Josefstadt-Premiere

Der ewige Spießer und seine rätselhaften Lehren

Kritik
11.10.2024 13:47

Max Frischs Geniewerk „Biedermann und die Brandstifter“ kann in solider Darbietung im Theater an der Josefstadt durchaus gefallen.

(Bild: kmm)

Der Gedanke, dass das Werk des 1991 verstorbenen Schweizer Schriftstellers Max Frisch erst 2061 gemeinfrei wird, hat etwas ungemein Tröstendes: Erst 70 Jahre nach dem Ableben des Schöpfers dürfen Regisseure so frei sein, literarischen Texten Gemeinheiten nach Gutdünken angedeihen zu lassen. Dieser Gesetzeslage verdanken wir noch bis 2026 brauchbare Brecht-Produktionen. Und auch Frischs Klassiker „Biedermann und die Brandstifter“ (1958) profitiert sehr, wenn man ihn in Ruhe vom Blatt spielt. So wie es derzeit an der „Josefstadt“ geschieht.

Markus Bluhm und Alexandra Krismer (Bild: Theater in der Josefstadt/Moritz Schell)
Markus Bluhm und Alexandra Krismer
(Bild: Theater in der Josefstadt/Moritz Schell)

Das „Lehrstück ohne Lehre“, wie Frisch es mit ironischem Verweis auf Brecht nannte, ist von höchster Vertracktheit: Ein Spießer duldet aus Feigheit und Harmonisierungssucht, dass sich auf seinem Dachboden zwei Obdachlose einquartieren, um ihm das Haus abzufackeln. Der Geschichte kann man alle politischen Wahrheiten bzw. Banalitäten der Welt aufbürden. Bevorzugt, dass wir aus Duckmäusertum sehenden Auges ins Unheil taumeln. Man kann es aber auch betörend unkorrekt wörtlich nehmen: Gib nie einem Nichtsesshaften Obdach, sonst brennt er dir die Bude ab. Literarisch ist der Text in guter Verfassung. Das etwas bemühte Nachspiel aus den Zeitphänomenen des Existentialismus und des Absurden wird durch die prächtigen griechischen Chöre der Feuerwehrleute glanzvoll kompensiert. Stefanie Mohrs Inszenierung gestattet dem Publikum eigenes Denken, und das Resultat ist im besten Sinn solides Theater. Keine Kickl-Masken für die Brandstifter, kein nonbinäres Salondirndl für den Biedermann, wie erholsam! Markus Bluhm lässt in der Titelrolle keinen Kriecherreflex ungenutzt, Joseph Robert Bartl, Katharina Klar, Dominic Oley und Alexandra Krismer erfreuen in dieser Reihenfolge an der Spitze eines tadellosen Ensembles.

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