Entscheidung gefallen

Gericht beschließt Rückholung von IS-Anhängerin

Salzburg
11.10.2024 13:20

Am Freitag fiel die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Rückholung einer Salzburger IS-Anhängerin und ihrer beiden Kinder. Schon im Juni wurde darüber verhandelt, die junge Frau nach Österreich zurückzuholen. Das österreichische Außenministerium hatte ihr dies aber verweigert.

Im Fall Maria G. ist die Entscheidung nun gefallen: Das Bundesverfassungsgericht ordnete die Rückholung der jungen Salzburgerin an, wie die Anwältin der Familie Doris Hawelka in einer Aussendung bekanntgab. Das österreichische Außenministerium hatte ihnen zuvor eine Rückkehr aus einem Gefangenenlager in einem kurdisch kontrollierten Teil im Norden Syriens verweigert. Maria G. lebt bereits seit zehn Jahren unter der Herrschaft des Islamischen Staats (IS). 

„Rechtswidrige“ Entscheidung im Prozess im Juni
Damals wandte sich die Familie mit der Bitte um Rückholung ihrer Tochter und der Enkelkinder an das Außenministerium. Doch das Ministerium stimmte nur zu, die Kinder nach Österreich zu bringen, nicht aber ihre Mutter. Die Entscheidung sei „rechtswidrig gewesen, insbesondere für die beiden Söhne von G“, so die Anwältin Doris Hawelka Ende Juni. 

Die Identität der beiden Buben war damals bereits mit einem DNA-Test nachgewiesen worden, sie gelten als österreichische Staatsbürger. G. und ihre Eltern lehnten aber eine Rückkehr ohne Tochter mit Verweis auf das Wohl der Kinder ab.

Am 28. Juni 2014 reiste die Frau von Salzburg in die Türkei. Sie sei damals nur 17 Jahre alt gewesen. Die Reise führte G. damals weiter nach Syrien, wo sie sich der Terrororganisation Islamischer Staat angeschlossen hat. Dort brachte sie zwei Kinder von zwei Kämpfern der Terrormiliz IS zur Welt. Vor fünf Jahren wurde sie schließlich bei Kampfhandlungen gegen den IS gefangen genommen, seit September 2020 lebt sie in einem kurdischen Internierungslager.

Frauen von IS-Kämpfern (im Hintergrund) bewacht von einem Sicherheitsmann im Lager al-Hol in Syrien. (Bild: AFP)
Frauen von IS-Kämpfern (im Hintergrund) bewacht von einem Sicherheitsmann im Lager al-Hol in Syrien.

Ministerium: Ausreise war freiwillig
Nachdem weitere Bemühungen der Eltern durch die Corona-Pandemie verzögert wurden und schließlich gescheitert waren, stellte Hawelka schließlich einen formalen Antrag auf Rückholung und erwirkte im September 2023 über das Bundesverwaltungsgericht, dass das Außenministerium statt formlosen Ablehnungen einen Bescheid ausstellen musste.

Der fiel im Oktober 2023 negativ aus: Die Frau habe sich trotz Reisewarnung freiwillig der Terrormiliz IS angeschlossen. Fazit: „Es liegt somit eindeutig ein besonders hoher Grad der Eigenverschuldung vor.“ Noch in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht Ende Juni 2024 betonte eine Vertreterin des Außenministeriums, dass die Rückführung von G. keine Aufgabe des Ministeriums und bei einer möglichen Hilfeleistung auch die Sicherheit des Personals der Konsularbehörden zu berücksichtigen sei. Weiters sei Maria G. freiwillig ausgereist, trotz Reisewarnung.

Recht auf Kindeswohl nicht ausreichend berücksichtigt
Die Anwältin der Familie Doris Hawelka sagte im Vorfeld des Entscheids, dass der Fokus aber auf das Kindeswohl zu richten sei. Die Mutter sei die einzige verbliebene Bezugsperson der Kinder, die Söhne seien ob ihres bisherigen Lebens und der Umstände in den Lagern schwer traumatisiert. „Diese letzte Stütze sollte man ihnen nicht wegnehmen – auch in Hinblick auf eine Integration in Österreich.“

Zwischen 2019 und 2022 wurden bereits vier Kinder aus nordsyrischen Lagern über den Irak nach Österreich zurückgebracht. In einem Fall war die Mutter tot, im zweiten blieb die Mutter im Gefangenenlager zurück.

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Dass es in Österreich ein Strafverfahren gibt, ist ihr bewusst. Es sei in der Judikatur völlig unstrittig, dass es als Beitragshandlung zu werten sei, wenn man nur ins Herrschaftsgebiet des IS reiste, um dort zu leben. Aber es gibt keine Indizien dafür, dass sie sich an Kampfhandlungen und Gewalttaten beteiligt hätte.

Anwältin Doris Hawelka über ihre Mandantin Maria G.

Hawelka beeinspruchte den Bescheid des Außenministeriums – mit Erfolg: „Es ist eine gemeinsame Rückholung nach Österreich herbeizuführen“, erklärte sie am Freitag. Aufgrund der außergewöhnlichen Umstände im Camp in Nordsyrien, durch die das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Frau und ihrer Kinder gefährdet sei, und unter Berücksichtigung des Kindeswohls sei das Bundesverwaltungsgericht zu dem Schluss gekommen, dass G. aufgrund der positiven Verpflichtung zur Gewährung des Rechts auf Einreise zu repatriieren sei.

„Das BVwG folgte der Argumentation, dass das Außenministerium das – verfassungsrechtlich gewährleistete – Recht auf Kindeswohl bisher nicht ausreichend berücksichtigt hat“, so Hawelka. Die Berücksichtigung des Kindeswohls der beiden Minderjährigen spreche im Ergebnis auch für die Rückführung der Mutter.

Bereits im Vorfeld hatte die Anwältin erwirkt, dass ein seit 2015 bestehender internationaler Haftbefehl gegen G. aufgehoben wurde. Eine Auslieferung der jungen Frau sei laut Justizministerium nicht möglich gewesen, weil es kein entsprechendes Abkommen mit Syrien bzw. der kurdischen Regionalverwaltung, die das Lager führt, gibt.

In den Lagern des IS herrschen haftähnliche Zustände – dies motivierte auch Maria G. nach Österreich zurückzukehren (Symbolbild). (Bild: AFP)
In den Lagern des IS herrschen haftähnliche Zustände – dies motivierte auch Maria G. nach Österreich zurückzukehren (Symbolbild).

Maria G.: Durch Unfall schwer traumatisiert
Beim Prozess Ende Juni wurden die Eltern der IS-Anhängerin als Zeugin und Zeuge befragt. Sie sagten aus, sie würden nur sporadisch per Audiobotschaften auf WhatsApp mit ihrer Tochter kommunizieren, zuletzt Anfang Juni. Maria G. habe eine schwierige Kindheit gehabt, sie sei als 12-Jährige durch einen Unfall in einem Vergnügungspark schwer traumatisiert worden und anschließend jahrelang psychologisch betreut worden.

Über eine Familientherapeutin habe sie dann einen Migranten aus Somalia kennengelernt und sei mit dem Islam in Kontakt gekommen. Im Dezember 2013 konvertierte die damals Jugendliche. Laut ihren Eltern ging sie vereinzelt in Moscheen in Salzburg.

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Mein Eindruck von ihr war, dass sie sehr verschüchtert und ein bisschen verzweifelt gewirkt hat.

Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger

Haftähnliche Zustände im IS-Lager
Offenbar kamen bei Maria G. langsam Zweifel auf. Denn die Zustände in IS-Lagern seien schwierig, es fehle vor allem an medizinischer Versorgung. Das sei vor allem für die beiden Söhne eine schwierige Situation. Schon Ende Juni berichtete Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger als geladener Zeuge über eine Begegnung mit der Salzburgerin Maria G und versuchte aufzuzeigen, warum G. wenige Monate vor ihrem Verschwinden aus Österreich zum Islam konvertierte und nach Syrien reiste.

Laut seinen Aussagen, mache sie sich Sorgen, dass ihre Kinder im Camp verrohen würden und keine Schule besuchen könnten. Daher strebe die Frau eine Rückkehr nach Österreich an, auch wenn ihr ein Strafverfahren wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation drohe. Denn die Zustände seien ohnehin bereits haftähnlich, ein Ende nicht absehbar.

Für eine Rückführung reiche der politische Wille. So würden etwa US-Truppen vor Ort ihre Hilfe für andere Staaten anbieten. Das Außenministerium wies am Freitag in einer ersten Stellungnahme darauf hin, dass das Thema „Rechtsfragen von grundlegender Bedeutung“ berühre, zu denen es noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung gebe.

„Es wird gerade von Experten im Außenministerium gemeinsam mit der Finanzprokuratur gründlich analysiert. Weitere Schritte werden geprüft.“ Sollte eine Revision für zulässig erklärt werden, kann die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts binnen sechs Wochen beeinsprucht werden.

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