuchautoren in den USA auch schon öfter gestreikt haben. Im deutschsprachigen Raum ist so ein Streik etwas sinnlos, weil er zu wenig bewegt. Es gibt schon Apps, die deine Stimme imitieren und sie überall einbauen können – selbst ich könnte wahrscheinlich kaum mehr zwischen mir selbst und der KI unterscheiden. Für Synchronsprecher ist das ein Albtraum, denn es wird nicht mehr lange dauern, dann wird man meine Stimme auf Englisch oder Französisch auf Spotify abrufen können. Mal sehen, wohin die Sache führt.

In Filmen werden mittlerweile die Komparsenrollen schon vorab gescannt und virtuell durch die KI eingesetzt.
Bei uns hat sich das noch nicht so ganz durchgesetzt, weil dieser Schritt schlichtweg zu teuer wäre. Prinzipiell wäre es sehr wichtig, diese Themen auch mit dem Gesetzgeber zu diskutieren. Wer hat denn irgendwann mal das Recht an deinem Bild und wo gehen wir da hin? Früher oder später muss man sicher nachbessern – lieber früher als später.

Abseits des Einbaus von KI in die Handlung des Metzgers ist der Produktion eine gewisse Zeitlosigkeit wichtig. Sollte man nicht so klar erkennen, ob der Film jetzt in der Gegenwart oder ganz woanders spielt?
Das ist eine Entscheidung seitens der Produktion, die ich nicht beantworten kann. Eigentlich ist das aber auch wuascht, denn zeitgemäß sind nur ganz wenige Filme. Nur sehr wenige Filme schaffen es, 20 Jahre nach ihrem Erscheinen noch dasselbe Gefühl vermitteln zu können. Gott sei Dank wird so etwas als Kriterium nicht bewertet, denn sonst könnten wir wohl 90 Prozent aller Filme nach 20 Jahren in den Kübel treten. Manche Filme sind wie zeitlose Mode. Sie sind am Punkt und trotzdem zeitlos.

In diesem zweiten Metzger werden auch seine familiären Gefühle geweckt. Es geht um den Tod und das Zurückgelassen werden, was der Metzger selbst am eigenen Leib so erlebt hat.
Ich finde, diese Stilistik hat schon im ersten Teil hervorragend funktioniert. Es gibt Rückblenden, eine Welt der Erzählung – das Elliptische. Im ersten Teil bin ich quasi selbst in die Erinnerung hineingetreten, das haben wir dieses Mal nicht so gemacht, aber trotzdem wieder auf die Rückblenden gesetzt. Ich finde diese Erzählart sehr spannend. Das Zurückblicken auf die Vergangenheit wird auch den Zusehern sehr emotional aufbereitet – es ist ein wunderschönes Stilmittel.

Metzgers Freunde Heribert Senekowitsch (Thomas Mraz) und Petar Wollnar (Christoph Krutzler) spüren, das etwas im Busch ist. (Bild: ServusTV / Satel Film)
Metzgers Freunde Heribert Senekowitsch (Thomas Mraz) und Petar Wollnar (Christoph Krutzler) spüren, das etwas im Busch ist.

Ist der Metzger ein herzensguter Mensch, der durch seinen detektivischen Sinn als Restaurator schlicht im falschen Beruf gelandet ist?
Ich glaube nicht, dass er im falschen Job ist. Er ist ein toller Restaurator und kein Ermittler. Er will auch keiner sein. Der Metzger ist jemand, den Dinge zutiefst beunruhigen und der einiges als ungerecht empfindet. Das ist eine andere Motivation, um an einen Kriminalfall ranzugehen. Er denkt sich: „Nein, das kann jetzt aber nicht sein. Das darf man nicht, das macht man nicht, das gehört sich nicht und das ist nicht in Ordnung“. Da er so fest von der Ungerechtigkeit überzeugt ist, stellt er sich dagegen auf. An diesem Image müssen wir in der Metzger-Reihe noch stärker arbeiten, weil dieses Gerechtigkeitsempfinden, das fast allen anderen fehlt, sein markantester Punkt ist.

Unverzichtbar ist dabei sein Freund Petar Wollnar, der als Hausmeister arbeitet.
Die beiden bilden ein kongeniales Duo ab. Es ist sicher leichter für die Zuseher in die Handlung zu finden, wenn der eine Restaurator und der andere Hausmeister ist. Das ist eine natürlichere und zugänglichere Ebene als die der Detektive. Die beiden sind per se nicht weit auseinander und haben eine natürliche Gesprächsebene. Ich habe zudem selbst eine große Liebe zum klassischen Hausmeister. Subjektiv ist in Wien schon jedes Haus an ein Facility-Management oder eine Hausverwaltung verteilt. Meine Generation kennt aber noch den klassischen Hausmeister, der am Gang wohnt. Das hat etwas Tröstliches und ich bin ein bisschen traurig darüber, dass sich da so viel verändert. Man sagt sich „Guten Morgen“, unterhält sich ein bisschen und kennt sich. Wenn ein anonymes Facility-Management herkommt, ist mir das als Simon Schwarz einfach zu unpersönlich. Das ist jetzt keine Entwicklung, die ich mag.

In österreichischen Filmen findet man gerne diese kantigen, aber sehr humorigen Vertrauenspersonen.
Ich finde es schön, dass das so noch existiert. Da kommen wir wieder zurück zum Analogen. Analoges ist heute manchmal was, das vergangen ist. Früher war aber nicht alles besser, das ist ein Irrglaube. Wir haben das aber relativ gut hingekriegt, dass der Metzger kein Buhmann für die Jungen ist und die Älteren sich ihm vielleicht verbunden fühlen. Es ist unheimlich wichtig, die Charakterzüge der einzelnen Figuren auszuzeichnen und nie zu vergessen, was der Motor eines Projekts ist. In diesem Fall ist es die Ungerechtigkeit, gegen die vorgegangen werden muss.

In einer Szene im Film geht der Metzger sehr direkt auf das Gegenüber zu, um seine Gage einzufordern, obwohl das Timing schlechter nicht sein könnte.
Das kennt man doch noch so von früher. Da ist der Meister einer Firma, der geht persönlich zu seinem Kunden und verlangt jetzt die Bezahlung. Er fordert sein Geld ein und hat jedes Recht dazu. Wir sind das heute nicht mehr gewohnt, weil uns dieses Verhalten abgenommen wurde. Alles wird outgesourct. Diese outgesourcten Firmen schicken wiederum Sub-Unternehmer. Heute räumen Leute die Supermarktregale ein, die nicht einmal zur Rewe-Gruppe gehören. Ich finde diese Entwicklung ein bisschen schade.

Weil Sie vorher die Sportmetapher bemüht haben: Kunst kann man nicht wie Sport bewerten, weil es nicht um Zahlen, Daten und Fakten geht. Am Ende kann man aber auch nur überleben, wenn eine bestimmte Quantität seitens des Publikums gegeben ist. Ist so ein Gedanke immer im Hinterkopf?
Beim Spielen selbst nicht, da spielt es auch gar keine Rolle und so kann ich diese Gedanken dort gut abstellen. Ich denke aber natürlich im Vorfeld und auch danach daran. Es ist nicht das Wichtigste, Dinge zu machen, die erfolgreich sind. Das sollte nicht das Ziel und die Motivation sein, aber wenn du etwas machst, sollte es in irgendeiner Form Akzeptanz bekommen. Wenn die nicht vorhanden ist, geht es eh nicht weiter. Ich habe schon so viel gemacht, dass ich glaube, einschätzen zu können, ob Dinge eine Chance auf Erfolg haben oder nicht. Wenn etwas von tief innen heraus mit großer Liebe von einer geschlossenen Mannschaft gemacht wird, dann ist die Erfolgschance wesentlich höher. Um wieder zum Sport zu kommen: Du kannst eine besonders teure Mannschaft haben, wenn das Teamgefüge nicht passt, wirst du die Champions League trotzdem nicht gewinnen. Es geht nichts ohne Teamgeist, auch nicht im Schauspiel. Es gibt auch erfolgreiche Schauspieler, die keine Teamplayer sind, aber das macht für die anderen alles erheblich schwieriger. Ich bin ein Fan des Ensembles und damit meine ich auch die Leute hinter der Kamera, der ganzen Crew und rundherum. Du kannst 20.000 Stars haben - wenn sie alle Individualisten sind, wird es nicht funktionieren.

Als Schauspieler und Hauptdarsteller müssen Sie natürlich trotzdem ein Individualist sein – bis zu einem bestimmten Punkt ...
Das ist schon richtig, aber ich weiß auch, auf welcher Position ich spiele. Ich kann aber nicht treffen, wenn mir keiner gut auflegt. Außerdem habe ich nichts davon, wenn ich zehn Tore schieße, wir aber 20 reinkriegen. So wie es nichts bringt, ein wunderschönes Tor zu schießen und dann haushoch zu verlieren. Egoismus und Narzissmus ist völliger Nonsens, ich finde beides störend für die meisten. Bei uns in der Kunst wird das leider oft anders gesehen.

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